Die steinernen Türme. Margarete Hachenberg
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Читать онлайн книгу Die steinernen Türme - Margarete Hachenberg страница 7
„Wen hast du denn außer Agathe noch alles erkennen können?“ wollte Huprecht wissen.
„Da war die Resi, die alte Magd, die so gebeugt nach vorne ging. Auch sie fand sich zu dem Treffen ein. Alle anderen saßen mit dem Rücken zu mir. Die Gesichter habe ich nicht gesehen. Da gab es Hexen, die mit einem Besen durch die Luft flogen und mit dem der Satan ein Fest feierte.“ Greth überlegte und legte eine Pause ein. „Holz lag aufgestapelt auf dem Flecken zwischen den Bäumen, Feuer knisterte in der Dunkelheit. Als ich mich dann weiter umschaute, saß der Teufel aufrecht zwischen den Hexen in der Gestalt eines schwarzen Ziegenbockes mit geschwungenen Hörnern und einem Lorbeerkranz. Über dem Geschehen zog die Sichel des Mondes vor die schwarze Wolkendecke und die Sterne leuchteten. Schwarze Fledermäuse habe ich da fliegen sehen und hinter einer dieser Frauen sah ich einen Spieß, auf denen Leichen von nackten Kindern steckten.“
„Was hat sie denn auf dem Kerbholz?“ wollte Huprecht wissen und sah Greth mit großen Augen an.
„Agathe packte die Kuh des Johann Schmidt an einem ihrer Hörner, strich ihr mit der Hand etwas ins Maul. Die Kuh fiel um und war tot. Sie hat diese Kuh bezaubert.“ Greth schauderte.
„Da war der Teufel im Spiel! Das kann gar nicht anders sein.“ Huprecht konnte es gar nicht fassen. „Der Satan wütet auf der Erde herum und steckt auch in Agathe.“ Greth und Huprecht beobachteten alles ganz genau, was sich da im Lager abspielte. Agathe hielt gerade ihre Schürze auf.
„Diese Dirne! Gibt sich diesem Gesindel hin. Wo bleibt ihr Anstand?“ Greth glaubte nicht, was sie da sah.
Agathe indessen freute sich innerlich darüber, einen Weg gefunden zu haben, von diesem Krieg nicht aufgefressen zu werden. Ihrem Ludwig zuliebe brachte sie immer etwas von ihren Vorräten in das Lager, so blieben sie unversehrt und konnten ihrem Tagewerk nachgehen ohne ausgeplündert zu werden oder räuberischen Angriffen ausgeliefert zu sein. Ihr wäre es viel lieber gewesen, ihr Mann wäre gegangen und hätte die Lieferung ins Heereslager gebracht. „Wenn Thönges mich jedoch schickt, bin ich ihm ein gehorsames Weib.“ Ängstlich und zitternd trat sie den Rückweg an.
Greth und Huprecht beobachteten, wie Agathe ihren Rock des Kleides etwas nach oben raffte, damit der Saum nicht den nassen Lehm berührte.
Thierdorff lag in Trümmer, kein Haus war mehr vollständig, die Dächer abgebrannt, das Holz zertrümmert durch die Äxte und Beile der Soldaten, die Menschen erstarrten aus Furcht. Die Hütte von Agathe und Thönges hatte in all den langen Jahren des Krieges kaum Schaden gelitten.
„Schau mal, was macht denn Agathe jetzt?“ Greth blickte ihr verdutzt nach, Agathe stand gebückt in ihrem Garten und scharrte in der Erde.
Greth und Huprecht wussten in ihrer Not nicht mehr, was sie noch essen sollten. In diesem Elend zogen sie gar einer toten Katze das Fell ab und brieten das Fleisch. Hunger war der ständige Begleiter dieses bereits älteren Ehepaares. Huprecht war der Knecht des Grafen und versorgte im Stall des Grafen die Pferde, legte neues Stroh in den Stall. Hin und wieder nur bekam er die Reste des Mahles der Grafenfamilie zu essen. Das nahm er dann mit nach Hause, damit Greth dann auch was davon abbekam. Da er keine Abgaben leisten konnte, arbeitete er.
Die Lebensmittel waren sehr teuer geworden und so konnten sie sich nichts kaufen, nicht einmal das Notwendigste. So ging es vielen anderen Thierdorffern auch.
„Dieses Weib hat sich die Schürze gefüllt. Was sie mit in die Hütte nimmt, kann ich nicht sehen. Sicher hat sie da einen Vorrat.“
Direkt gegenüber Huprechts Haus lag das von Agathe und Thönges. Greth und Huprecht grüßten herüber. Agathe winkte sie arglos zu sich.
„Tach, wie geht es Euch?“ Gerade war Agathe im Begriff, ihre Hütte zu betreten. Im Stall nebenan quiekten Schweine und Kühe, die Hühner liefen über die lehmige Erde im Wohnraum der Küche.
Greth schielte in den Wohnraum. Kleine Töpfchen aus Holz standen fein aufgereiht mit Gewürzen auf einem Regal und vorne hingen Kräutersträuße kopfüber nach unten. Aus dem eisernen Kessel über dem Feuer duftete es köstlich. Darüber hing ein Stück Schinken an der Decke, um es zu räuchern.
„Kommt herein“, lud Agathe die Nachbarn ein. Agathe schritt beschwingt zum hölzernen Tisch und nahm sich ein Messer, schnitt die Schalen der Zwiebel ab und dann die Zwiebel in kleine Stückchen und warf die Pilze hinterher in den Topf. Kleine Laibe Brot lagen bereits im Feuer. Sie brauchten etwas mehr Zeit. „Heute seid ihr meine Gäste. Gleich ist das Essen so weit.“ Agathe lächelte zu Greth und Huprecht hinüber.
Greth sah sich weiter um. Neben einem Holzfass lehnte ein Reisigbesen. Grob gezimmerte Stühle standen um den dunklen Eichentisch, an den sie sich setzten. Auf der anderen Seite des Fasses lehnte eine lange Leiter, die hoch zum Heuboden führte. In der Mitte des Raumes lagen Holzscheite übereinander gehäuft, die lichterloh brannten und die Hitze unter den eisernen Topf brachte, der an einer rasselnden Eisenkette an der Decke hing. Hühner pickten die Körner vom Boden.
Dann schaute Greth zur Öffnung der Hütte hinaus. Vor zwei nebeneinander stehenden Hütten gegenüber wuchsen Bäume, vor denen Gänse und Hühner schnatterten und gackerten. Schweine schnüffelten mit ihren rosa Rüsseln, die Rücken bewegten sich schaukelnd, um Eicheln und Bucheckern aufzuspüren.
„Nichts an dieser Hütte hat einen Schaden genommen. Unsere jedoch muss wieder ganz neu aufgebaut werden. Wie machen die das bloß? Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu“, überlegte Greth. „Steht Agathe etwa mit dem Teufel im Bunde?“ Tief war die Frau in ihre Gedanken versunken. Mager war sie geworden, denn sie litt Hunger wie auch ihr Mann. Heute würden sie sich ihre Bäuche einmal füllen. Darauf freute sie sich bereits.
Thönges sah von seiner Arbeit auf. Er saß auf einem Baumstumpf vor dem Viehstall und sah seine hübsche Frau mit den Nachbarn plaudern. Mit einem Messer schnitzte er an einem Stück Holz.
„Schön, Euch hier zu sehen“, rief er ins Haus hinein. Er war gerade dabei, für den eigenen Haushalt, aber auch für die Soldaten Becher und Schalen zu schnitzen. Nur so würde seine kleine Familie den Krieg vielleicht überleben. Bis jetzt hatten sie es auf diesem Weg geschafft.
Wieder neigte er seinen Kopf nach vorne über seine Arbeit. Wutentbrannt hatten die Soldaten die Hütten der Leute zerschlagen, Geschirr und alle Nahrungsmittel geraubt, alles Vieh mit sich in ihr Lager genommen, die nicht freiwillig gegeben hatten. So sputete er sich und sah zu, dass er weiterkam mit seinem Vorhaben. Von dem Gespräch in der Wohnstube ließ er sich nicht stören.
Johann Henrici, der Türmer, wohnte hoch über dem Treiben des Städtchens. Von hier oben gleich unter dem Glockengeläut des Mittelturmes sah alles so klein und unbedeutend aus. Der Rauch brennender Katen stieg zu ihm empor. Wo sich vor dem Krieg noch Krähen und Raben niederließen, war die Spitze des Turmes nun leer. Der Türmer sah vom Fenster seiner Wohnung auf die Schänke, die links des Mittelturmes stand. Dort stand der Wirt an manchen Tagen mit seiner weißen Zipfelmütze. War Johann mal in der Stadt und kehrte wieder nach Hause zurück, stieg er die Steinstufen hinauf bis zur Glocke. Bei schönem Wetter schien die Sonne durch die winzigen Fenster des Gemäuers und fegte der Sturm, pfiff er um die Spitze des Turmes.
In der engen Wohnung des Wärters, dem Hüter der Stadt, standen ein kleiner Holztisch und ein grobgehauener Klotz, auf den er sich setzen konnte.