Miramahelia. Laryssa I. Bieling
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>>Nun ganz ruhig Robert Prittel, es ist alles in Ordnung mit dir. Die Geschichte mit deiner Mutter trifft nicht auf dich zu!<<, sagte er, schüttelte den Kopf und lachte im nächsten Augenblick wieder über sein Hirngespinst.
>>Bestimmt war das alles Quatsch oder purer Zufall<<, sagte er sich und maß dem Ganzen dann keine große Bedeutung mehr bei.
An der nächsten Kreuzung angekommen schien wieder alles in Ordnung und vergessen zu sein. Mr. Prittel stellte sein Autoradio laut an. Heraus kamen aber nur komische Geräusche und ab und zu Wortfetzen einer hohen Fistelstimme. Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf dem Radio herum in der Hoffnung der Sender würde sich einstellen. Es passierte nichts. Auch das Kassettendeck funktionierte nicht. An den Seiten kam dicker Bandsalat herausgekrochen. Voller Frust schleuderte Mr. Prittel die uralte und nun kaputte Lieblingskassette quer durch das Auto. Die traf zuerst die Sitzlehne, daraufhin seine Oberlippe und dann einen Radioknopf.
>>So ein Mist!<<, schrie er vor Schmerz auf. Es trieb ihm die Tränen in die Augen und als er wieder hochschauen konnte stockte ihm der Atem. Zwischen den Fußgängern liefen halbdurchsichtige kleine Gnome, die ihn grinsend anschauten. Im selben Moment verstellte sich der Sender und dann erschallte aus dem Radio ein lautes grollendes Gelächter, das einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Die Ampel sprang wie wild mal auf Rot, dann wieder auf Grün, als wenn die Elektronik spinnen würde. Bevor es dann tatsächlich Grün werden konnte, drückte Mr. Prittel voll auf das Gaspedal und fuhr querfeldein über sämtliche Kreuzungen. Zum Glück war keine Polizei in der Nähe, das hätte ihm nämlich ganz sicher den Lappen gekostet. Er war so schnell, dass er innerhalb der nächsten zwei Minuten vor seinem Geschäft, dem Antiquariat, zum Stehen kam. Leichenblass sprang er mit einem Satz aus dem Auto, schloss die Tür auf, drückte den Lichtschalter und ließ sich hinter einem Haufen Bücher in seinen alten Cordsessel fallen.
>>Tief einatmen und ausatmen!<<, sprach er erneut zu sich selbst und strich vorsichtig über die geschwollene Lippe.
>>Alles nur Einbildung. Das sind nur die Nerven. Es gibt keine durchsichtigen Gnome. Ich habe einfach nur zu wenig geschlafen. Für all diese Dinge gibt es eine natürliche Erklärung.<<
Gerade als er zur Entspannung seine Beine auf eine Pritsche und einen kalten Lappen auf die Schwellung legen wollte, hörte er die Türglocke bimmeln.
>>So früh am Morgen, wer da?<<, sprach er erstaunt ins Leere, dann stand er auf und lugte zum Ladentisch, in der Erwartung dort stünde ein Kunde. Zu sehen war aber niemand. Gerade, als er sich wieder hinsetzen wollte, rief ihm dann plötzlich jemand ein >>Hallo!<< zu. Es kam direkt von einem fein säuberlich gestapelten Bücherberg.
>>Nanu!<<, da hinten wedelte eine Hand hin und her. Schnurstracks ging er um die Bücher herum, während zeitgleich wieder die Türglocken klöterten. Weit und breit war aber niemand zu sehen. Wutentbrannt lief er zur Tür, riss sie auf, rannte auf den Bürgersteig und prallte beim ersten Schritt nach draußen mit einem kleinen alten Mann zusammen, der rechts um die Ecke bog.
>>Entschuldigung!<<, stammelte Mr. Prittel, >>ich habe sie nicht gesehen.<<
>>Wie kann man mich denn auf einer menschenleeren Straße übersehen?<<, grummelte der Mann in einem merkwürdig östlichen Akzent. Diesen Herrn sah er schon seit vielen Jahren hier entlang laufen und bis heute hatte man kein einziges Mal miteinander gesprochen, denn so nah war er nie auf ihn getroffen.
>>Wieso menschenleer?<<, dachte sich Mr. Prittel, >>es wimmelte doch nur so vor Personen.<< Überall liefen menschenähnliche, halb durchsichtig Gestalten herum, teilweise angezogen wie in Madame Tussauds Gruselkabinett. Einige davon waren klein wie Kinder, andere übernatürlich groß. In der frühmorgendlichen Dämmerung und der leicht neblig verwaschenen Sicht waren ihre Gesichter nur schwer erkennbar. Sie schienen etwas oder jemanden zu suchen, denn jedes Türschild wurde von ihnen gelesen.
>>Ja sehen sie denn nicht, was hier auf den Straßen los ist?<<, stutzte Mr. Prittel.
>>Das ist ja schlimmer als in der Vorweihnachtszeit!<<
Der alte Mann schüttelte fassungslos den Kopf, warf ihm einen ungläubigen Blick zu und tickte mit seinem Zeigefinger an seine Schläfe.
>>Ich glaube langsam sie spinnen! Falls sie aber doch alle Tassen im Schrank haben, sollten sie vielleicht einen Optiker aufsuchen oder einen Beruhigungstee trinken! Reichlich ungesund, wenn sie alles doppelt und dreifach sehen. Ich gebe ihnen meine Karte. Sie werden sie irgendwann noch einmal brauchen. Wenn nicht für eine neue Brille, dann für etwas anderes.<< Ein merkwürdiger Typ dachte Mr. Prittel still bei sich. Irgendwie sprach er in Rätseln. Der alte Mann griff erstaunlich flink in seine Tasche. Dort zog er eine goldene Visitenkarte heraus, drückte sie ihm in die Hand, drehte sich auf seinem Absatz um und war weg. Kurzum verschwand er genauso schnell, wie er gekommen war. Mit der Karte in der Hand stand er nun wie angewurzelt da. Was für ein Name:
Prof. Dr. Dr. Valim Rachmjenitsch
Optiker und Experte für Antiquitäten
Rachmjenitsch wohnte im Woldengrove End, fußwärts fünf Minuten von der Square Stone Gasse entfernt. Komisch, das war quasi fast um die Ecke und tatsächlich kannte man sich nur von Weitem. Alles nur Zufall dachte er sich, dann verstaute er die Karte in seinem Portemonnaie.
Das merkwürdige Treiben auf der Straße wurde immer unruhiger. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend ging er wieder rein und schloss kurzerhand die Tür zu. Aus sicherer Entfernung sah er aus dem Schaufenster und bemerkte, dass sich immer mehr dieser Wesen auf den Straßen tummelten. Nun kamen sie auch direkt vor sein Schaufenster, schauten neugierig, beschnüffelten das Fensterglas und tuschelten miteinander. Er war sicher, das hier hatte nichts mit Halloween zu tun und deutete auf etwas anderes hin. Beim Betrachten der Gestalten fiel ihm auf, dass sie, je heller es draußen wurde, immer hektischer und transparenter erschienen. Als wenn ihnen die Zeit davon liefe! Was hatte das alles zu bedeuten und nach wem oder was suchten sie?
Als er so vor sich hin- und herdachte und sich den Kopf darüber zerbrach, was das Ganze auf sich haben könnte, fiel ihm aus heiterem Himmel ein alter verstaubter Brief mit einem roten Siegel vor die Füße, der merkwürdigerweise an keinen Adressaten gerichtet war. Dennoch fühlte sich Mr. Prittel aufgefordert in diesen geheimnisvollen Umschlag zu schauen. Er brach das Siegel, klappte das gelbliche Pergamentpapier auf und begann eine goldene Schrift zu lesen:
Robert Prittel,
du hast diesen Brief geöffnet, nun lies genau, denn nach dem Lesen verschwinden alle geschriebenen Worte im Nichts! Sie suchen nach deinem Sohn, aber hab keine Angst sie können ihn nicht sehen, denn er trägt das Amulett! Rede nicht mit ihnen und tue so, als würdest du sie nicht sehen, dann bist du uninteressant. Wenn die Gestalten nicht finden was sie suchen, verschwinden sie wieder. Spätestens, wenn gleich die frühmorgendliche Dämmerung vorbei ist, sind sie weg. Sie kommen aber irgendwann wieder.
Gerade hatte Mr. Prittel