DER AUFBRUCH. Michael Wächter
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Klettmann begann eine Lobeshymne für seinen erfolgreichen Einsatz, nicht ohne ihn feierlich ausschweifend an die Geschichte der I.P.O.-Raumfahrt zu erinnern. Die I.P.O. habe sich schließlich schon zu Lebzeiten von Tüngörs Großvater Dschersi das große Ziel gesetzt, den Weltraum mit Hilfe neuartiger, interplanetarischer Sonden zu erforschen und orbitale Kolonien im All zu erreichten, Welten im Weltraum. Tüngör schwieg. Er wusste, dass es schon eine ganze Reihe von ihnen gab. Riesige, fliegende Weltraumstädte über Puntirjan. Sie beherbergten autarke Ökosysteme, eingebaut in „Wohnzylindern“ gigantischer, moderner Raumstationen. In diesen Biotopen lebten und forschten ganze Generationen von Raumsiedlern. Und von dort aus ließen sie sich nieder auf den Planeten, Monden und Kometen des Wemursystems – das Großprojekt der Raumsiedler der I.P.O.
„Tüngör, da sind Zigtausende Xenon-Sammelsonden unterwegs, riesige Sonnensegelschiffe, die ihren langen Weg zur Kometenwolke in den Wemuran-Orbit angetreten haben, um aus dem Kometeneis Krypton und Xenon für die RAGA-Ionentriebwerke zu holen! Und all‘ die neuen Intersystemar-Sonden im interstellaren Raum! Nicht auszudenken, wenn die Sarkarier …“. Klettmann suchte nach Worten, rang nach Luft.
„Ich weiß, die hätten das Xenon als Treibstoff für ihre eigenen Zwecke eingesetzt – militärische Zwecke, versteht sich.“, unterbrach ihn Tüngör.
Klettmann stoppte seinen Monolog kurz, blickte seinem Gegenüber in die Augen.
„Sie haben recht.“, bestätigte Klettmann. „Sie hätten unsere Raumstationen angeflogen und gekapert. Und sie wären vor uns im Altakolsystem gewesen. Als Besatzer-Armee statt als friedliche Raumsiedler.“
Tüngör nickte.
„Die Sammelsonden haben übrigens schon den Rücksturz nach Puntirjan angetreten, im swing-by-Orbit, um die Xenon-Tanks im Mondorbit zu deponieren!“, fuhr Klettmann fort und erklärte Tüngör das größte Projekt der Geschichte Puntirjans, die bemannten Reise mehrerer Raumsiedler-Welten zum Planetensystem von Altakol, dem benachbarten Fixstern.
Tüngör hörte geduldig zu. Er kannte die Fakten. Zu seiner Erleichterung kam Klettmann zum Ende seiner Rede. Tüngör genoss, dass sie aus einer fast gesungenen Lobeshymne bestand – auf Tüngör, auf die RAGA, das Altakolia-Projekt und die I.P.O. insgesamt. Da plötzlich piepte Klettmanns Ragarsma 2.0, sein neustes Interfunkgerät, auf das er so stolz war. Außer ihm, dem Geheimdienstchef, hatten das neue RAGA-Armband-smartphone-Modell 2.0 nur drei Minister. Und der Präsident der I.P.O.
„Entschuldigung. Der Parlamentspräsident. Ich muss ran. Wir sehen uns gleich, zur Ordensverleihung!“, endete Klettmann plötzlich. Er deutete Tüngör den Weg zum Foyer an.
„Ob er mich auch beim Präsidenten erwähnen wird?“, fragte sich Tüngör, als er den Weg ins Foyer einschlug.
Jenis, sein Kontaktmann und Freund, empfing ihn auf dem Weg dorthin.
„Gute Reise gehabt?“, fragte er.
„Danke, alter Freund! Ich weiß nicht, was besser war: Das Mineralwasser oder die Stewardess!“
„Immer noch der Alte!“, lachte Jenis.
„Nein, nein, ich habe nur das Mineralwasser vernascht, nicht die Lady“, lachte Tüngör zurück. „Ist Gugay schon da?“
„Nein“, antwortete Jenis. „Er ist von Clénairville aus in das Naturreservat aufgebrochen – von zwei Rangern begleitet. Er will dich dort empfangen. Nach der Ordensverleihung, wenn du Heimaturlaub hast. Kennst ihn doch: Er hat von einem großen Fund gesprochen, von einem Überraschungs-Coup – und einem eventuellen Jagdausflug.“
Tüngör staunte, dass Gugay Jenis über so ein Vorhaben informiert hatte, wo Jenis doch Vegetarier war und das Jagen hasste. Jenis aber trennte Arbeit und Privates, und so wechselten sie bald das Thema.
„Ein Abgesandter des Prepstus verleiht mir den Orden?“, fragte Tüngör.
„Ja, Eminenz Lettone. Schon heute Morgen im Tower eingetroffen!“
„Oje“, stöhnte Tüngör, „die ganze Zeremonie?“
„Was dachtest du denn, Tüngör?“, lachte Jenis. „Wir reden vom Groß-Orden „Retter der Völker-Demokratie“! Du hast ihnen schließlich den Hintern gerettet! Sogar die Andock-Raketen, die die Xenon-Sammelsonden zum Gastank geflogen haben, haben sie schon nach dir benannt. Ohne das Xenon hätten sie die Ionentriebwerke der Raumstation schließlich vergessen können!“
„Ich weiß.“
Tüngör stöhnte. Er ahnte, dass viele Hymnen, Gebete und Reden anstanden – nur weil er diese Datei vor den Sarkariern gerettet hatte. Es war doch nur sein Job. Aber der Gedanke, dass im fernen Sarkar auch Sark Sarkermann per Interfunk von Tüngörs Ehrung erfahren würde, bereitete ihm großes Vergnügen. Eine Welle von Wohlgefühl.
Im fernen Reich von Sarkar drohte der nächste Tobsuchtsanfall. Sarkermann hatte die Joséfien-Datei aufrufen wollen, um der Regierung von Sarkar die Bahndaten der I.P.O.-Raumsonden zu übermitteln. Er fand sie nicht. Nicht auf seinem Quantenrechner, und nicht im gesamten Intranet des Konzerns.
„Was zum Quallenmist ist das? Wo sind die verdammten Bahndaten hin?“, schrie er.
„Ich weiß es nicht!“, schluchzte seine Sekretärin. Sie war kreidebleich. „Heute Morgen waren sie noch da!“
In diesem Moment ging der Alarm los. „Sichereitsalarm: Unbefugte Person(en) im Datenraum im Kellergeschoss“, erschien auf den Displays. Sarkermann verstand. „Spionage!“, brüllte er, „Datendiebstahl! Holen Sie den Werksschutz!“, brüllte er die Sekretärin an. „Den Sicherheitsdienst! Alle Wachleute, die heute Dienst hatten! Und unsere IT-Experten!“
Die Sekretärin rief sie über Interfunk herbei. Sark Sarkermann empfing sie mit lautstarken, wütenden Beschimpfungen. Die Experten machten sich sofort an die Arbeit. Sie fanden einen Löschvermerk, mit Uhrzeit und Angabe des benutzten Terminals. Es lag in der PR-Abteilung. Der Werksschutz hastete zur Überwachungsabteilung, sichtete die Überwachungsvideos. Und tatsächlich: Ein Video zeigte, dass es Tüngör war, der die Datei aufrief, auf einen Stick kopierte und vom Server löschte.
„Auflingé!“, brüllte Sarkermann den Werksschutz an. „Den habe ich doch gerade gefeuert. Bringen sie ihn mir zurück. Ich will diese Mistqualle haben! Sofort!“
Die Werksschutzleute stürzten aus dem Gebäude, suchten die Umgebung ab, kontaktierten Polizeistreifen und Flughäfen. Doch es war zu spät. Gastarbeiter Monsieur T. Auflingé war bereits abgeflogen und außer Landes.
„Alarmieren sie die sarkarische Leibgarde, den Geheimdienst, die Armee! Ich will diesen Auflingé – tot oder lebend! Und die Dateien!“, tobte Sarkermann. „Das ist nicht nur Diebstahl von Firmengeheimnissen, eine Straftat. Das sind Staatsgeheimnisse. Informieren sie die Regierung! Das ist Spionage, Verrat!“
Er griff zum Interfunk-Mikro, das der Wachmann vom Werksschutz in die Hand genommen hatte.
„Nein, lassen sie es, ich mach‘ das selbst!“
Sarkermann