Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke. Robert Louis Stevenson
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»O, Mr. David, ich dachte, Ihr und ich hätten einen Handel abgeschlossen?« »Mylord, als ich auf jenen Handel einging, war ich zwar recht sehr gerührt von Eurer Güte, gleichzeitig jedoch unleugbar von persönlichen Interessen bewogen. Selbstsucht lebte in meinem Herzen; jetzt schäme ich mich ihrer. Möglich, daß die Behauptung, dieser lästige David Balfour sei Eurer Lordschaft Freund und Hausgenosse, sich mit Eurer Sicherheit reimt. Haltet sie also aufrecht, ich werde Euch niemals widersprechen. Doch was Eure Gunst betrifft, so gebe ich sie hiermit ungeteilt zurück. Ich bitte nur um das eine – laßt mich gehen und gebt mir einen Paß, daß ich sie im Gefängnis besuchen darf.«
Er warf mir einen harten Blick zu. »Ihr zäumt, wie es scheint, das Pferd beim Schwanze auf. Was ich Euch gewährte, war ein Teil meiner Zuneigung, und Eure undankbare Natur scheint das nicht bemerkt zu haben. Meine Gunst jedoch ist Euch weder gewährt noch (um präzis zu sein) Euch angeboten worden – vorläufig.« Er schwieg einen Augenblick. »Ich warne Euch, Ihr kennt Euch selbst nicht«, fügte er hinzu. »Die Jugend ist vorschnell, Ihr werdet in einem Jahr über das alles anders denken.«
»Ich möchte aber zu dieser Art Jugend gehören!« rief ich. »Ich habe gar zuviel von der anderen Partei in Gestalt der jungen Advokaten gesehen, die Eure Lordschaft mit Schmeichelei umgeben und sich sogar die Mühe machen, mir zu schmeicheln. Ja, ich habe das Gleiche auch bei den Alten entdeckt. Sie jagen alle bestimmten Zwecken nach – alle, die ganze Sippschaft! Das ist der Grund, weswegen ich Eurer Lordschaft Zuneigung anzweifle. Weshalb sollte ich annehmen, daß Ihr mich mögt? Ihr sagtet mir im Gegenteil selbst, Ihr verfolgtet dabei einen Zweck!« Ich hielt inne, verwirrt, daß ich mich so weit hatte hinreißen lassen; er betrachtete mich derweil mit unergründlichem Ausdruck. »Mylord, ich bitte Euch um Verzeihung. In meinem Maul steckt nur eine grobe Bauernzunge. Ich meine, es wäre nicht mehr als anständig, wenn ich die mir befreundete Dame in der Gefangenschaft besuchte; aber ich verdanke Euch mein Leben – das werde ich Euch nie vergessen. Und wenn es Eurer Lordschaft Wohl befiehlt – so bleibe ich. Das verlangt die bloße Dankbarkeit.« »Dieses Resultat hätte sich mit geringerem Wortaufwand erreichen lassen«, bemerkte Prestongrange grimmig. »Es ist leicht und mitunter auch edelmütig, mit einem schlichten, schottischen ›Ja‹ zu antworten.« »Ah, Mylord, ich glaube, Ihr habt mich nicht ganz verstanden!« rief ich. »Um Euretwillen, um des Lebens willen, das ich Euch schulde, und um des Wohlwollens willen, das Ihr mir, wie Ihr sagt, entgegenbringt – gebe ich meine Zustimmung; nicht etwa, weil Gutes daraus für mich entstehen könnte. Wenn ich beiseite trete, während dieses junge Mädchen in Not ist, wird es durchaus nicht mein Vorteil sein; ich werde im Gegenteil daran verlieren, niemals gewinnen. Lieber scheiterte ich mit Mann und Maus, als auf solcher Grundlage weiterbauen.«
Einen Augenblick blickte er ernst drein, dann lächelte er. »Ihr erinnert mich an den Mann mit der langen Nase«, sagte er. »Wenn Ihr durchs Fernrohr den Mond betrachtetet, würdet Ihr auch nur David Balfour sehen! Aber Ihr sollt Euren Willen haben. Ich will nur noch einen einzigen Dienst von Euch erbitten, dann seid Ihr frei. Meine Schreiber sind übermäßig beschäftigt; seid so gut, mir diese wenigen Seiten zu kopieren«, und er kramte ostentativ zwischen mächtigen Manuskriptrollen ... »Ist das geschehen, dann wünsche ich Euch gute Reise! Gott verhüte, daß ich mich mit Mr. Davids Gewissen belaste! Wenn Ihr jedoch ein Teil davon (so en passant) wegwürfet – Ihr würdet sehen, Ihr säßet weit leichter zu Pferde.« »Der Ritt ginge vielleicht nicht ganz in der gleichen Richtung weiter, Mylord!« »Ihr sollt wahrhaftig das letzte Wort haben!« rief er wohlgelaunt. Er hatte auch in der Tat einigen Grund zu dieser Laune, da er inzwischen das Mittel zur Erreichung seines Zieles entdeckt hatte. Um das Gewicht des Memorials zu verringern und eine plausible Antwort bei der Hand zu haben, wünschte er, daß ich öffentlich in der Rolle seines vertrauten Freundes aufträte. Wenn ich jedoch mit der gleichen Öffentlichkeit Catriona im Gefängnis besuchte, würde die Welt nicht säumen, ihre eigenen Schlüsse zu ziehen, und die wahre Bewandtnis von James Mores Flucht mußte allen klar werden. Das war das kleine Problem, das ich ihm unversehens zu lösen gegeben und auf das er so rasch die Antwort gefunden hatte. Ich sollte in Glasgow durch die Kopierarbeit festgehalten werden, die ich aus reinem äußeren Anstand nicht ausschlagen konnte; während ich so beschäftigt war, konnte er sich im Stillen Catrionas entledigen. Ich schäme mich, so etwas von diesem Manne zu schreiben, der mich derart mit Wohltaten überhäufte. Er war gütig zu mir wie der gütigste Vater; dennoch dünkte er mir stets so falsch wie eine gesprungene Glocke.
Neunzehntes Kapitel Ich bin viel in den Händen der Damen
Das Kopieren war ein langweiliges Geschäft, zumal ich recht klar erkannte, daß die betreffende Angelegenheit in keiner Weise pressierte und sehr bald meine Beschäftigung als einen Vorwand zu betrachten begann. Kaum war ich damit fertig, da saß ich auch schon zu Pferde, um noch den letzten Rest Tageslicht auszunutzen; trotzdem wurde ich von der Dunkelheit überrascht und mußte in einem Hause in der Nähe von Almond Water übernachten. Noch vor Tagesgrauen war ich wieder im Sattel, und die Edinburger Läden wurden eben aufgeschlossen, als ich bei West Bow zum Tor hineinrasselte und vor des Lord Staatsanwalts Haus mein dampfendes Pferd zügelte. In meinem Besitze befand sich eine schriftliche Anweisung an Doig, Mylords Privatsekretär, von dem man annahm, daß er in alle Geheimnisse eingeweiht wäre – ein würdiger, häßlicher kleiner Mann, ganz Fett, Schnupftabak und Selbstsicherheit. Ich fand ihn in dem gleichen Vorraum, in dem ich mit James More zusammengestoßen war, vor einem Pult, trotz der Morgenfrühe über und über mit Tabakspuren bekleckst. Meinen Zettel las er mit peinlicher Sorgfalt durch, gleich einem Kapitel aus der Bibel.
»Hm,« meinte er, »Ihr kommt ein wenig spät, Mr. Balfour. Der Vogel ist ausgeflogen – wir ließen ihn frei.« »Miß Drummond befindet sich in Freiheit?« rief ich. »Jawohl! Weshalb sollten wir sie behalten? Versteht Ihr mich? Wem wäre damit gedient, wenn wir um des Mädels willen ein Aufhebens machen?«
»Wo wird sie jetzt sein?« forschte ich.
»Weiß der liebe Himmel«, antwortete Doig mit einem Achselzucken. »Sie wird zu Lady Allardyce gegangen sein.«
»Höchstwahrscheinlich.«
»Dann gehe ich auch dorthin.«
»Aber Ihr werdet zuvor doch einen Bissen zu Euch nehmen?« »Keinen Bissen und keinen Tropfen! Ich trank in Ratho einen tüchtigen Trunk Milch.«
»Gut, gut«, meinte Doig. »Ihr könnt indes Euer Pferd und Euer Gepäck hier lassen; es scheint, wir müssen Euch beherbergen.« »Nein, nein,« entgegnete ich, »am heutigen Tage von allen Tagen des Jahres wären Schusters Rappen nicht die richtigen Rösser für mich.« Da Doig ziemlich breiten Dialekt redete, war ich unwillkürlich in eine Aussprache verfallen, weit gröber als die, derer ich mich gewöhnlich mit großer Sorgfalt befleißigte. Um so beschämter war ich, als hinter mir eine dritte Stimme einige Takte aus einer Ballade summte:
»Lauf, sattle mir mein tapferes Roß,
Heut gilt's, drum spute dich fein;
Will reiten über den Gatehope-Berg,
Besuchen die Liebste mein.«
Die junge Dame stand da im Morgennegligé, die Hände, wie abwehrend, in den Falten ihres Kleides vergraben. Trotzdem schien mir der Blick, mit dem sie mich betrachtete, nicht unfreundlich. »Mein ehrerbietigstes Kompliment, Miß Grant«, grüßte ich, mich verneigend. »Euch selber das gleiche«, antwortete sie und machte mir einen tiefen Knicks. »Gestattet mir, Euch an ein hausbackenes und altersgraues Sprichwort zu gemahnen: ›Durch Messen und Essen kam niemand noch zuschanden.‹ Die Messe kann ich Euch zwar nicht bieten, da wir alle gute Protestanten sind, aber das Essen möcht ich Euch dringend anempfehlen. Ferner müßte es mich wundernehmen, hätt ich nicht privatim für Euer Ohr einige Neuigkeiten, die den Aufenthalt hier lohnen dürften.« »Miß Grant,« sagte ich,