Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke. Robert Louis Stevenson
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke - Robert Louis Stevenson страница 97
»Das bringt mich auf einen Punkt, der, wie mir scheint, bisher übersehen worden ist«, bemerkte er. »Das Interesse unseres Klienten hat selbstverständlich allem voranzugehen, doch die Welt ist ja mit James Stuart noch nicht zu Ende.« Hier zwinkerte er schlau. »Da sind, exempli gratia, noch ein Mr. George Brown, ein Mr. Thomas Miller und ein gewisser Mr. David Balfour. Mr. Balfour hat allen Grund zur Klage, und ich glaube, meine Herren, wir können, wenn wir seine Sache geschickt durchfechten, eine ganze Reihe Whigs zur Strecke bringen.« Wie auf Kommando wandte sich der ganze Tisch ihm zu. »Richtig gedreht und sorgfältig ausgeschlachtet, ist das hier eine Geschichte, die bedeutungsvolle Folgen haben dürfte«, fuhr er fort. »Unsere gesamte Justizverwaltung, von den höchsten Beamten abwärts, wäre dann kompromittiert, und mir sieht es ganz so aus, als müßten diese Beamten ersetzt werden.« Er strahlte förmlich vor Schlauheit. »Ich brauche wohl nicht erst zu betonen: der Fall Balfour ist ein gutes Schlachtpanier.« Nun, damit hatten sie ein neues Wild aufgespürt. Der Fall Balfour, und welche Reden dabei gehalten und welche Beamten verabschiedet werden müßten, und wer ihr Nachfolger sein sollte, wurde das Gesprächsthema. Ich will nur zwei Beispiele anführen. Es wurde vorgeschlagen, Simon Fraser zu gewinnen, dessen Zeugnis Argyle und Prestongrange den Hals brechen mußte, Miller war durchaus für den Versuch. »Vor uns liegt ein fetter Bissen,« sagte er, »es fällt für jeden ein Mundvoll ab.« Mir kam's vor, als leckten sich alle die Lippen. Miller sah das Ende bereits vor sich. Charles Stuart war vor Entzücken außer sich, denn er witterte Rache an seinem Erzfeinde, dem Herzog. »Meine Herren,« schrie er, sein Glas füllend, »ich trinke auf Sheriff Miller. Seine juristischen Fähigkeiten sind weltbekannt. Für seine kulinarischen spricht vor uns die Bowle Punsch! Doch erst seine politischen –«, er leerte sein Glas.
»Ja, aber die Politik dürfte kaum nach Eurem Geschmack sein«, sagte der erbaute Mr. Miller. »Nennt es, wenn Ihr wollt, eine Revolution; ich glaube Euch sogar versprechen zu können, daß Historiker sie vom Falle Balfour ab datieren werden. Doch richtig geleitet, Mr. Stuart, mit Vorsicht geleitet, wird es eine friedliche Revolution werden.« »Wenn nur die verdammten Campbells eins ausgewischt kriegen!« schrie Stuart, mit der Faust auf den Tisch schlagend, »alles andere ist mir gleich!«
Man kann sich denken, daß ich von alledem nicht sonderlich entzückt war, obwohl ich mich kaum enthalten konnte, über eine gewisse Einfalt an diesen alten Verschwörern zu lächeln. Aber es entsprach nicht meiner Absicht, so viel Kummer erduldet zu haben, nur um Sheriff Miller zu befördern und im Parlamentshaus eine Revolution anzuzetteln. Ich mischte mich daher mit so viel Unschuld, als ich aufzubringen vermochte, ein.
»Ich danke Euch für Euren Rat, meine Herren«, sagte ich. »Und jetzt möchte ich mit Verlaub zwei, drei Fragen stellen. Eine Sache wurde hierbei ein wenig in den Hintergrund gedrängt, zum Beispiel: wird dieser Fall unserem Freunde James von der Schlucht weiterhelfen?« Alle schienen einen Schatten gedämpfter und gaben die verschiedensten Antworten; aber in einem Punkte waren sie sich so ziemlich einig: daß James nur noch auf Begnadigung durch den König hoffen dürfe.
»Um fortzufahren,« bemerkte ich, »wird es Schottland irgendwie nützen? Es gibt ein Sprichwort: der ist ein schlechter Vogel, der sein eigenes Nest beschmutzt. Ich erinnere mich, gehört zu haben, daß wir damals, als ich noch in den Windeln lag, in Edinburgh eine Revolte hatten, die die hochselige Königin veranlaßte, unser Land ein barbarisches Land zu nennen, und ich glaubte bisher immer, wir hätten dadurch mehr verloren als gewonnen. Dann kam das Jahr '45, und ich habe auch nie vernommen, daß die Revolution '45 uns genützt hätte. Jetzt kommen wir zu diesem Fall Balfour, wie Ihr ihn nennt. Sheriff Miller erklärt, Historiker würden ihre Schriften nach diesem Zeitpunkt datieren, was ich ihm gerne glauben will. Ich fürchte nur, sie werden die betreffende Periode als eine Zeit des Unglücks und des öffentlichen Vorwurfs bezeichnen.« Der geistig agile Miller witterte bereits, worauf ich hinaus wollte, und beeilte sich, den gleichen Weg einzuschlagen. »Sehr treffend bemerkt, Mr. Balfour,« meinte er. »Ein gewichtiges Argument, Sir.«
»Dann müssen wir uns auch fragen, ob König Georg damit gedient ist«, fuhr ich fort. »Sheriff Miller scheint sich über diesen Punkt keine weiteren Gedanken zu machen; doch ich zweifle, ob man Seiner Majestät den Boden unter den Füßen wegziehen kann, ohne Seiner Majestät selbst dadurch ein, zwei Schläge zu versetzen, von denen einer oder der andere leicht tödlich sein könnte.« Ich ließ ihnen Zeit zu einer Entgegnung, aber keiner rührte sich. »Bezüglich derer, die durch diese Sache profitieren sollen,« fuhr ich fort, »hat Sheriff Miller eine Reihe von Namen genannt, unter denen er so gütig war, auch meinen anzuführen. Ich hoffe, er wird mir verzeihen, wenn ich gegenteiliger Ansicht bin. Ich glaube, keinerlei Bedenken gezeigt zu haben, als es sich darum handelte, ein Menschenleben zu retten, obwohl ich gestehe, daß ich mein eigenes Leben dabei als stark bedroht empfand. Ich bin aber bereit, zuzugeben, daß ich es für schade halte, wenn ein junger Mann, der selbst die juristische Karriere einzuschlagen gedenkt, sich den Ruf eines aufrührerischen, händelsüchtigen Burschen zuzieht, bevor er noch zwanzig Jahre alt ist. Und was James anbetrifft, so scheint ihm zur Zeit – da das Urteil so gut wie gesprochen ist – keine andere Hoffnung als die Gnade des Königs zu bleiben. Gibt es daher nicht eine Möglichkeit, sich Seiner Majestät in wirksamerer Weise zu nähern, den Ruf dieser hohen Beamten vor der Öffentlichkeit zu schützen und mich selbst einer Lage zu entziehen, die für mich, meiner Meinung nach, den Ruin bedeutet?«
Alle saßen schweigend da, den Blick auf ihre Gläser gerichtet, und ich sah, meine Haltung war nicht nach ihrem Geschmack. Allein Miller war auch auf diese Eventualität vorbereitet. »Falls mir gestattet ist, unseres jungen Freundes Gedanken eine offizielle Form zu geben,« sagte er, »schlage ich vor, wenn ich ihn recht verstanden habe, daß wir die Tatsachen bezüglich seiner Gefangenhaltung sowie auch einige der wichtigsten Punkte der Zeugenaussage, die er bereit war abzulegen, in einer Denkschrift an die Krone zu Papier zu bringen. Dieser Plan birgt gewisse Elemente des Erfolges. Er wird unserem Klienten so gut (wenn nicht gar besser) helfen als irgendeiner. Vielleicht wird Seine Majestät sogar die Gewogenheit haben, allen denen gegenüber, die an einem derartigen Memorial beteiligt sind, das unschwer zum Ausdruck der taktvollsten Untertanentreue gestaltet werden kann, eine gewisse Dankbarkeit zu bezeugen; ja, ich glaube sogar, dieser Gesichtspunkt läßt sich bei der Abfassung ohne weiteres betonen.« Alle nickten einander, wenn auch nicht ohne Seufzer, zu, denn die frühere Alternative entsprach ohne Zweifel weit mehr ihren Neigungen.
»Dann darf ich wohl um einen Bogen Papier bitten, Mr. Stuart,« fuhr Miller fort, »ich glaube, die Denkschrift kann in überaus passender Form von den fünf Anwesenden als von den ›Prokuratoren des Verurteilten‹ unterzeichnet werden.« »Jedenfalls kann sie keinem von uns schaden«, bemerkte Coulston mit einem zweiten Seufzer; er hatte sich in den letzten zehn Minuten bereits als Lord Staatsanwalt gesehen. Darauf machten sie sich, wenn auch ohne Begeisterung, ans Werk, das Memorial aufzusetzen – ein Vorgang, bei dem sie sehr bald Feuer fingen, und ich hatte nichts weiter zu tun, als zuzusehen und gelegentlich eine Frage zu beantworten. Das Schriftstück war sehr gut formuliert; es begann mit einer Aufzählung der Tatsachen über mich selbst, der Belohnung, die auf meine Person ausgeschrieben war, meiner freiwilligen Auslieferung, des Drucks, den man auf mich ausgeübt hatte, meiner Gefangenhaltung und meines verspäteten Eintreffens in Inverary, und fuhr dann fort, die Gründe der Loyalität und des öffentlichen Interesses auseinanderzusetzen, aus denen man von jeder Aktion abgesehen hätte. Den Schluß bildete ein beredter Appell an des Königs Gnade zugunsten von James.
Mir schien, als käme ich dabei ziemlich schlecht weg; als schilderten sie mich eher als einen Heißsporn, der nur mit Mühe durch einen Schwarm Anwälte von radikalen Maßnahmen abgehalten werden könnte. Aber ich ließ das hingehen und schlug nur vor, man möchte angeben, ich sei bereit, vor jeder Untersuchungskommission meine eigenen Aussagen zu machen und mit Hilfe anderer die nötigen Beweise beizubringen, und als einzige Forderung verlangte ich, sofort eine Kopie ausgehändigt zu bekommen.
Coulston hüstelte und räusperte sich. »Es ist ein streng vertrauliches Dokument«,