DER AUFBRUCH. Michael Wächter
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Tüngör hingegen hatte auf einen ruhigen Urlaub gehofft.
„Warum tue ich mir das eigentlich alles an?“, dachte er. „Schließlich habe ich einen Haufen von Ingenieurs-Lehrgängen besucht, habe das Tüfteln gelernt und bin in Großvater Dschersis Fußstapfen getreten.“ (Sein Großvater war der Erfinder des „Ionotrons“. Ionotrone waren spezielle Magnetfeld-Generatoren, die in der Raumfahrttechnik der Puntirjaner in Plasmablasen-Synthesizern eingesetzt wurden. Sie konnten die Raumsiedler außerhalb der Atmosphären vor der tödlichen, kosmischen Strahlung zu schützen. Ionotrone waren eine der Lebensgrundlagen auf den puntirjanischen Raumstationen geworden. Entsprechend hoch war das Ansehen des Clans, dem Dschersi und Tüngör entstammten).
Tüngör schaute genervt weg. Gugay jedoch gab keine Ruhe.
„Nicht wahr, Tüngör, du kommst doch mit, du machst doch mit!? Nicht wahr, Tüngör, dieses Mal sichern wir uns den Erzfund, und zur Belohnung jagen wir dann eine große Flugechse! Und wenn wir sie bis nach Sarkugratt verfolgen müssen!"
Fisca erschrak.
„Gugay Fiscaux!“, sagte sie ärgerlich, und immer wenn sie „Gugay Fiscaux!“ sagte, war sie verärgert. „Du weißt doch genau, dass Sarkugatt hinter der Grenze liegt! Wir dürfen doch in Sarkar nicht einfach Lithium-Erz abbauen! Und im Naturschutzgebiet schon garnicht! Gugay Fiscaux! Trink nicht so viel!“
„Ach was, und wenn wir bis zum Hauptquartier des Gouverneurs von Westsarkar müssen, wir fliegen in den Echsenwald, uns das Lithiumerz holen, nicht wahr, Tüngör? Und wenn ich den Sarkariern ihr Erz vor den Augen ihres blöden Anführers einlade, diesem Quallenfresser! Nein, das lassen wir uns nicht nehmen, nicht wahr, Tüngör!?“
„Hah, tja klar, Bruder, wir gehen graben!“, gab Tüngör von sich, um seine Ruhe zu haben.
„Tüngör! Ich bitte dich! ...“
Ängstlich sah Fisca von ihrem älteren Bruder weg zu Tüngör. Hatte sie einen ironischen Unterton überhört? Malte er sich nun aus, im Dschungel seine Ruhe zu haben?
Plötzlich sah der junge Tüngör seinen großen Siefbruder zustimmender an, fast begeistert. Gugay redete weiter auf ihn ein. Er schwärmte von den Mineralien im Boden der Urwälder Sarkars, von den Flugechsen, den leckeren Lurchen und Beutetieren darin. Fisca wollte unbedingt verhindern, dass er sich auf diese leichtsinnige Idee Gugays einließ, nur um ihr zu imponieren oder um sich von den unangenehmen Zeremonien in Monastair zu erholen.
„Aber Fiskalein, ich sach’ doch jarnisch‘ von Grenzverletzung. Wir brauchen ja nicht über den Sarfluss zu fliegen, wir können ja in unserem Wäldchen bleiben. Selbst wenn wir mal aus Versehen d‘rüberfliegen, was macht das schon?“
„Bist du wahnsinnig? Tüngör! Die Grenze überfliegen?“
Fiscas Stimme klang hysterisch. „Im Interfunk haben sie davor gewarnt! Der Großkaiser von Sarkar will diesen sarkarischen Staatenbund gründen, sagen sie. Die Grenzen werden dicht gemacht – auch für Erzsucher! Tüngör! Wenn euch nun der Reichsgrenzschutz fasst? Oh, Tüngör, fliegt nicht, ich bitte euch, fliegt in unser Wäldchen, aber fliegt nicht rüber!“ Fisca verschluckte sich, rang nach Luft. „Tüngör!“, wetterte sie plötzlich, „dass das klar ist, ich flieg da nicht mit! Tüngör!"
Doch die besten Ermahnungen halfen nun auch nichts mehr. Gugay war aufgestanden, hatte seinen jungen Stiefbruder, die Ausrüstung und den Schlüssel zum Minishuttle gepackt und stand schon an der Tür.
„Fisca! Reg’ dich doch nicht so auf, kriegst auch noch'n schönen Großlurch zum Abendessen! Komm, Tüngör, komm, wir fliegen!“
Fisca sah noch ihre Schwanzfedern. Dann hörte sie ein Flügelrauschen, und weg waren sie. Nur noch die leere Flasche stand da, aus der Gugay eben noch munter Krøg getrunken hatte – das cisnairsche Nationalgetränk, das so schrecklich viele Alkohole enthielt. Gugay war halt nicht nur Händler, er war auch ein leidenschaftlicher Sammler und Jäger in den Wäldern jenseits der Grenze – auch jenseits der Grenze zum Erlaubten. Bei jeder Gelegenheit war er hinter Mineralien, Schätzen und Flugechsen her, und er liebte es, wenn die Leute ihm neue Funde und Schwärme meldeten. An der Küste von Cisnair gab es viele, die einen Mineraliensammler und Jäger wie ihn gerne mit Positionsmeldungen unterstützten, denn Flugechsen fraßen viele Obst- und Ravrokylplantagen kahl. Und das konnten die Siedler nun mal überhaupt nicht leiden. So waren sie Freunde der Erzsucher, deren Abbau- und Jagdmethoden die Echsen für immer vertreiben konnten.
Fernab, jenseits der Grenze des Bekannten, gab es eine Raumsonde der I.P.O. Erstmals drang sie in ein fremdes Planetensystem vor, an der Spitze eines ganzen Schwarmes von Raumsonden. Zwei Generationen lang war sie auf das Altakolsystem zugerast, mit fast unvorstellbarer Geschwindigkeit. Jahrzehntelang waren sie beschleunigt worden, chemisch, nuklear, mit Sonnensegeln und einem Xenon-Ionentriebwerk, am Ende auch mit Hilfe von Antimaterie. Nun aber, fast noch ein Lichtjahr vom Altakolsystem entfernt, hatten die Sonden eine Wolke aus einigen Hundert Milliarden Kometen-, Gesteins-, Staub und Eiskörpern erreicht. Zunächst gab es etwas interstellaren Staub und hin und wieder einige Eisbrocken und Kometenkerne, die in den kalten, dunklen Weiten des Weltalls vorbeizogen. Beim Abbremsvorgang der Sonden rasten sie noch immer mit einigen Promille der Lichtgeschwindigkeit vorüber. Dann aber lockerte sich ein Schräubchen an einer der Sonden und das Verhängnis nahm seinen Lauf. Ein Sendemodul löste sich. Es driftete mit der Schraube ab und gelangte auf einen der Kometenkerne. Und eines fernen Tages brachte es den Raumfahrern den sicheren Tod.
Kapitel 3
Malalo war Gugays bester Handelspartner diesseits der Grenze. Malolo hasste die Sarkarier, aber er handelte mit ihnen ebenso wie mit den Leuten aus Cisnair. Er betrieb einen Im- und Export für Kleinroboter, Boote, landwirtschaftliche Maschinen, Hard- und Software sowie von Feinkost aller Art. Außerdem belieferte er von Cisnair aus sogar ausländische Adels-Häuser mit Nanocomputern und illegalen Software-Kopien. Was er jedoch nur langjährigen Handelspartnern gegenüber einräumte. Ansonsten war er allgemein der honorig-wohlhabende Eigentümer eines mittelständischen Nanotec-Betriebes. Und ein Sohn der Wüste, vom Stamme der Walali. Und darauf war er stolz.
„Fünfzig?“, rief er freudig erregt in das Mikro seines Mini-Phones am Handgelenk.
„Ja, fünfzig Nanocomputer mit Gigabyte-Speicherchips, und zwar bis morgen!“, hörte er am anderen Ende der Leitung.
„Wird geliefert!“, sicherte er Choppu zu und beendete das Gespräch.
Malalo stieß einen Jubelschrei aus. Ein solcher Auftrag würde ihm mehr einbringen als Hundert Kleindealer-Anfragen. Niemals hätte er damit gerechnet, nun auch Lieferant für Sarkodot werden zu können – das Bestechungsgeld an seinen Mittelsmann in Sarkugratt hatte sich wirklich ausgezahlt: Choppu arbeitete aus „nationalen Sicherheitsinteressen“ als Jung-Offizier der Armee bei Sarkodot, dem Großkonzern mit Lobby am Kaiserhof von Sarkar. Der Kaiser und seine Armee hatten das Machtmonopol, und die Armee war verschmolzen mit dem Konzern. Dieser durfte daher ebenso wie Hof und Armee einen Kapitalzuwachs ohne Begrenzung aufweisen und zahlte keine Steuern, kontrolliert aber wurde er von der Armee. Choppu hatte deshalb die Bedenken an Malalos Seriosität in der Vorstandsetage des Konzerns und ins Besondere bei Sarkermann persönlich zerstreuen können. Choppu vertrat offiziell zudem die Interessen des Materialbeschaffungsdienstes der sarkarischen Armee. Die Bestellung von Sarkodot ging also an Malalo. Nun war er Handelspartner beiderseits der Grenze, am Schnittpunkt zwischen den beiden großen Blöcken, zwischen den Superreichen in Sarkar einerseits und der breiten, aber gut organisierten Mittelschicht der I.P.O. andererseits.