Die steinernen Türme. Margarete Hachenberg

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Die steinernen Türme - Margarete Hachenberg Die wiedische Grafschaft

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den Hut schaut, erkennt Ihr den Unterschied. Während die Knollenblätterpilze einen weißen Hut und weiße Lamellen haben, sind die Lamellen junger Champignons rosa und die der großen braun. Hier seht Ihr es.“ Die Großmutter hielt in jeder Hand einen Pilz, beide mit den Stielen in der Hand, so dass Agathe die Unterseite betrachten konnte.

      Dann gab es noch die Habichtpilze mit den großen weißen Schirmen und Agathe staunte damals nicht schlecht. Auf diesen Schirmen waren braune Muster, die dem Gefieder eines Habichts ähnelten. „Den Stiel davon dürft Ihr nicht essen. Den Hut zieht Ihr durch ein verquirltes Ei und dann durch Mehl. Das schmeckt köstlich, wenn Ihr das in einem Topf bratet. Dieser Pilz ersetzt ein Stück Fleisch.“

      An einer anderen Stelle wieder fand Agathe mit ihrer Großmutter Maronen und Steinpilze, beides Pilze mit braunen Hüten und gelben Schwämmen. Der Fuß des Steinpilzes sah sehr interessant aus. Er verbreiterte sich nach unten und sah aus wie ein zu klein geratener Baumstamm. „Das Gegenstück dazu“, erklärte die Großmutter, „ist der Gallenröhrling. Während der Steinpilz einen gelblichen oder olivgrünen Schwamm auf der Unterseite hat, ist der bei dem Gallenröhrling rötlich. Lasst die Finger von diesem Pilz, er ist bitter wie Galle.“

      Langsam, immer noch in Gedanken, ging Agathe zurück in die Küche. Sie entfachte ein Feuer auf der Brandstelle in der Mitte der Küche, über der ein großer Topf an einer eisernen Kette baumelte. Da hinein gab Agathe etwas Wasser, Salz und die Erbsen. Nun zu dem Mehl dachte Agathe und schritt zu einem dunklen Regal. Sie holte sich zwei Reibsteine von einem Regal aus Holz. Müde rieb sie sich die Augen und setzte sich auf einen Schemel an dem großen Holztisch vor der Feuerstelle. Das Korn hatte sie bereits auf dem Tisch liegen. Sie nahm die Steine und drückte damit das Korn entzwei und rieb die Steine über das Korn, bis es zu Mehl wurde. Mit ihrer Hand stäubte sie dann das Mehl in eine hölzerne Schale, gab Wasser dazu und knetete es zu einem festen Teig. Der kam dann ins Feuer. Das Brot würden sie zu dem Erbsenbrei essen. Solch eine Mahlzeit gab es jeden Tag. Nur an Ostern und Weihnachten aß die kleine Familie Fleisch dazu.

      Nahendes Unheil

      „Es ist leider, Gott erbarme, nicht nur in den Nachbarorten, nein, auch hier das grobe hochstrafbare Laster der Zauberei. Menschen wie Vieh werden bezaubert, vergiftet und umgebracht, worüber hier in Thierdorff oft geklagt wird. Diese Menschen müssen ermittelt und bestraft werden nach weltlichen und göttlichen Rechten. Darum bitten wir. Bisher geschah nichts auf diese Klagen und Bitten hin. Die Unholde trachten nach der Nahrung anderer und deshalb bitten wir, der Graf möge in Thierdorff einen Ausschuss bestellen. Dieser Ausschuss soll auf Kosten der Hexen und Hexenmeister genau diese ergreifen und verhaften und ihren Verbrechen gemäß mit Schwert und Feuer vom Leben zum Tod bestrafen. Dieses Unkraut muss ausgerottet und das Übel aus dem Land geschafft werden. Der arme Mann möge an Leib und Nahrung gesichert und beschützt sein.“

      Graf Hermann II hob sein Haupt mit der Lockenperücke. Bisher brannte weder in Thierdorff noch in den Nachbarorten ein Scheiterhaufen. Trotz vieler Bitten konnte er sich bisher noch nicht dazu entscheiden, einen Hexenausschuss auszurufen. Jetzt blieb ihm keine andere Wahl. Er stand unter Druck, denn die Bürger drohten damit, Hexen und Unholdinnen mit ihren Holzäxten auf den Gassen zu erschlagen.

      „Vielleicht“, so überlegte der Graf, der am Sekretär der Bibliothek saß und den Brief gelesen hatte, „ist es wirklich so, dass der Teufel uns regiert und mitten unter uns lebt, denn all das Elend kann doch nicht der Wille Gottes sein. Auch ich will mich auf die Seite unseres Herrn stellen, denn wer will schon ewig im Feuer der Hölle schmoren, wenn wir eines Tages diese Erde verlassen müssen? Dazu will ich auf keinen Fall gehören.“ Er runzelte die Stirn und überlegte fieberhaft.

      Da gab es den Krieg, die Verwüstungen durch die einfallenden Soldaten, die Leute, die zu Tode gekommen waren, der Hunger, die Missernten und die Kälte, dazu noch die Pestilenz. Alle die, die sich mit dem Teufel und seinen Helfern einließen und sich mit ihm verbündeten, sollten zur Verantwortung gezogen werden. „Gottes Wille kann das wirklich nicht sein“.

      Er dachte auch an die letzte Predigt in der Kirche. Was hatte der Priester noch gepredigt? Da ging es doch darum, dass es wohl hauptsächlich die Frauen sind, die für alle die Schäden zuständig sind, da sie sich mit dem Teufel einlassen. Wer weiß? Vielleicht ist da ja auch was Wahres dran.

      „Um den geforderten Ausschuss zu bilden, bedarf es eines Amtsmannes, zwei Geschworener, eines Henkers und seines Knechtes, der die denunzierten Personen von Zuhause abholt und sie in den Kerker bringt“, so wanderten die Gedanken des Grafen weiter. „Wer kommt alles dafür in Frage?“ schoss es Hermann II durch den Kopf. Er stand auf und rief nach seinem Rat. „Jakob!“ schallte es durch die Mauern der Burg. Er drehte sich zur Türe aus Eichenholz und wartete auf eine Reaktion.

      Forsche Schritte huschten über den Gang, ein Klopfen erschallte, dann öffnete sich die Türe zur Bibliothek.

      „Eure Durchlaucht hat nach mir gerufen?“ ließ Jakob hören.

      „Ich will einen Hexenausschuss bilden. Wer von den Bürgern Thierdorffs ist mir treu ergeben? Wer bringt regelmäßig und ohne Eintreibung sein Lehen?“ fragte er weiter. „Wer von den Bürgern ist gebildet und wer hat einen sehr guten Leumund?“

      Jakob dachte nach. Seine Stirn legte sich in Falten. „Da gibt es nur einige wenige Leute, die dafür in Frage kommen. Für den Hexenausschuss eignen sich am besten Nikolaus Kohligsohn, Bastian Steltz, der Johann Rothback. Es sind Männer ganz ohne Tadel und zudem reiche Bauern. Ich muss darüber nachdenken, wer dafür noch in Frage kommt.“

      Schnell bestimmte der Graf genau diese Leute für den Ausschuss, der fortan im Mittelturm Gericht halten sollte. Damit aber war der Ausschuss noch nicht vollständig, das würde der Graf noch nachholen.

      Agathe eilte zum Lager, um den Männern des Heeres Brotlaibe zu bringen. Prasselnd loderte das Feuer am Friedhof gleich hinter der Kirche, über dem ein Eisenkessel an einer Holzstange hing. Zelte dienten als Nachtlager und als Schutz vor Regen, Hagel oder Graupel. Stroh lag aufgeschichtet, Pferde standen da, die mit Leinengurten an Pfosten gebunden waren. Tilly, der Feldmarschall und Heerführer gehörte der katholischen Liga an und seine Flagge, die im Wind wehte, zeigte die Gestalt der Heiligen Maria.

      Ganz in der Nähe stand ein kahler Baum mit ausgestreckten Armen, an denen Menschen an knirschenden Stricken hingen. Vögel piekten mit ihren Schnäbeln an den Augen der auf Pfählen aufgespießten Köpfe. Diese Räuber waren von einem Richter zum Tode verurteilt worden, vor Gott mussten sie sich noch einmal rechtfertigen für ihre Schandtaten auf Erden. Sie waren Mahnmal für die Bürger der Stadt.

      „Da geht sie wieder und macht gut Wetter. Huprecht, diese Hexe treibt ihr Unwesen nicht nur mit uns, auch mit diesen Söldnern. Selbst jetzt in diesem Krieg weiß sie sich noch aus jeder Schwierigkeit herauszuwinden.“ Greth sah Agathe nach und schüttelte ihren Kopf. Die Haube auf ihrem hochgesteckten Haar wandte sich mal nach rechts, dann nach links.

      Agathe hatte es sehr gut angetroffen mit Thönges, ihrem Mann. Seit sie mit ihm verheiratet war, ging es ihr gut, sie war reich und angesehen trotz des Elends in dieser Zeit.

      „Diese Schlange verhext sogar die Soldaten und verdreht ihnen die Köpfe. Fast täglich sehe ich sie dort.“ Huprecht flüsterte, so als könne Agathe seine Worte hören. „Ihr wisst doch sicher noch, wie Ihr sie vor ein paar Wochen im Wienawer Gebück beim Tanzen gesehen habt.“

      „Na klar. Soll ich Euch das mal genau berichten?“ Greth drehte sich mehr zu ihrem Mann hin. „All das, was Gott erschaffen hat, vernichtet diese Hexe. Wisst Ihr was? Ich sah, wie Agathe sich in eine Eule mit solchen Glotzaugen verwandelte und auf einem Besen zum Hexentreffen flog.“ Greth zeigte ihrem Mann die Größe

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