Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke. Robert Louis Stevenson

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Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke - Robert Louis Stevenson

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Sitz umher, räusperte sich, zog die kahlen Brauen hoch und blickte, jetzt gähnend, dann wieder verstohlen lächelnd, nach rechts und nach links. Mitunter nahm er auch die Bibel, die vor ihm lag, blätterte darin, schien ein Stückchen zu lesen, blätterte weiter und hielt inne, um unverhohlen zu gähnen: das Ganze, wie um sich wach zu halten. Dank dieser Ruhelosigkeit fiel sein Blick auf mich. Eine Sekunde lang saß er da, wie erstarrt, dann riß er eine halbe Seite aus der Bibel, kritzelte etwas mit Bleistift darauf und reichte sie flüsternd seinem nächsten Nachbarn. Der Zettel gelangte schließlich in Prestongranges Hände, der einen einzigen Blick darauf warf; von dort wanderte er zu Mr. Erskine weiter,von ihm zu Argyle, der zwischen zwei Richtern saß, und Seine Gnaden drehten sich um und starrten mich hochmütig an. Der Letzte der Parteien, meine Gegenwart zu bemerken, war Charlie Stuart, und auch er begann Notizen zu schreiben und zirkulieren zu lassen, deren Weg durch die Menge ich jedoch nicht zu verfolgen vermochte. Doch das Kreisen dieser Zettel hatte Aufsehen erregt; alle Eingeweihten (und solche, die sich dafür hielten) gaben flüsternd Informationen weiter – die anderen Fragen – und der Pastor selbst schien durch die Bewegung in der Kirche, die plötzliche Unruhe und das Flüstern völlig aus dem Konzept gebracht. Seine Stimme änderte sich, er stockte offenbar und gewann auch nicht einen Augenblick seine Beweiskraft und seinen sonoren Vortrag wieder. Bis an sein Lebensende wird es ihm wohl ein Rätsel geblieben sein, weshalb eine Predigt, deren erste vier Teile er mit Triumph abwickelte, im fünften Abschnitt elend scheiterte. Was mich anbelangt, so blieb ich auch fernerhin auf meinem Platze sitzen, sehr naß und müde und ziemlich besorgt, was sich wohl als nächstes ereignen würde, aber immerhin über meinen Erfolg frohlockend.

      Die letzten Worte des Segens waren noch kaum gesprochen, da hatte mich Stuart schon am Arme gepackt. Wir waren die ersten, die Kirche zu verlassen, und er trieb mich so eilig vorwärts, daß wir wohlbehalten die vier Wände eines Hauses erreichten, bevor die Straße sich mit auf dem Heimwege befindlichen Kirchgängern anfüllte. »Komme ich noch zur Zeit?« fragte ich. »Ja und nein«, sagte er. »Der Prozeß ist beendet; die Jury hat sich zurückgezogen und wird die Güte haben, uns morgen früh ihr Urteil wissen zu lassen, das ich Euch schon vor drei Tagen, ehe die Komödie begann, hätte sagen können. Es war von Anfang an bekannt. Der Angeklagte kannte es. »Ihr könnt für mich tun, was Ihr wollt,« flüsterte er mir vor zwei Tagen zu, »ich weiß, was mir bevorsteht; ich habe gehört, was der Herzog von Argyle eben jetzt zu Mr. Macintosh sagte.« O, es war ein Skandal! Ja, selbst der Pedell schrie, ›Cruachan!‹«

      »Der große Argyle schritt munter voran.

      Da huben Kanonen zu brüllen an!«

      »Aber nun ich Euch wiederhabe, geb ich die Sache nicht verloren. Die Eiche soll noch über die Myrthe triumphieren; wir werden die Campbells in ihrer eigenen Stadt besiegen. Mit Gottes Hilfe werde ich den Tag noch erleben!« Er zitterte vor Aufregung, schüttete seine Koffer auf dem Boden aus, damit ich die Kleider wechseln könnte, und belästigte mich dabei durch seine Hilfe. Was es aber noch zu tun gab, und wie ich es tun mußte, brachte ich nicht aus ihm heraus, ja, ich glaube, er widmete dem auch nicht einen Gedanken. »Wir werden die Campbells schon unterkriegen!« war sein ständiger Refrain. Und mir wurde plötzlich klar, daß diese Angelegenheit, die nach außen hin einem nüchternen Rechtsverfahren glich, im Kern nichts als ein barbarisch wilder Clanstreit war. Und mein Freund, der Anwalt, erschien mir als einer der wildesten Parteigänger. Wer von jenen, die ihn gesehen hatten, wenn er in einer gewöhnlichen Verhandlung hinter dem Gerichtsadvokaten auftrat oder auf den Bruntsfield Links einen Golfball vor sich hertrieb, hätte in dem wortreichen, gewalttätigen Clansmann den gleichen Menschen erkannt?

      James Stuart hatte vor Gericht vier Vertreter: die Sheriffs Brown von Coulston und Miller, Mr. Robert Macintosh und Mr. Stuart junior von Stuart Hall. Die vier waren eingeladen, nach der Predigt bei dem Anwalt zu speisen, und ich wurde freundlichst aufgefordert, mit von der Partie zu sein. Kaum war das Tischtuch abgenommen und die erste Bowle Punsch kunstvoll von Sheriff Miller gebraut, als wir über das Thema herfielen, das uns beschäftigte. Ich gab einen kurzen Bericht meiner Gefangennahme und Absperrung und wurde wiederholten Verhören und Kreuzverhören unterzogen. Man wird sich erinnern: es war das erstemal, daß ich ausführlich reden konnte, und daß der Fall von einem Juristenkollegium behandelt wurde; das Resultat war für die anderen ungemein entmutigend und für mich (wie ich zugeben muß) eine Enttäuschung. »In summa,« erklärte Coulston, »Ihr beweist, daß Alan dabei war; Ihr habt ihn Drohungen gegen Glenure ausstoßen hören; und obwohl Ihr uns versichert, er wäre nicht der Mann, der den Schuß abfeuerte, hinterlaßt Ihr doch durchaus den Eindruck, daß er mit dem andern im Bunde stand, zum minderten, daß er der Tat zustimmte, selbst wenn er sich nicht an ihr beteiligte. Ihr beweist ferner, daß er unter Gefährdung seiner Freiheit nach Kräften des Verbrechers Flucht begünstigte, und der Rest Eurer Aussage (sofern sie von materiellem Wert ist) stützt sich auf das bloße Wort der beiden Angeklagten Alan und James. Ihr brecht durchaus nicht die Kette, die unseren Klienten an den Mord fesselt, sondern verlängert sie vielmehr um ein Glied; und ich brauche wohl kaum hervorzuheben: die Einführung eines dritten Komplicen verstärkt eher den Verdacht einer Verschwörung, welcher von Anfang an das Hindernis war, an dem wir scheiterten.« »Ich bin der gleichen Ansicht«, meinte Sheriff Miller. »Ich glaube, wir können Prestongrange alle sehr dankbar sein, daß er einen höchst lästigen Zeugen aus dem Wege räumte. Und hauptsächlich glaube ich, schuldet Mr. Balfour selbst ihm Dank... Ihr redet von einem dritten Komplicen, doch Mr. Balfour erweckt (in meinen Augen) ganz den Eindruck eines vierten.«

      »Vergebung, meine Herren«, warf hier Stuart, der Anwalt, ein. »Es gibt noch einen ganz anderen Gesichtspunkt. Hier ist ein Zeuge – ob wichtig oder nicht, ist einerlei –, ein Zeuge in diesem Prozeß, der von jener gesetzlosen alten Räuberbande, den Glengyle MacGregors, überfallen und fast einen Monat lang in einem elenden kalten Steinhaufen auf Baß gefangengehalten wurde. Rührt das auf und seht, welchen Schmutz Ihr aufwirbelt und dem Prozeß anhängen könnt! Meine Herren, das ist eine Geschichte, von der die ganze Welt reden wird! Es müßte schon nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn wir auf diese Art nicht eine Begnadigung für unseren Klienten herausdrückten.«

      »Schön, angenommen, wir greifen morgen den Fall Balfour auf«, entgegnete Stuart Hall. »Ich müßte mich sehr täuschen, wenn man uns nicht derart viele Hindernisse in den Weg rückte, daß wir den James gehenkt sähen, ehe wir einen Gerichtshof zusammenhätten, um den Fall zu vernehmen. Die Sache ist ein unerhörter Skandal; aber ich meine, wir haben alle einen noch größeren Skandal nicht vergessen: den Fall der Lady Grange. Die Dame befand sich in Gefangenschaft; mein Freund, Mr. Hope von Rankeillor, tat, was in Menschenmacht stand, und wieweit kam er? Er erzielte nicht einmal einen Haftbefehl! Nun, das gleiche wird sich wiederholen; man wird sich der nämlichen Waffen bedienen. Das hier ist ein Fall der Clananimosität. Der Haß gegen den Namen, den zu tragen ich die Ehre habe, ist an höchster Stelle entfesselt. Wir haben es hier lediglich mit der krassen Bosheit und schmutzigen Intrigue der Campbells zu tun.«

      Man glaube mir, damit hatte er ein Thema angeschlagen, das ihnen nur allzu willkommen war, und eine ganze Weile saß ich hier unter meinen gelehrten Rechtsbeiständen mit einem Kopf, der mir vor lauter Reden brummte, ohne jedoch um ein Jota klüger zu werden. Charles Stuart ließ sich zu einigen hitzigen Bemerkungen fortreißen; Coulston sah sich genötigt, ihn zu widerlegen; die übrigen schlugen sich auf die eine oder andere Seite, alle aber mit ziemlichem Aufwand von Stimme und Worten. Der Herzog von Argyle wurde zu Mus zerstampft; König George erhielt beiläufig ein paar Rippenstöße und wurde dann des langen und breiten verteidigt. Ein einziger Mann schien ganz vergessen: James von der Schlucht. Indessen verhielt sich jener Mr. Miller ganz still. Er war ein kleiner, zierlicher Herr mit rosigem Gesicht und zwinkernden Augen und sprach mit einer sonoren, einschmeichelnden Stimme auf unendlich pfiffige Art, wobei er jedes Wort wie ein Schauspieler betonte, um eine möglichst große Wirkung zu erzielen. Ja, selbst wenn er schwieg und, die Perücke beiseite gelegt, das Glas in beiden Händen, mit komisch aufgeworfenen Lippen und vorgestrecktem Kinn dasaß, schien er die Verkörperung munterer Schlauheit. Es war klar, auch er hatte ein Wort zu sagen und wartete die passende Gelegenheit ab.

      Sie

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