DER AUFBRUCH. Michael Wächter
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„Entschuldige, Gugay!“ Malalo beruhigte sich wieder und blickte Gugay an. „Dann muss es ja funktionieren.“
Malalo zückte sein Mobilfunkgerät, tippte ein „o.k.“ in die Konsole und unterschrieb damit den im Display angezeigten Mietvertrag für den Fracht-Shuttle.
„Monsieur Gugay Fiscaux, ich bin genau der Mann, der dir den richtigen Shuttle liefern kann!“
Kapitel 5
Im fernen Monastair, weitab von der cisnairschen Provinz, hing ein kleiner Puntirjaner an seinem „Armband-smartphone“ und suchte Interfunk-Kontakt zu seinem Vater.
„Papi, kommst du bald heim?“, quengelte Jenini.
„Ja, mein Kleiner!“, beschwichtigte Jenis. „Ich habe noch mit Onkel Tüngör gesprochen. Ich bin ja schon fast bei dir.“
Jenini strahlte. Zufrieden saß er im Schein der Sonne von Wemur in seine grünen Lieblingsecke gekuschelt. Sie lag im „Kükennest“, einer Art Kindergarten, den die Puntirjaner besuchten, wenn sie in ihrer Nistzeit die sozialkognitive Brutphase durchliefen. Ein Ravrokylbusch in Jeninis Lieblingsecke spendete ihm etwas Schatten, und er hantierte voller Freude mit seinem „Armsma 3.0“. Die Erzieherinnen hatten ihm gezeigt, wie er es bedienen kann – und prompt hatte er sich damit in die Büsche geschlagen. Das Armsma 3.0 war die Drittversion des monastairschen „Armband-smartphones“, eine Kinderversion, mit der die kleinen Puntirjaner lernen, sich im Interfunk einzuloggen und am Funkverkehr in den sozialen Netzwerken teilzunehmen. In der kognitiv-sozialen Lernphase das Rindenhirn der Puntirjaner über ihrer Großhirnrinde mit Hilfe der Interfunk-Kommunikation heran (Für erwachsene Puntirjaner gab es die „Armsma 3.0“ mit körpersekretgetriebenen Brennstofftzellen, die Kinderversion wurde mit Lithiumionen-Akkus betrieben, die sich mit Körperwärme oder drahtlos mit Schall aufladen konnten. Recyclebarer Superhart-Duroplast schützte das Innere vor Stößen und Schlägen, wie sie beim Spielen der Kinder möglich waren. Neben den aufklappbaren Armband-Displays konnten bei Bedarf sehverbessernde Displays aktiviert werden, wenn die Eltern die hirnimplantierten Chips ihrer Kinder freigaben, die mit Interfunk programmierbar in die entsprechenden Hirnareale der Küken gepflanzt wurden).
„Wirklich, du kommst, Papi?“ Jenini wollte sichergehen.
„Aber ja doch!“, zwitscherte Jenis zurück. „Ich freu mich, dich wiederzusehen. Mein Solarflieger landet in einer halben Puntirjanhour in Josefien!“
„Au fein, Papi“, zwitscherte Jenini zurück.
„Geht es Mama gut?“
„Ja, Papi. Sie erwartet dich. Und dann fliegen wir in den botanischen Garten?“
„Machen wir, mein Großer! Bis dann!“, sagte Jenis zum Abschied.
„Bis dann, Papi! Mit dir flieg ich auch nochmal bis ans Ende der Welt!“, piepste Jenini.
Jenis schmunzelte über Jeninis Idee. Er dachte an Plara, seine leider öfters getrennt von ihm in Monastair lebende Frau. Plara war eine gebürtige Cisni, und zum Glück zwitscherte man in Cisnair die gleiche Sprachmusik wie in Monastair. So verstanden sie sich auf Anhieb, und prompt durchlebten sie in Cisnair ihre Balz, den Nestbau und den Anfang der Brutzeit, fast dort, wo auch Tüngör wohnte, sein Freund und Kontaktmann. Dann gingen Jenis, Plara und Jenini nach Joséfien, einem Vorort der Metropole Monastair. Hier verbrachten sie den zweiten Teil der Brutzeit, dann Jeninis Nistzeit und die des gesamten Geleges, zu dem auch Jopeti zählte, der Älteste der drei Brüder, sowie Joneti und Plaralla, seine Schwester. Dann kamen Jenis‘ Geheimdienst-Schulung in Cisnair dazwischen und sein Auftrag in Sarkar. Traurige Trennungszeiten wegen der häufigen Dienstreisen und -pflichten blieb nicht aus.
„Bis dann, mein weltbester Papi!“, zwitscherte Jenini nocheinmal. Dann beendete er den Interfunkkontakt, schob sein Armsma 3.0 zurück in das Armgefieder und flatterte vergnügt aus dem Gebüsch, zurück in das Gruppennest seines Kükennests. Es gab Essen, und er hatte schon richtig Hunger auf all die vielen, leckeren Körner, Früchte und Knabberblätter. Solche Kükennester waren in der Welt auf Puntirjan ideal für die Kleinen. In diesen nest- und kindergartenähnlichen Horts konnten sie erste spielerische Erfahrungen in der Natur sammeln. Schon hierbei lernten sie, die Dreier-Einheiten zu erkennen – die drei Erscheinungsformen von Geschöpfen zum Beispiel, die die Puntirjaner unterschieden: Pilze, Pflanzen und Tiere. Oder die drei auf Puntirjan grundlegenden, „trivialen“ Zivilisationstechniken: das Interfunken, die Himmelsbeobachtung und das „Zwitschern“, das auf Puntirjan für Sprache, Musik und Zeitgefühl stand).
Jenini pickte eine Auswahl von Samenkörnern. Nach dem Essen aktivierte er sein Armsma 3.0 wieder und wählte sich fröhlich über die Interfunk-Suchmaschinen „Guckel“ und „Ja,Duu!“ in Kinderprogramme ein. Er sah einen Film über die Pulsfisch-Riesenkraken in der Tiefsee Puntirjans, und deren Partnerschaft mit den an Land lebenden Puntirjanern.
„Symbiose nennen das die Großen“, sagte die Interfunk-Sprecherin im Holovideo, „und das heißt Zusammenleben, so wie es auch die Pilze und Flechten tun, auf denen die Lebensgemeinschaften auf den Orbitalstationen im Kosmos aufbauen.“
Ein Fenster öffnete sich auf Jeninis Display.
„Klicke nun an, welche Mitteilungswege wir Puntirjaner mit den im Wasser lebenden Funkpuls-Riesenkraken nutzen können“, sagte die Sprecherin. „A den Schall, B den Infraschall, C das Licht, D elektrische Funksignale, E chemische Signale, F Buchstaben-Symbolschrift!“
„Ich weiß es!“, zwitscherte Jenini, und er klickte auf D.
„Richtig, gut gemacht! Sie erzeugen Signale über den EOD (Electric Organ Discharge), die Entladung der Elektroplaque in ihren Elektro-Organen.“, lobte die Sprecherin. „Auch Tiefseefische locken, jagen und täuschen mit Licht, mit Funksignalen und Magnetfeldern. Aber du nutze das nächste Mal bitte Deine Hand zum Anklicken, nicht den Schnabel!“
Seine Erzieherin sah zu ihm herüber. Sie lächelte. Sie erinnerte sich an Jeninis Eischlüpftag, sein Jubiläum: Damals hatten ihm die Eltern den „Radiochip“ neben sein Funkorgan implantieren lassen, und nun war er schon bei den „Großen“, den „Vorschulküken“, die in einigen Puntirjandays schon den Kindergarten verlassen konnten. Jenini hatte somit schon das Alter für ein „Armband-smartphone“, das die Puntirjaner als Zusatz zur Interfunk-Visualisierung nutzten. Jenini nutze es begeistert und so intensiv, dass er schon heftig an der sozialen Schwarm-Intelligenz der Puntirjaner teilnahm, in Monastair ebenso wie in Cisnair über Onkel Tüngör.
(Die Schwarm-Intelligenz sowie die puntirjanische Zivilisation insgesamt sind viele Dutzend Millionen Jahre alt, und hoch entwickelt. Die Puntirjaner messen die Zeit in nicht in irdischen Monaten und Jahren. In einem „Annu“, dem puntirjanischen „Jahr“ sehen sie ihr Zentralgestirn Wemur genau 243 mal aufgehen (ein Annu entspricht einem Zeiraum von rund anderthalb irdischen Jahren). An ihrem Firmament strahlen drei helle Himmelskörper – Wemur, ihre Sonne, und die beiden Monde Tolon und Wemuriel. Drei ist ihre heilige Zahl, und da auch die 243 Puntirjandays (Puntirjantage) pro Annu eine Dreierpotenz darstellen, ist ihr Zahlensystem trinär, nicht dezimal oder binär, und all ihre Berechnungen und Messungen der Puntirjaner, ihre Zeit- und Datenangaben fußen auf Tertialen, den Zahlen drei, neun, 27, 81 und 243 =35.
Zusätzlich zu Wemur, den beiden Monden sowie Fronan und Wemuran, den beiden Zwergsternen im