Gefangene der Welten. Hazel McNellis
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Damian lachte und lachte und schien sich nicht beruhigen zu wollen. Sydneys Aussage klang für ihn derart absurd und unwahrscheinlich, wenn nicht gar unmöglich, dass er sich fragte, wie sie auf solch einen Gedanken gekommen war.
Sydney schwieg und beschränkte sich darauf, ihren Entführer wütend anzustarren. Was war lächerlich an ihrer Annahme? Er musste irgendwann müde sein. Er konnte unmöglich die ganze Zeit wach sein.
Mit einem amüsierten Glitzern in den dunklen Augen sah Damian sie an. „Ihr habt Humor! Seid gewiss, Madame, das ist eine wahrlich lobenswerte Eigenschaft!“
Unsicher, ob er sie zu ärgern versuchte oder ob das sein Ernst war, sparte sie sich einen Kommentar.
„Solltet Ihr den Drang verspüren, eine Flucht versuchen zu wollen, bitte ich Euch um eins: Lasst Euch nicht hindern.“
Sein Blick nahm an Intensität zu und seine Stimme senkte sich zu einem dunklen Schnurren, als er seinen Blick langsam über ihren Körper gleiten ließ und hinzufügte: „In dem Fall dürfte es eine interessante Abendgestaltung werden.“
Angesichts dieser anzüglichen Drohung schluckte Sydney.
Damian beobachtete derweil fasziniert, wie Sydneys Gesicht eine dunklere Tönung annahm und sie begann, am Saum ihrer Oberbekleidung zu spielen. Sie war sichtlich nervös geworden. Ihr Blick war auf ihn gerichtet, doch ihre Augen hatten sich bei seiner Warnung geweitet, sodass sie nun mehr Ähnlichkeit mit einem verschreckten Kaninchen hatte.
Damian löste die Spannung zwischen ihnen und sagte: „Ihr solltet Euch nun etwas schlafen legen. Ich werde Wache halten und Euch wecken, sobald wir im Morgengrauen weiterreiten.“
Sydney zögerte. Konnte sie ihm vertrauen? Was, wenn nicht? Er hatte sie entführt und sein Verhalten war keineswegs eindeutig zu nennen. Vielmehr ließ er alle Möglichkeiten offen.
Er konnte sie entführt haben, um sie zu ermorden oder um sie zu vergewaltigen und anschließend umzubringen. Andererseits, sollte er ein Lösegeld erpressen wollen, von wem auch immer, musste sie unangetastet bleiben. Und aufgrund seines Verhaltens erschien es Sydney vernünftig, darauf zu bauen, dass er es auf Geld abgesehen hatte. Sein gesamtes Erscheinungsbild untermauerte diese Möglichkeit. Er kam nicht wie ein Lump daher und doch trug er sehr einfache Kleidung und die Tatsache, dass sie zu Pferd unterwegs waren und er sie nicht in irgendeinem Hotelzimmer versteckte, deutete darauf hin, dass der Wald zu seinem Zuhause zählte. Bei dem Gedanken bekam Sydney Mitleid mit ihrem Entführer. Warum hatte er kein Zuhause? Keine Familie? Warum musste er sie entführen und auf diese Weise an Geld kommen? Er konnte arbeiten. Dessen war sie sich sicher. Er war groß und von kräftiger Statur. Den Kopf angefüllt mit ungelösten Fragen, entschied sich Sydney dafür, das Risiko einzugehen. Ihre Muskeln schmerzten und da das Adrenalin in ihrem Körper nun langsam wieder abgebaut wurde, fühlte sie sich müde und erschöpft. Die letzten vierundzwanzig Stunden waren ausgesprochen aufregend gewesen. Ihr blieb gar keine Zeit, sich erschöpft zu fühlen. Doch nun, da langsam Ruhe einkehrte und sie sich immer sicherer wurde, dass Damian ihr kaum etwas antun würde, spürte sie deutlich die Auswirkungen des langen Reitens und der Fesseln.
Sie legte sich auf die Seite und blickte Damian eine Weile über das Feuer hinweg an.
Er hatte seinen Blick auf die Flammen gerichtet und war in Gedanken vertieft. Was hinter diesen dunklen Augen wohl vor sich ging? Ehe sie sich Gedanken dazu machen konnte, fielen ihr die Augen vor Müdigkeit zu. Mit einem letzten Gähnen beschloss sie, dass dies das Letzte war, worüber sie sich heute noch Gedanken machen wollte.
Eine Weile später erhob sich Damian und trat zu Schara’k. Er griff in die zweite Satteltasche und zog einen zerknitterten Umschlag hervor. Das Papier war bereits vergilbt und zeigte Spuren des Alters. Risse zeigten sich an den Rändern. Damian wusste kaum zu sagen, wie oft er diesen Brief bereits entfaltet und gelesen hatte. Das Siegel auf der Vorderseite, welches kaum mehr als solches zu erkennen war, war bereits vor langer Zeit aufgebrochen worden. Seitdem war das Schreiben in seinem Besitz. Er führte es stets mit sich und ließ es nie irgendwo zurück. Dazu war der Inhalt zu bedeutsam.
Damian genoss das vertraute Gefühl des empfindlichen Materials zwischen seinen Händen; war es doch schließlich das Letzte, was ihm von seiner Familie geblieben war.
Er warf seiner Braut einen kurzen Blick zu. Dann nahm er wieder am Feuer Platz, entfaltete vorsichtig den Brief und begann zu lesen.
Unsere lieben Kinder,
bevor ich diesen Brief fortführe, erbitte ich eure Vergebung dafür, dass wir euch nicht persönlich über die Gegebenheiten informieren konnten. Eine dringende Angelegenheit, derer wir uns bedauerlicherweise annehmen müssen, gewährt keinen Aufschub. Daher glaubt uns bitte, wenn wir euch sagen, dass es besser für euch ist, wenn ihr möglichst wenig darüber wisst.
Es bricht uns das Herz, euch derart zurückzulassen, doch uns bleibt beileibe keine andere Wahl.
Eure Mutter und ich werden fort sein, wenn ihr in aller Frühe erwacht. Dennoch, so Gott will, hoffen wir darauf, in naher Zukunft wieder bei euch sein zu können. Ich habe nicht mehr viel Zeit, um euch präzise Anweisungen bis zu unserer Rückkehr zu geben, doch ich bitte euch um eins:
Damian, du bist der ältere von euch beiden und kein Junge mehr. Gib auf deine Schwester Acht! Pass auf, dass euch nichts Böses widerfährt und wir euch bei unserer Rückkehr in unsere Arme schließen können.
Eure euch liebenden Eltern,
C. und G. Ramsey
Sie waren nie zurückgekehrt.
Damian hatte mit Diana auf ein Zeichen ihrer Rückkehr gewartet und es war durchaus nicht einfach gewesen. Er war zu dem Zeitpunkt vierzehn und seine Schwester zehn Jahre alt. Sie warteten ein halbes Jahr, ehe Damian beschloss, Nachforschungen anzustellen. Als er Diana offenbarte, dass er sich auf die Suche nach ihren Eltern begeben würde, hatte sie, störrisch wie ein Esel, darum gebettelt, mitgehen zu dürfen. Erlaubte er es nicht, so wollte sie überall erzählen, was er ihr für boshafte Streiche spielte, sodass sie keinen Schlaf mehr fand. Ihr strohblondes Haar hatte im Sonnenlicht geglänzt, während ihre blauen Augen ihn böse anfunkelten.
Er hatte keine Wahl gehabt.
Damals.
Heute hätte er anders gehandelt, reifer und mit mehr Verstand.
Damals hatte er es jedoch nicht besser gewusst und seine Schwester mitgenommen, was sich alsbald als Fehler herausstellte. Denn seine Schwester schaffte es, bereits am zweiten Tag ihrer Reise, Straßenräubern zum Opfer zu fallen. Sie wurde entführt und Damian fand sich mit einem Mal mutterseelenallein auf der Straße wieder. Seine Hand war gebrochen und sein Geld, fünf Silbermünzen und sieben Kupferlinge, hatten sie ihm ebenso abgeknöpft wie seine unschuldige Schwester.
Von diesem Tage an hatte er die Ehre begraben und war einer von ihnen geworden. Er lebte auf der Straße und verdiente sich seinen Lebensunterhalt mit Taschendiebstählen, während er seine Familie suchte.
Jahre später, als er achtzehn Jahre zählte, scheiterte er an einem seiner Opfer.
Lan’tash war ein kluger Mann und erkannte die Verzweiflung und Einsamkeit hinter Damians großspurigen Worten. Er nahm ihn unter seine Obhut und half ihm bei der Suche nach seinen Eltern.