DER AUFBRUCH. Michael Wächter
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„Ich beziehe mich auf eine Information von Ganssar, dem Generalmajor der Reichsgrenzschutzgarde West. Funkzelle Nr. 482 im Sar-Gebiet 52 hat Funksignale mit Holo-Fotos registriert, dass dort das „Gris Quadre“ gezeigt worden ist.“
Arfazzu Aru richtete sich langsam auf, seine Schlagader unter dem Halsgefieder schwoll an.
„Seit ihrer Landung haben die Inselbesetzer nicht aufgehört zu wildern, und es sind viele Flugechsen erlegt worden. Die Verluste im elektronisch erfassten Wildbestand liegen, den Chip-Ausfällen zufolge, bei 82%“.
Arfazzu Aru plusterte sich auf, als wolle er platzen.
„Die Gesichtserkennungssoftware meldet, die beiden Anführer der Aktion sind in unserer Datei. Der Ältere ist ein Gugay Fiscaux aus der Region von Clénairville.“
Arfazzu Aru schrie auf wie ein Milchsaurier zur Brunftzeit. Die Videoübertragung brach ab. Herr Aru kontaktierte die Sicherheit.
„Faaaahnenmarschalllll!“
Aru krächzte wie bei einem Angriffsbefehl.
„Fahnenmarschall, sofort!“ brüllte er, „Ein Geschwader Düsengleiter, die Grenzschützer! Fiscaux ist wieder da, unsere Wildbestände im Naturschutzgebiet plündern! Er hat das republikanischen Gris Quadre gesendet – im Herrschaftsbereich unseres Großkaisers, des Großen Führers von Sarkar. Fahnenmarschall, wo bleibt ihr Startbefehl! Geschwader-Start, sofort!“
Das war ein Fall von internationaler Bedeutung, Aru wusste es nur zu gut. Der Große Anführer kannte da keine Gnade, und wenn er jetzt etwas falsch machte, so konnte er mit seiner Exekution rechnen – gerade jetzt, wo das große, prosarkarische Bündnis gegen den Willen höchster IPO-Behörden und des Parmun-Parlamentes zustandegekommen war. Aru keuchte, prustete und hustete vor Erregung – er stand im Zentrum einer historischen Auseinandersetzung. Seine Hände zitterten, als er eine Email an den großkaiserlichen PrinzGouverneur der Reiche von Sarkar lossandte, die auf dem Planeten vielleicht einen Weltkrieg aufflammen lassen könnte, den die fazisto-sarkarischen Völker als die Erstbesiedler fremder Welten im All beschließen könnten.
Ein Flug im Düsengleiter würde sie zum Sar bringen, zur dritten Sarka-Station, wo das Sarfazzo-Geschwader von Westsarkar im Hangar stand.
Das war eine Beute! Gugay war zufrieden. Sie hatten gerade die Beute Malalos Shuttle verladen. Der Frachtraum war rappelvoll, und wenn er das Lithiumerz bei den Groß-Hehlern versteigern würde, könnte er dafür Kisten voller Krøg eintauschen. Die Erzhändler würden es an die Einkäufer der Fusionsreaktoren verscherbeln und an die Elektro- und Raumfahrt-Industrie, und Gugay würde seinen fetten Lohn kassieren. Das Shuttle schien fast Übergewicht zu bekommen, als er die Startbereitschaft checken wollte, doch als er den Radar-Bildschirm erblickte, blieb Gugay Fiscaux plötzlich der Krøg in der Kehle stecken. Das Bildschirmsymbol zeigte, direkt von Osten her flog ein volles Grenzschutz-Geschwader auf die Shuttle-Position zu – die Sarfazzo-Flotille.
„A .... Ar ... Aru!“ stotterte er, als sich seine Erstarrung löste, und das Geschrei an Bord war groß.
Tüngör blickte herüber, fand als Erster Worte des Schreckens.
„Gugay, Gugay, der meint ja uns! Der hat ja so viel Sachen drauf, dass er uns gleich ... „
„Los, sitz nicht so rum!“ brüllte Gugay, der sich wieder erholt hatte.
„Hau den Alarmstart rein, vollen Antrieb!“
Doch schon hörten sie das Donnern der Jets, ein mitgebrachter Kampfhubschrauber setzte neben dem Shuttle auf, noch bevor es starten konnte, streifte seine Landefüße und es gab eine heftige Erschütterung. Die Frachtraum-Tür sprang wieder auf, die kostbare Ladung fiel ins Wasser und die Wellen schossen über die Tragflächen, so dass Gugay und Tüngör nass wurden. Nun fiel das Shuttle zur Seite, kippte ins Wasser und nach einem lauten Blubbern und Gurgeln sah man Tüngör und Gugay nur noch auftauchen, schwimmen und heftig nach Luft schnappen. Etwas weiter flussabwärts wendete der gewasserte Kommandojet des Geschwaders, kam wieder zurück und als Aru aus dem Cockpit den unten im Wasser paddelnden Gugay Fiscaux erblickte, stieß er ein brüllendes Gelächter aus, dass der ganze Raum vibrierte.
„Harrharhar, Gugay Fiscaux, du wirst nie wieder im Jagdgebiet des Großkaisers deine Echsen jagen! Jetzt hast du ausgespielt, du cisnairscher Stinkkäfer!“
Der Wasserflut des Fahrtwindes der Jets folgte eine Flut von Schimpfwörtern, die sich jeder Übersetzung widersetzen, eine Flut, in der Arfazzu Aru all seine Wut ablassen konnte, die sich in ihm seit Tolonmonaten aufgestaut hatte, - immer wieder war Gugay Fiscaux ihm zuvorgekommen. Und jetzt paddelte er mit den Flügeln hilflos vor ihm im Wasser herum.
Er strahlte vor Freude, sein Gefieder zitterte vor Erregung, und er blickte genüsslich aus dem Fenster, um dem Schauspiel der Festnahme der Wilderer zusehen zu können. Er verließ den Kommandojet, stellte sich auf die Rampe, die ihm wie die VIP-Lounge einer Aussichtsplattform vorkam, und postierte sich im warmen Licht der Wemursonne.
Die vollautomatischen I.P.O.-Raumsonden hatten eine neue, stabile Umlaufbahn um das fremde Zentralgestirn erreicht. Der mit künstlicher Intelligenz versehene „Altakol-Späher 21C“ fuhr seine Solarpaneele aus, das Spektralpolarimeter und die Mikroteleskope und –spektroskope. Er sammelte genauere Daten über die bewohnbaren Planeten, in fast allen Bereichen des EM-Spektrums. Und er begann sie zu speichern, um sie demnächst in die ferne, heimatliche Welt von Puntirjan zu senden. Seine Funktionsfähigkeit war nicht beeinträchtigt. Der Verlust des kleinen Dschersi-Moduls, dessen Neodymschraube sich von ihm gelöst hatte, blieb unbemerkt. Ohne dass sich jemand Sorgen machen musste, konnten die Sonden in Ruhe einige Jahrzehnte warten, bis dass neue Funkbefehle aus Puntirjan bei ihr eintrafen. Sie befolgte inzwischen ihre Forschungs- und Konstruktionsprogramme.
Das Verhängnis jedoch folgte seinen weiteren Lauf, so wie auch der Komet mit dem verlorenen Modul seiner weiteren Bahn folgte. Eine leichte Störung brachte sie auf einen neuen Kurs – auf Kollisionskurs mit dem einzigen, bewohnten Planeten, den es dort gab – der Erde.
Kapitel 8
„Los, Mann, holen sie raus, was rauszuholen ist! Wir müssen das Geschwader finden!“ befahl der Kapitänleutnant dem Bordingenieur, der mit öligem Gefieder einen Knopf bis zum Anschlag herunterpresste, sich etwas Öl vom Flügel wischte und ein „Eyeye, Sir, Order ausgeführt!“ erwiderte.
Unter dem Druck der Beschleunigung wurde die Besatzung einige Schritte weit geschleudert, als plötzlich vom Radarbeobachter die Meldung kam: „Geschwader backbord vorrraaaus!“
„Antrieb stop!“ krächzte der sarkarische Kapitänleutnant, „Kurs backbord voraus!“ und der Bordingenieur zog den Knopf wieder zurück. Der Besatzung des herannahenden Kampfjets Sarjowa bot sich ein dramatisches Bild. In seinem näheren Umkreis paddelen zwei schwer verwundete Puntirjaner, kurz vor dem Ertrinken und überall lagen Wrack-Teile verstreut am Ufer.
„Die Sarjowa!“ brüllte Arfazzu Aru vor Freude bebend, „Die Sarjowa, mein Anführer!“ Er erkannte den Gouverneursshuttle sofort, denn er hatte ihn bei einer Reichsgrenzschutzübung gesehen.
„Fahnenmarschall, senden sie Grußfrequenzen!“
Er flog vor Freude einen Salto. Der großkaiserliche Prinzgouverneur musste die Sarjowa unverzüglich zum Sar geschickt haben, um die Mündung zu blockieren.
Der