DER AUFBRUCH. Michael Wächter

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DER AUFBRUCH - Michael Wächter Die Raumsiedler von Puntirjan

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den näheren Weltraum schon vor Tausenden von Annus kolonisiert. Anfangs entwickelten die Raumsiedler isolierte, von außen unabhängige Ökosysteme aus mikrobiellen Symbiose-Gemeinschaften. Die, die im All überlebten, wurden dann vergrößert und in Raumstationen integriert – reisende Welten, die bald das All erfüllen sollten.

      Diese Welten, ihre Raumsiedlungen, entwickelten sich weiter. Durch Evolution und Selektion, Konkurrenz und Symbiose gab es bald viele, kleine, unterschiedlichste Reise-Welten im All – im Orbit um Puntirjan, auf den Monden und Nachbarplaneten. Weitere saßen in den so genannten Lagrange-Punkten, auf stabilen Positionen im All. Fast alle dieser Raumstationen und –siedlungen bestanden aus rotierenden Habitaten mit künstlichen Biotopen. Die „Cosmocity-Wohnzylinder“ waren mit je eigens entwickelten, autarken Ökosystemen bevölkert, denen der „Orbital-Puntirjaner“. Diese „O.P.s“ verbrachten ihr Leben schon seit vielen Generationen ausschließlich auf den Reise-Welten im All, und nicht mehr nur auf der Puntirjan-Oberfläche, so wie es Güngör und der junge Tüngör taten).

      Ein paar Puntirjandays später bekamen Jenis und Jenini Besuch. Onkel Tüngör kam von Cisnair aus nocheinmal kurz über den Kontinent, um Jenis in Monastair aufzusuchen. Er informierte ihn persönlich im Domus-Park gegenüber des Monastair-Towers über Gugays Pläne. Jenis gab ihm grünes Licht, inkognito an Gugays Ausflug über die Grenze teilzunehmen, denn Tüngörs wahre Identität war dem westsarkarischen Gouverneur unbekannt geblieben. Tüngör freute sich, und er buchte den Flug heim nach Cisnair. Gerade als sich Tüngör und Jenis voneinander wieder verabschieden wollten, blinkte Jenis‘ Armband-display, und ein Gespräch aus Jeninis „Kükennest“ kam rein.

      „Hallo Papi!“

      Jenis schmunzelte. Sein Kleiner wusste, dass sein Vater vom Domus-Park aus zu ihm kommen würde.

      In Joséfien, dem südlichen Vorort von Monastair, freute sich der kleine Puntirjaner an seinem Armband-smartphone.

      „Papi, grüß Onkel Tüngör von mir. Ich freu mich, dass du kommst.“

      Jenini war frisch eingeschult geworden. Er hockte auf einer Bank im Hof seines Klassenschwarms. Die anderen Küken flatterten fröhlich im Spiel über den Hof, und Jenini saß an seinem Armsma 3.0, funkte mit Jenis. Zusammen mit seinen Freundinnen und Freunden hatte Jenini vom Nest des „Kindergartens“ in das der ersten Basisschulklasse gewechselt.

      Er freute sich auf seinen Papi. Jenis hatte sich freigenommen, war fast schon unterwegs von Monastair-Innenstadt nach Joséfien herübergeflogen, um Plara und die Kinder zu besuchen.

      Ein Gong ertönte, und die Spielpause war zuende.

      „Tschüss Papi!“, zwitscherte Jenini und beendete das Funkgespräch.

      „Tschüss, mein Großer!“, konnte Jenis noch sagen, dann wurde das Display wieder grau. Jeninis Vater war halt viel unterwegs, auch in fernen Ländern. „Er arbeitet bei der RAGA!“, erzählte Jenini jedem voller Stolz, und Jenis hielt fleißig Interfunk-Kontakt mit dem ihn bewundernden Jungen. Die RAGA war in aller Munde. Schließlich sollte zu Tüngörs und Jenis‘ Zeit erstmals ein bemannter „intersystemischer“ Raumflug stattfinden – das Projekt Altakolia als erste interstellare Reise einer puntirjanischen Reise-Welt.

      „Mein Papa lernt bestimmt bald sogar Kosmonaut!“, hatte Jenini einmal seiner Erzieherin erzählt, doch Jenis hatte es besser zurechtgerückt – er war für sie lieber ein einfacher Systeminformatiker der I.P.O.-Raumfahrtagentur, kein öffentlich bekannter Geheimagent der RAGA. Jenis hasste veröffentlichte Geheimsachen.

      Jenini flog zur „Fachkunde“-Volière auf dem Schulhof. Auf dem Vorschullehrplan stand das Kürzel „SeLfüK“, selbst-entdeckendes Lernen r Kükenpuntirjanors. Heute sollte er die Bedienung einer Nanopartikel-Videocam lernen. Im Fach „Stoffkunde“ sollten die Kinder dazu atomgroße Bausteine mikroskopieren. Das gefiel ihm viel besser als bloße Vorträge der Lehrerin. In ihrem laufenden Lehrplanabschnitt ging es mal wieder um die Zahl drei, in „Stoffkunde“ also um metallische, salzartige und molekulare Stoffe, die drei Erscheinungsformen der leblosen Materie.

      Kinderkram! Jenini fand das mit der „Heiligen Drei“ inzwischen eher trivial. Als er das molekulare Mikroskopieren mit der Nano-Cam leid war, flatterte er weiter zur Nachbarvolière „Rechen- und Sternkunde“. Hier wählte er sich im Interfunk über „Guckel“ und „Ja,Duu!“ ein Rechenspiel aus. Er liebte diese Rechenspiele mit den Strecken- und Temperatur-Maßen. Ein Holovideo zeigte ihm, wie die Puntirjaner Streckenmaße im Hinblick auf den Durchmesser ihres Planeten Puntirjan einteilen.

      Gelangweilt tippte er auf sein Display. Es zeigte ihm eine Untereinheiten des Längenmaßes „Kattu“ an: „1 Kroiloiki (kk)“ (In irdischen Maßen ist ein kk rund 1,32 Zentimeter, und 34 = 81 kk sind rund 1,07 Meter oder ein Miku, mk).“ Dann ertönte eine Audiodatei. „Begib dich zum Messtisch!“

      Jenini flog hin. Er bekam ein Lineal, einen Messzylinder und eine Computerwaage sowie Süßwasser, Salzwasser und Öl. Er goss sich Süßwasser in einen Messzylinder. Er fasste genau einen Kubikkroilik kk3.

      „Rauminhalt ist Strecke mal Fläche, wir messen ihn in Kubikkattu.“, erklärte ihm die akustische Anzeige der Waage. Er stellte sie auf „Brutto-Tara-Wiegen“ ein, wählte „Netto“ aus und hörte das Ergebnis.

      „Dein Wägegut wiegt eins Komma Null null Akwatu!“, sagte die Waage. „Wie viel Kubikkroiliki zeigt dein Messzylinder?“

      Jenis gab „Eins“ über die Tastatur ein.

      „Dein Wägegut ist Süßwasser!“, sagte die Waage.

      „Woher weißt du das?“, fragte Jenini erstaunt.

      Das Lernprogramm der Waage antwortete, als hätte der Programmierer die Frage des Kindes vorausgeahnt.

      „Über die Dichte – das Gewicht von genau einem Kubikkroiliki deiner Flüssigkeit. Ein Kubikkroilik kk3 reinen Wassers wiegt bei uns auf Puntirjan genau ein Akwat!“ (Diese 2,2808 Milliliter Süßwasser wieden in irdischen Maßen 2,2808 Gramm).

      Jenini hatte Spaß. Er vermaß weitere Flüssigkeiten und begann, mit Zahlen und Maßen zu jonglieren. Doch da sah er etwas für ihn Neues – das Temperaturmessgerät. Auf Anregung von Gerburgis, seiner Betreuerin, hantierte er mit dem Thermoneter, mit Süßwasser, Eis und Wasserdampf. Gerburgis achtete darauf, dass er sich nicht verbrühte.

      „Jenini, weißt du denn noch unser Maß für die Temperatur?“, fragte sie.

      Jenini erzählte, was ihm das Holovideo dazu erklärt hatte: „Ja klar, Gerburgis. Unser Nullpunkt für die Temperatur ist doch unsere Bruttemperatur, unsere durchschnittliche Temperatur auf Puntirjan. Sie liegt 33 Grade über der Gefriertemperatur von Wasser. Das gefriert deshalb bei minus 27 Grad. Und es siedet bei plus 73 Grad, nicht wahr?“

      Gerburgis wollte ihn gerade loben, da fiel Jenini noch etwas ein.

      „Und Gerburgis, weißt du? Temperatur hat sogar einen absoluten Tiefstpunkt. Der ist bei minus 300 Grad.“

      Geburgis staunte. „Gut, Jenini!“, lobte sie. „Du kennst ja schon alles über die puntirjanischen Temperaturgrade PTG. Dafür bekommst du jetzt ein Bonus-Essen.“

      Aber er war noch satt vom Frühstück. Jenini wollte lieber noch etwas anderes spielen. Er wollte sich jetzt erst einmal bewegen. Aber richtig! Erst flog er mit Gerburgis eine Runde um die Wette, dann flatterte er zum Parcours. Zum Thema

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