Miramahelia. Laryssa I. Bieling
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>>Seht ihr diesen Kristall? Er ist rein und glänzend wie die Seele eines neugeborenen Kindes, wenn wir ihn auf den richtigen Pfad führen, wird er mit seinen Aufgaben wachsen können. Wenn er geboren ist, so ist es unsere Aufgabe, ihn in die heiligen Schriften der Loren zu unterweisen.<<
Kaum hatte Loremar den Satz zu Ende gesprochen, drang ein lautes Geräusch durch den Raum. Es war das Husten einer der Fliegen. Das Echo wurde hin und her geworfen und ließ alle zusammenzucken.
>>Was war das und woher kam das?<<, rief eine Hexe. Die Elfchen flogen verängstigt durch den Raum. Ihre Flügel färbten sich in ein kaltes Blau, was immer ein Signal dafür war, das sich Ungutes in der Nähe aufhielt.
>>Es scheinen Eindringlinge unter uns zu sein. Wo auch immer dieses Geräusch herkam, es hat uns ein Zeichen gegeben, dass wir jetzt die Tagung beenden und uns in alle Winde verstreuen müssen<<, sprach der weise Weißmagier mit mahnender Stimme, verneigte sich und nahm den blauen Kristall wieder in seine Obhut.
Die Anwesenden standen auf und traten durch das dicke Gestein des Blocksbergs, ohne auch nur zu ahnen, dass sie die Torwächter genauso unbemerkt wie sie hineingekommen waren, auch wieder hinaustrugen. Nachdem sich alle zurück auf den Heimweg gemacht hatten, verwandelten sich die Fliegen zurück in ihre wahre Gestalt, die so abgrundtief böse und hässlich erschien, dass ein normaler Mensch kaum den Anblick hätte ertragen können. Ihre Namen bleiben hier größten Teils verschwiegen, denn mit ihnen könnte man schlimmes Unglück herbeiführen.
Voller Wut schrie der Oberste der sieben Gestalten herum und fluchte, dass sich Felsen vom Blocksberg ablösten.
>>Potz Blitz, wer von euch war das?<<
Keiner wagte es sich zu melden.
>>So so, niemand, was? Wie werden wir es unserem Meister beibringen, dass wir nicht erfahren konnten, wo dieses Kind geboren wird und wo wir es finden können?<<
>>Das ist eine gute Frage<<, sagte einer der Sieben .
>>Es bleibt uns keine Wahl, wir müssen zurückfliegen und ihm alles berichten. Er weiß es sowieso schon, denn er hat das Geschehen über unsere Mantelknöpfe, die aus Mahelia- Steinen sind, verfolgen können.<<
Ruck zuck machten die Torwächter von ihren Flugmänteln Gebrauch und standen in Nullkommanichts vor dem Fürsten, der vor Wut schäumte. Auch seine Valare waren aufgebracht und bereit sich auf Beute zu stürzen, würde er nur ein Signal dazugeben.
>>Wie konntest du es wagen zu husten<<, schrie der Fürst Malur an, der kleinlaut einen Schritt aus der Reihe in den Vordergrund machte.<<
>>Ich, ich, ich ...<<, stotterte er und wurde sogleich harsch zurechtgewiesen.
>>Hör zu stottern auf!<<, schrie er cholerisch.
>>Du wirst es sein, der herausfindet, wo dieses Kind geboren wird. Suche überall nach dem, was nicht ausgesprochen wurde und finde die Antwort! Wage es nicht wieder vor meine Augen zu treten, bis du weißt, was zu tun ist. Verfolge jede Spur, auch die, die in die Menschenwelt führt! Achte darauf, dass dich dort keiner entdeckt! Du weißt, dass ich dort drüben keine Macht habe. Setze den Djenn auf, so wirst du unsichtbar, damit dich keiner sehen kann! Lege dort, wo du eine Spur findest, einen Mahelia-Stein aus! So erhalte ich die Möglichkeit, immer wieder einen Blick in die Menschenwelt werfen zu können, auch wenn ich sie jetzt noch nicht betreten kann.<< Malur nickte kleinlaut.
>>Mein Herr und Meister, ich werde es herausfinden und wieder gutmachen, was ich verdorben habe.<< Der Fürst ließ einen Beutel schweben, der sich Malur vor die Füße legte.
>>Nimm ihn!<<, zischte er boshaft.
>>Er ist gefüllt mit Mahelia-Steinen. Nun geh!<<, fuhr ihn der Fürst an. Malur trat zurück in die Reihe der Sieben und verneigte sich demütig.
>>Für euch anderen Sechs heißt das aber nicht, dass ihr euch ausruhen dürft. Nein, ihr habt eure Augen und Ohren offen zu halten und mich bei jedem auch nur so kleinen Hinweis zu benachrichtigen!<<, sprach er zornig, setzte sich auf seinen steinernen Thron und befahl den Torwächtern mit nur einer kleinen Handbewegung seine Gewölbe zu verlassen.
Malurs Suche begann sofort, da er aber erst in Miramahelia zu suchen anfing, blieb ihm verborgen, was sich in der Zwischenzeit in der Menschenwelt abspielte.
Ein Unwetter
Auch in Eulalia wurde immer deutlicher, dass das, was sich an Unruhe dort zusammengebraut hatte immer stärker wurde. Seit mehreren Tagen schon herrschte in der Luft diese eigenartige Spannung, die nicht erklärbar war, auch nicht damit, dass man eifrig für den Silvesterabend vorbereitete. Trotz leichten Schneefalls herrschte auf den Straßen großes Gewimmel. Die dünne Schneeschicht lag nur ganz eben auf den Gehwegen und hüllte die Stadt ein, sodass man das Gefühl hatte, mitten in einem Traum zu sein. Alles in den Schaufenstern war herrlich bunt geschmückt. Girlanden, Luftschlangen, Lampions und Lichterketten, die aufblinkten, luden zum Einkaufen ein.
Die Stadtbewohner waren natürlich schon fleißig am Werkeln. Viele Mütter und Omas fingen schon vormittags wunderbar zu backen an, sodass aus allen Londoner Schornsteinen helle Rauchschwaden quollen. Durch die Kälte schienen sie besonders dicht, fast wie Watte. Dem leckeren Duft von Krapfen und Zuckergebäck konnten auch die Katzen nicht widerstehen. Bei dem Aroma spazierten sie umso lieber auf den Dächern und Schornsteinblechen hin und her, um sich ihre kalten feuchten Tatzen aufzuwärmen. Außerdem konnte man von hier oben prima beobachten, wie die Menschen sich auf den Weg machten, um ihre letzten Erledigungen für den Silvesterabend vorzunehmen. Vom Tischfeuerwerk bis zu laut tosenden Knallern und Raketen wurde einfach alles gekauft. Die Eulalen konnten ja nicht wissen, dass der Brauch, das neue Jahr mit Krach und viel Getöse einzuleiten, um böse Geister zu vertreiben, totaler Irrglaube war.
Eigentlich lief bis ungefähr 14 Uhr des Silvestertages noch alles ganz normal, als sich plötzlich am Himmel etwas Unvorhergesehenes abspielte. Der Mond schob sich vor die Sonne und verdunkelte alles. Die Katzen in den Gassen und auf den Dächern hörten zu maunzen auf. Menschen blieben auf den Straßen stehen und wunderten sich, warum es ganz plötzlich so dunkel geworden war, liefen dann aber zu ihren Häusern, um dort weiterzumachen, wo sie stehen geblieben waren. Kurzum störten sie sich nicht weiter an diesem Phänomen. So auch der Bonbonhersteller Appelquee. Er produzierte noch die letzte Spezialmischung Silvesterkaramellen für seine Familie und der Zauberwarenhändler Dudemaker erprobte für die Feier zu Hause einige spaßige Artikel seines Sortiments. Der Buchhändler Prittel jedoch dachte nicht daran an Silvester zu lange zu arbeiten und schloss schon um 16 Uhr seinen Laden, um seiner hochschwangeren Frau noch die gewünschten sauren Gurken und einen riesigen Korb mit Süßigkeiten für zwischendurch zu besorgen. Er selbst gönnte sich noch ein paar Manschettenknöpfe aus reinem Sterlingsilber. Ja, Mr. Prittel wusste, was gut aussah und man kann sagen, dass er ein richtiges Faible für Schmuck hatte und ihn sehr gerne trug. Er selbst behauptet von sich, es unterstreiche seinen Typ, was auch immer das bedeuten sollte. Zum romantischen Silvesteressen zu zweit gehörte es für ihn außerdem einfach dazu, sich in Schale zu werfen.
Stunden vergingen, mittlerweile war es 21 Uhr abends und die Gassen waren wie leer gefegt. Wenn man von außen in die Fenster schaute, sah man schon viele Familien an ihren Tischen sitzen, in der Erwartung, dass die Mütter das leckere Essen anrichten würden. Von gebratenen Enten mit Rotkohl und Kartoffelklößen bis hin