Gefangene der Welten. Hazel McNellis
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Читать онлайн книгу Gefangene der Welten - Hazel McNellis страница 14
Damian erreichte einen der Bäume und spähte wachsam an ihm vorbei. Dabei verstärkte er den Griff um seinen Dolch. Plötzlich stürzte er mit einem ohrenbetäubenden Kampfschrei in den hinter dem Baum liegenden Schatten und Sydney fuhr zusammen. Junge, Junge! Das Herz schlug ihr bis zum Halse, als aus den Büschen lautes Rascheln, vermischt mit einigen derben Flüchen, zu hören war. Schließlich trat Damian wieder zwischen den Bäumen hervor – und grinste breit. Sydney fand es geradezu unglaublich, dass er in solch einer Situation ein Grinsen zur Schau tragen konnte. Sie hatte sich zu Tode erschreckt und es war eine Frechheit, dass er ihr vorspielte, sie küssen zu wollen, um dann solch eine Show abzuziehen. Sydney konnte nicht anders, als sich selbst auszuschimpfen. Wie konnte sie auch nur für den Bruchteil einer Sekunde annehmen, dieser Mann, ihr Entführer, würde sie küssen wollen! Ganz abgesehen davon, dass keine Frau, die noch ganz richtig im Kopf war, sich auf solch eine Schandtat eingelassen hätte! Was war denn nur in sie gefahren? Sydney war entsetzt über ihre eigene Gedankenlosigkeit und schämte sich nicht bloß über ihr Verhalten, als vielmehr über ihre Gedanken. Sie wusste, dass Damian sehr attraktive Attribute besaß. Doch war das denn ein Grund, sich derart lächerlich zu machen und sich anzubieten?
Sie zwang sich, sich Jacks Reaktion auf ihr Verhalten vorzustellen. Das half. Sie vermisste ihren Freund mehr denn je. Sie hätten ein vollkommen normales Wochenende genießen können, wenn sie nicht diesen komischen Schleier entdeckt hätte und Opfer dieser blöden Entführung wäre. Wütend heftete sich ihr Blick auf Damian. Dieser hatte ihr den Rücken zugekehrt und sprach nun zu den Bäumen.
„Warum hast du dich nicht eher bemerkbar gemacht?“, fragte er eine Eiche. Sydney runzelte die Stirn. Was ging hier vor?
Damian lachte auf, als die Eiche ihm antwortete, und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Sydney.
„Darf ich vorstellen?“, sagte er mit einem verflixt ansprechenden Schmunzeln im Gesicht. „Richard Pattsworth.“
Sydneys Stirnrunzeln vertiefte sich, als hinter Damian eine Gestalt aus dem Wald hervortrat.
Richard Pattsworth stand Damian körperlich in nichts nach. Er war hochgewachsen und hatte eine ebenso kräftige Statur wie ihr Entführer. Schmale Hüften, eine schlanke Taille und ein umso breiterer Brustkorb ließen den Neuankömmling nahezu identisch mit Damian erscheinen. Es gab nur einen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Männern.
Richards rechter Oberarm mündete in einen Stummel, anstelle eines kräftigen Unterarms. Hinzukam, dass er blondes Haar hatte, wo Damians Haar schwarz wie die Nacht war. Es fiel ihm in sanften Wellen auf die Schultern und soweit Sydney es beurteilen konnte, hatte er helle Augen, wo Damian dunkle hatte. Fast konnte man meinen, Engel und Teufel hätten menschliche Gestalt angenommen. Dieser Gedanke missfiel Sydney und schweigend beobachtete sie, wie Richard auf sie zutrat. Galant ergriff er ihre Hand, um einen Kuss auf ihren schmutzigen Handrücken zu hauchen. Peinlich berührt starrte Sydney auf den blonden Schopf.
„Madame, es ist mir eine Ehre, Euch kennenzulernen!“
Seine Stimme war angenehm weich und so gar nicht wie Damians volltönender Bariton. Sydney musste zugeben, dass sie angenehm überrascht war. Ihr Blick fiel auf Damian. Dieser stand ein wenig abseits und beobachtete die Szene mit einem gefährlichen Glitzern in diesen düsteren Augen, das Sydney augenblicklich nervös werden ließ und ihr eine Gänsehaut auf den Armen bescherte. Wahrhaftig ein Teufel, ging es ihr durch den Kopf.
„Verzeiht, Madame, unser lieber Freund versäumte es bedauernswerterweise, mir Euren Namen zu nennen. Wärt Ihr so gütig und klärt mich auf?“
Klare, blaue Augen blickten ihr ins Gesicht. Richard hielt ihre Hand mit sanftem Druck und ein entschuldigendes Lächeln spielte um seine Mundwinkel. Sydneys Blick huschte erneut zu Damian. Er war einen Schritt näher getreten und wartete mit verschränkten Armen auf ihre Antwort.
„Sydney“, presste sie hervor. Sogleich breitete sich Richards Lächeln über sein gesamtes Gesicht aus und kleine Krähenfüße erschienen rund um seine Augen. Prompt erwischte Sydney sich dabei, wie sie es erwiderte.
Richard schien ganz anders als ihr Entführer zu sein. Sie stellte fest, dass sie mehr als nur angenehm überrascht war und fragte sich, wie gut Richard mit Damian befreundet war. Ob er ihr zur Flucht verhelfen und ihr zeigen konnte, wie sie nach Hause kam?
6.
Jack ließ sich zu Boden sinken. Er folgte seit Stunden den Spuren des Pferdes, mit dem man Sydney entführt hatte, im Laub. Inzwischen schien es ihm beinahe aussichtslos, sie je einzuholen und einzig die Hoffnung, dass er sie vor Schlimmeren bewahren könnte, ließ ihn rasch wieder auf die Beine kommen.
Er musste sie wiederfinden.
Es schnürte ihn die Luft ab, sich vorzustellen, was dieser Bastard ihr antat. Die Vorstellung, welch unaussprechliches Leid Sydney ertragen musste, beschleunigte seine Schritte. Sein Rücken schmerzte von der kauernden Haltung. Die Muskeln seiner Oberschenkel protestierten bei jeder neuerlichen Dehnung, und er spürte, wie sich Kopfschmerzen mit einem dumpfen Pochen hinter seiner Stirn anbahnten. Er hatte Durst und seine Kehle war ausgetrocknet.
Zum Glück hatte er daran gedacht, etwas Proviant in den Rucksack zu stecken, bevor er das Haus verließ. Er blieb stehen, kramte die kleine Wasserflasche hervor und trank begierig. Bei der Gelegenheit griff er tiefer in den Rucksack und nahm sich zusätzlich eine Hand voll Kekse. Mit leeren Magen suchte es sich schlecht, entschied er, ehe er herzhaft in eines der runden Gebäckstücke biss. Derart gestärkt, folgte er den Spuren tiefer in den Wald und erreichte schließlich die Felswand mit Brombeerbüschen, an der Damian und Sydney gelagert hatten. Ein paar verkohlte Zweige zeigten ihm, dass sie hier eine Rast eingelegt hatten. Jack warf einen Blick zum Himmel und erkannte, dass es bald dunkel werden würde. Besser er nutzte die vorhandene Lagerstätte, richtete sich für die Nacht ein und ruhte sich aus, ehe er am Morgen weiter nach Sydney suchen würde.
Entschlossen fischte er sein altes Feuerzeug aus der Tasche und entzündete ein paar trockene Zweige. Plötzlich sehnte er sich nach einer Zigarette. Er hatte dieses Laster vor einem halben Jahr abgelegt und das Feuerzeug sollte ihn stets aufs Neue daran erinnern, was er aufgegeben hatte. Auch dieses Mal, als er in aller Stille vor den knisternden Flammen hockte, führte er sich vor Augen, welches Gift er sich zugeführt hatte. An seinen schlimmsten Tagen hatte er fast zwei Schachteln verqualmt und in seiner Erinnerung war es ihm ein Leichtes, den bitteren Geschmack auf der Zunge zu schmecken. Gerade jetzt, einem Moment, in dem er nicht wusste, ob Sydney noch am Leben war oder nicht, wünschte er sich kaum etwas mehr, als eine einzelne Zigarette.
Jack behielt das Feuerzeug noch einen Moment länger zwischen den Händen und drehte und wendete es. Ein Kakadu blickte ihm von der Oberfläche entgegen. Es war kein teures Feuerzeug – nichts an das man sein Herz hängte –, doch es war das Feuerzeug, mit dem er seine letzte Zigarette entzündet hatte.
Und nun saß er mitten im Wald, und verwendete es zum zweiten Mal, um ein Feuer zu entfachen. Der einzige Unterschied bestand dieses Mal darin, dass er vollkommen allein hier saß, während seine Freundin irgendwo mit einem brutalen Fremden zusammen war und dessen Gräueltaten ausgesetzt war. Er dachte an den Schürhaken. Sydney musste sich mit allen Mitteln gewehrt haben und dass dies keine Wirkung erzielt hatte, ließ den Schluss zu, dass ihr Angreifer kein Schwächling war. Nein, vielmehr musste es ein kräftiger Kerl gewesen sein, dachte er. Ein Kerl, der Sydney nur zu leicht überwältigen und ihn mit einem einzigen gezielten Stoß in die Bewusstlosigkeit befördern konnte. Sydney gehörte trotz ihrer sportlichen Figur immer noch dem schwächeren Geschlecht an und was ein kräftiger Mann mit einer schwachen Frau anstellen konnte, wollte Jack sich am liebsten gar nicht