Gefangene der Welten. Hazel McNellis
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Gefangene der Welten - Hazel McNellis страница 11
Er wusste, dass er der Behandlung Lan’tashs nicht würdig war. Die Räuber, die seine Schwester entführten, hatten ihn seiner Ehre beraubt. Niemand sollte je von seiner schändlichen Unfähigkeit, seine Schwester zu beschützen, erfahren.
Er wohnte zwei Monate unter Lan’tashs Dach, als dieser ihm eine Nachricht überbrachte und noch ehe Damian die Worte hörte, wusste er, dass man sie gefunden hatte.
Damian hob den Blick.
Seine Augen waren feucht geworden bei der Erinnerung an seine Vergangenheit. Die Erinnerung an die Nachricht vom Tode seiner Eltern schmerzte ihn. Als wollte das Schicksal ihn verspotten, waren auch sie die Opfer böswilliger Straßenräuber geworden. Der einzige Unterschied zu denen, die seine Schwester entführten, war der, dass die Kutsche seiner Eltern tödlich verunglückt war und niemand sich in der Lage sah, zu sagen, ob die Straßenräuber die Schuld am Unfall trugen oder ob man die Kutsche im Nachhinein erst plünderte.
Damian seufzte, holte Luft und faltete das Papier zusammen. Dann verstaute er den Brief wieder in der Satteltasche.
Das alles war Vergangenheit.
Und dennoch…
Abend für Abend las er den Brief und durchlebte seine düstere Vergangenheit. Irgendwann würde es ihm womöglich nicht mehr so viel ausmachen. Doch die Tatsache, dass er seither nie wieder etwas von seiner Schwester gehört hatte, ließ seine Gefühle nicht zur Ruhe kommen. Das Unwissen, was mit ihr geschehen war, nagte an ihm. Sicher, er konnte sich vorstellen, welches Leid seine Schwester durchleben musste. Tief in seinem Innersten hoffte er dennoch, dass sie es geschafft hatte und sich befreien konnte.
Oder dass sie zumindest einen schnellen Tod fand.
Damian schluckte. Er rieb sich mit den Händen das Gesicht und schüttelte die trüben Gedanken ab.
Gewöhnlich würde er seine Trauer in einer dieser Spelunken im Alkohol ertränken und ein hübsches Mädel mit auf sein Zimmer nehmen, um zu vergessen. Doch nun hatte er weder das eine, noch das andere.
Sein Blick fiel auf Sydney.
Sie schlief tief und fest. Damian betrachtete sie und entdeckte das Schimmern von Metall an ihrem Hals. Interessiert ging er um das Feuer herum. Hinter Sydney ging er in die Hocke und zog vorsichtig die Kette unter ihrem Hemd hervor.
Federleicht ruhten die feinen, goldenen Glieder in seiner Hand. Sein Blick fiel auf den Anhänger. Es war ein Amulett von der Größe eines Daumennagels. Ein Smaragd, in Gold von erstaunlicher Festigkeit eingefasst, bildete eine farblich exakte Kopie ihrer Augen. Das Gold widerstand mühelos seinen Versuchen, es zu formen, und Damian fragte sich, welche Kunstfertigkeit nötig war, um solch hochwertige Handarbeit zu leisten. Sein Blick ruhte einen Moment länger auf dem Smaragd, bevor er zu ihren Gesichtszügen wanderte.
Ihre vollen, sanft gerundeten Lippen waren leicht geöffnet und schimmerten verführerisch im Schein des Feuers. Ihre Augenbrauen bildeten eine zarte Ergänzung zu der Willenskraft, die ihre Augen ausstrahlten.
Damian verschlang jeden Zentimeter ihres Gesichts. Und immer wieder glitt sein Blick zurück zu ihren Lippen.
Vorsichtig ließ er das Amulett zurückgleiten.
Bevor er einen Fehler begehen konnte, erhob er sich und vertrat sich die Beine.
4.
Jack verharrte am Waldrand und warf einen Blick über die Schulter. Das Gespräch mit Mr. Jameston lag zwei Tage zurück und nie in seinem Leben hatte er sich stärker beobachtet gefühlt. Der Gedanke, dass die Polizei ihn verdächtigte, machte ihn nervös. Er verspürte noch immer Schuldgefühle, wenn er an Sydneys Verschwinden dachte. Und dass die Polizei nun das Schlimmste annahm, verbesserte seine Gefühlslage nicht gerade. Andererseits empfand Jack es als seine Pflicht, seine eigenen Nachforschungen in dieser Sache anzustellen. Womöglich übersah die Polizei etwas Entscheidendes.
Die Erinnerung an den silbrigen Schleier stieg in ihm auf und unwillkürlich glitt sein Blick zum anderen Ende der Lichtung, wo es silbrig zwischen den Bäumen schimmerte. Ganz, wie er es erwartet und gehofft hatte.
Entschlossen trat er aus dem Schatten der Eiche hervor und überquerte die Lichtung. Plötzlich war er überzeugt davon, dass dieser Schleier, diese silbrige Wand, etwas mit Sydneys Entführung zu tun hatte. Seine Schritte beschleunigten sich. Er rannte, als er den Schleier erreichte. Mit jedem Schritt war der Glanz verblasst, sodass nur noch die schwache Wellenbewegung erahnen ließ, was vor ihm lag. Er war sich nicht sicher, was ihn auf der anderen Seite erwarten würde. Er war auch nicht sicher, inwiefern es ihm bei der Suche nach Sydney zu helfen vermochte. Doch eins wusste er mit absoluter Sicherheit: Er musste es tun.
Jack tat noch einen Atemzug.
Dann trat er hindurch.
Leise zog Harold Jameston seine Pistole aus dem Holster. Dabei ließ er Jack keine Sekunde aus den Augen, als dieser auf die Lichtung trat. Er war lange genug in dem Beruf tätig, um zu wissen, wann ein Verdächtiger sich verdächtig verhielt.
Und Jack Carson verhielt sich definitiv verdächtig.
Er hatte beobachtet, wie er den Weg in den Wald einschlug, in dem seine Freundin verschwunden war. Dabei waren seine Schritte energisch gesetzt und es war offensichtlich, dass Mr. Carson ein Ziel vor Augen hatte. Dies stachelte seine, Harold Jamestons, Neugier an. Er verließ seinen Wagen und folgte Jack.
Hinter einem Baum lauernd, beobachtete er, wie Jack zielgerichtet die Lichtung überquerte und zu den Bäumen auf der anderen Seite trat. Leise setzte er ihn nach. Dabei entging ihm nicht der merkwürdige Schimmer hinter den Bäumen. Sein Griff um die Waffe verstärkte sich und er runzelte die Stirn. Jack Carson hielt einen Moment inne und sah sich um. Dann ging er weiter.
Er traute seinen Augen kaum.
Harold Jameston glaubte zum ersten Mal in seinem Leben, seine Augen würden ihm einen Streich spielen. Vorsichtig trat er näher heran. Er hatte gesehen, wie die Umrisse von Jacks Körper silbrig aufleuchteten, als er hindurchging. Er wagte kaum, zu blinzeln, da war der Moment vorüber und Jack Carson war unscharf zu erkennen, bevor er aus seinem Blickfeld verschwand.
Harold fluchte.
Er fuhr sich mit zitternden Fingern durchs schüttere Haar und blickte auf die Wand vor sich. „Was zur Hölle ist das?“, murmelte er vor sich hin. Er streckte seine Hand aus und beobachtete, wie sich die Wand nach ihm streckte und ihn näher heranziehen wollte. Schweiß trat ihm auf die Stirn. Seine ausgestreckten Finger zitterten vor Nervosität und Anspannung. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippe und schob seinen Fuß näher an die Erscheinung heran. Diese strahlte nun in hellem Silber und wölbte sich ihm immer stärker entgegen. Das ist verrückt! Das glaubt dir auf der Wache keiner, dachte er.
Seine Fingerspitze berührte fast den Schleier. Er zögerte. Dann zog er die Hand zurück und brummte: „Ich bin zu alt für so einen Scheiß!“ Sein Blick suchte Jack. Dieser bückte sich jenseits der Wand und schien etwas im Augenschein zu nehmen. Unsicher kratzte Harold Jameston sich am Kopf. Wenn er nicht hindurchging, wäre sein Verdächtiger auf Nimmerwiedersehen verschwunden und er würde nie erfahren, was Jack Carson hinter diesem Schleier tat. Mit dem Gedanken übernahm der Polizist in ihm die Kontrolle und er streckte seine Hand erneut aus. Er näherte sich der silbrigen Wand. Und berührte es.