Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke. Robert Louis Stevenson
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»Wenn Ihr mir Zeit und Ort angeben wollt, werde ich pünktlich zur Stelle sein, um Eurer Lordschaft aufzuwarten«, sagte ich. Er schüttelte mir die Hand. »Ich glaube sogar, meine jungen Damen haben gute Nachrichten für Euch«, waren seine Entlassungsworte.
Ich verabschiedete mich, ungemein befriedigt von dem Frieden, den wir geschlossen hatten, aber immer noch mit leise unruhigem Gewissen; und rückblickend fragte ich mich trotz allem immer wieder, ob ich nicht doch ein wenig zu gutmütig gewesen sei. Allein die Tatsache ließ sich nicht leugnen: dieser Mann, der mein Vater hätte sein können, der ein tüchtiger Mann und großer Würdenträger war, hatte in der Stunde meiner Not seine Hand ausgestreckt, um mir zu helfen. Um so besser war ich in der Lage, den Rest des Abends zu genießen, den ich mit den Anwälten zusammen, zwar in unzweifelhaft guter Gesellschaft, aber unter überreichlichem Genuß von Punsch verbrachte; denn obwohl ich früh zu Bett ging, kann ich mich nicht mehr deutlich erinnern, wie ich dorthin gelangte.
Achtzehntes Kapitel Der Schwungball
Am folgenden Tage hörte ich von ihrem Privatzimmer aus, wo niemand mich sehen konnte, die Richter das Urteil über James Stuart sprechen und verlesen. Ich hin ganz sicher, des Herzogs Worte richtig verstanden zu haben; und da jene berühmte Rede seither vielfach umstritten wurde, dürfte es angebracht sein, meine Version zu fixieren. Nach einer Anspielung auf das Jahr '45 redete das Oberhaupt der Campbells in seiner Eigenschaft als Lord Oberrichter den unglücklichen Stuart vor ihm mit folgenden Worten an: »Wäret Ihr in jener Rebellion erfolgreich gewesen, Ihr würdet vielleicht Recht sprechen, wo Ihr heute aus den Händen des Rechts das Urteil empfangt; wir, die wir heute Eure Richter sind, wären von einem Eurer Scheingerichte abgeurteilt worden; dann hättet Ihr Euch an dem Blute jenes Mannes oder Clans satt trinken können, gegen den Ihr einen Haß nährtet.«
»Das heißt tatsächlich die Katze aus dem Sack lassen«, dachte ich. Dies war auch der allgemeine Eindruck. Man mußte sich wundern, zu sehen, wie die grünen Anwaltjungen jene Rede aufgriffen und verspotteten; wie kaum eine Mahlzeit vorbeigehen konnte, ohne daß irgend jemand die Worte einschmuggelte: »Dann hättet Ihr Euch satt trinken können.« Zahlreiche Augenblickslieder wurden gedichtet und fast alle wieder vergessen. Ich erinnere mich, das eine begann:
» Von wem wollt Ihr trinken das Blut, ja das Blut?Ist's ein Name, sagt, ist es ein Clan?Oder ist's gar ein wilder Hochlandsmann,Von dem Ihr wollt trinken das Blut, ja das Blut.«
Ein anderes wurde nach meiner alten Lieblingsmelodie »The House of Airlie« gesungen:
» Es begab sich an dem Tag, da Argyle präsidierte,Daß man ihm einen Stuart zum Abendbrot servierte.«
Und einer der Verse lautete:
» Und auf stand der Herzog und sprach zu seinem Koch:Ich eracht es als mein heißestes Bestreben,Mir zu füllen den SchlauchUnd zu stopfen den BauchMit dem Blute der feindlichen Leben.«
James wurde so offenkundig ermordet, als hätte der Herzog ihn mit seiner Jagdflinte niedergeknallt. Das alles wußte ich genau, aber andere wußten es nicht. Um so größer war die Empörung über gewisse skandalöse Einzelheiten, die im Verlauf des Prozesses durchsickerten; darunter an erster Stelle dieser Hieb des Vorsitzenden. Mit ihm wetteiferte die ausfallende Bemerkung eines Geschworenen, der ein Plädoyer Coulstons mit den Worten unterbrach: »Ich bitte Euch, Sir, faßt Euch kurz, wir haben die Sache satt.« Das mußte als der Gipfel der Unverfrorenheit und Einfalt erscheinen. Doch einige meiner neuen Freunde unter der Anwaltschaft fühlten sich noch mehr vor den Kopf gestoßen durch einen neuen Brauch, der diesen Prozeß verunglimpfte, wenn nicht gar schändete. Der eine Zeuge wurde niemals aufgerufen. Zwar stand sein Name auf der vierten Seite der Zeugenliste, wo er auch heute noch zu finden ist, als »James Drummond, alias MacGregor, alias James More, weiland Pächter auf Inveronachile«, und sein Vorverhör war, der Sitte gemäß, protokolliert. Er hatte darin Material beigebracht oder erdichtet, (Gott helfe ihm), das, wie ich erkannte, Blei in James' Schuhe goß, während es seinen eigenen Schwingen anheftete. Nun war es zwar äußerst wünschenswert, diese Aussagen der Jury zu unterbreiten, jedoch ohne den Zeugen selbst der Gefahr eines Kreuzverhörs auszusetzen; und der Ausweg, den man wählte, bot allen die größte Überraschung. Das Schriftstück wurde (gleich einer Kuriosität) von Hand zu Hand weitergegeben, wanderte zur Geschworenenbank, wo es seine Arbeit verrichtete, und verschwand wieder (wie zufällig), ehe es die Rechtsbeistände des Gefangenen erreichte. Diese Machenschaft wurde als besonders hinterlistig angesehen; und daß mit ihr der Name James More verknüpft war, füllte mich mit Scham für Catriona und mit Sorge um mich selbst. Am folgenden Tage brachen Prestongrange und ich, begleitet von einem ziemlich großen Anhang, nach Glasgow auf, wo wir uns (ganz gegen meinen Willen) teils in Geschäften, teils zum Vergnügen ziemlich lange aufhielten. Ich wohnte zusammen mit Mylord und wurde zu intimem, persönlichem Umgang herangezogen. Ich war zu allen Gesellschaften eingeladen und wurde den wichtigsten Gästen vorgestellt, kurz, wurde hofiert in einem Maße, wie esweder meinen Verdiensten noch meinem Range entsprach, so daß ich oft in Gegenwart von Fremden für Prestongrange errötete. Ich muß gestehen, die Weltanschauung, die ich mir in den letzten Monaten gebildet hatte, drohte mich melancholisch zumachen. Vielen war ich begegnet, die durch Geburt oder Talent den Edelsten der Nation angehörten; und wer von ihnen allen hatte reine Hände gehabt? Was die Browns und Millers anbetraf, so hatte ich sie derart streberisch gefunden, daß ich sie nicht länger zu achten vermochte. Prestongrange war von allen noch der Beste; er hatte mich gerettet oder verschont, wo andere geplant hatten mich kaltblütig zu ermorden. Allein, an seinen Händen klebte das Blut James', und ich fand seine Verstellung bezüglich meiner Person unverzeihlich. Daß er an meiner Unterhaltung Freude zu haben vorgab, ging fast über meine Geduld. Ich saß dann da und beobachtete ihn, während in meinem Innern eine Art langsamen Feuers schwelte. »Ach Freundchen, Freundchen,« dachte ich im Stillen, »hättest du dich erst durch diese Memorialaffäre durchgewunden, mit einem Fußtritt flöge ich auf die Straße.« Darin tat ich ihm, wie spätere Ereignisse zeigten, schweres Unrecht; ich glaube vielmehr, er war gleichzeitig weit aufrichtiger und ein viel geschickterer Schauspieler, als ich vermutete. Doch ein Teil meines Mißtrauens wurde durch das Benehmen einer Korona von jungen Anwälten gerechtfertigt, die den Lord Staatsanwalt in der Hoffnung auf Protektion umschwärmten. Die plötzliche Gunst, zu der ein junger Bursche ausrückte, von dem sie früher nie gehört hatten, stürzte sie in Unruhe. Keine zwei Tage waren vergangen, da sah ich mich plötzlich mit Schmeicheleien und Aufmerksamkeiten überschüttet. Ich war inzwischen weder besser noch hübscher geworden, ja, war immer noch derselbe junge Mann, dem sie vor einem Monat die kalte Schulter gezeigt hatten, und jetzt war keine Artigkeit für mich zu gut! Derselbe, sage ich? Durchaus nicht; das bestätigte mir der Spitzname, den sie mir hinter meinem Rücken gaben. Da sie mich in des Lord Staatsanwalts Gunst fest verankert fanden und überzeugt waren, ich würde noch weit und hoch fliegen, wählten sie eine Bezeichnung aus der Golfsprache und nannten mich »den Schwungball«. Sie erklärten mir, jetzt sei ich »einer von ihnen«; ich, der ich ihre rauhe Schale gespürt hatte, sollte jetzt den süßen Kern kosten. Ja, ein junger Mann, dem ich in Hope Park vorgestellt worden war, besaß die Unverfrorenheit, mich an jene Zusammenkunft zu gemahnen. Ich sagte ihm, ich hätte nicht das Vergnügen, mich daran erinnern zu können. »Aber Miß Grant hat mich Euch persönlich vorgestellt«,