Die Atlanten von Wheed. Gabriele Steininger
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"Wir müssen auch noch etwas anderes im Auge behalten." erinnerte Sam. "Die Riege. Sie versammelt sich jetzt zu jedem Mond. Die Zeit der Veränderung, die Offenbarung des Atla Wheed steht kurz bevor. Maximal noch ein Zyklus Zeit den wir haben, wenn überhaupt. Es wird nicht mehr lange dauern, bis sich die Karten verändern und sich zu erkennen geben. Auch wenn die Magier noch sehr jung sind, so wächst ihre Kraft und mit ihr auch das Eigenleben der Karten. Unser größtes Problem wird Gordul werden. Ich glaube nicht, dass er nachlassen wird. Sollte es tatsächlich so weit kommen", Sam machte eine bedeutungsvolle Pause, "dass er die Karten in den Händen hält, wird er versuchen die Macht an sich zu reißen."
"Niemand weiß in welchem Wissensbau die Karten lagern." Randag lehnte sich auf seinem Stuhl zurück "Oder sehe ich das falsch?" Die Arme vor der Brust verschränkt blickte er in die Runde.
"Auch dieses macht die Sache nicht einfacher. Macht ist ein verlockender Gedanke. Nicht nur für die Riege oder die Sternendeuter der Höchsten." Sam musterte die Männer im Raum. "Loyalität, gegenüber der Sache ist in den Reihen derer, welche die Möglichkeit haben diese Macht zu entdecken, nicht selbstverständlich und auch nicht weit verbreitet."
Marc stand vor dem Riesenfels. Auf ganz Ingwas gab es kein massiveres, wuchtigeres, größeres zusammenhängendes Stück Felsen, in welches Wohnburgen geschlagen waren. Daneben befanden sich auch öffentliche Gebäude in der steinernen Wand. Ein Meisterwerk der Baukunst, in dem sich Macht, Prunk und filigranes Handwerk vereinigten. Eines davon war der Wissensbau, in dem alle Schriftsammlungen und Karten der Platte Ingwas und über die anderen Platten aufbewahrt wurden. Regale über Regale, voll mit Wissen von und über Wheed, standen in dem hohen, weiten Raum. Das ein oder andere Werk hatte er sich hier selbst schon ausgeliehen, um über die anderen Platten zu lesen und deren Atlanten zu studieren. Karten hatten Marc schon immer fasziniert. Sich hier Geschichten auszuleihen war unter den Bewohnern Ingwas üblich und so herrschte teils reger Verkehr in der Halle. Marc las gerne in den Kartenwerken und sah sich Städte und Dörfer in den Beschreibungen an, die zum Teil an den Werken hingen. Er kannte Kurwat, den Wächter über die Schriften im Wissensbau und seine Familie gut. Als Kind hatte er mit seinen Söhnen manchmal gespielt. Obwohl diese einige Zyklen älter waren als er, hatten sie immer gerne mitgemacht und überließen den Jüngeren gerne die Rolle von Ewon. Das machte sie zu begehrten Spielkameraden und sie waren gerne in der Schar der Kinder gesehen. Kurwats Söhne erlernten die Kunst der Dichtung. Sie hatten keine Lust in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten, um in dem großen Gebäude zu verstauben, wie die Werke die in ihm lagerten. Dieser Besuch aber war etwas anderes. Das spürte er. Hier ging es nicht um das Ausleihen eines Werkes. Hier ginge es um die Wahl. Seine Wahl. Die Wahl, die seine ganze Zukunft, ja sein ganzes Leben beeinflussen würde. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass genau dieser Beruf der seine war. Angespannt drückte Marc die wuchtige Tür auf und trat ein. Augenblicklich kam ihm der vertraute, angenehme Geruch von Rindenpapier und Staub entgegen. Werke hatten einen eigenen Geruch. Jedes roch anders und stieg dem Leser beim Blättern der Seiten in die Nase. Es gab Werke die man nicht mochte, weil ihnen ein ganz eigener Duft anhing. In Andere steckte man seine Nase gerne und sog sie förmlich in sich hinein. Ganz hinten, an der linken Seite, stand ein wuchtiges, aus dunklem, beinahe schwarzem Kanulbaumholz gefertigtes Pult. Vertieft in eine seiner Karten saß der Wächter an dem schweren Möbelstück. Marc fasste sich ein Herz und steuerte zielstrebig auf den Mann zu. So geradlinig ihn seine Füße bis vor das Pult geführt hatten, so unsicher stand er jetzt davor. Es dauerte einige Augenblicke, ehe Kurwat, der ihn sehr wohl bemerkt hatte, aufblickte und ihn freundlich ansah. Es war dem Jungen an der Nasenspitze anzusehen, dass der Grund seines heutigen Besuches ein anderer war, als ein Buch auszuleihen.
"Na? Marc? Möchtest du dir ein Werk ausleihen?", fragte er dennoch gewohnheitsmäßig nach. Der grauhaarige Mann der verschmitzt über den Rand seiner eckigen Brille lugte machte ein freundliches Gesicht.
"Nein. Dieses Mal nicht. Ich ähm… Ich wollte fragen ob ich bei dir das Kartenschreiben lernen kann."
Kurwat musterte den angespannt vor ihm stehenden jungen Mann, der nervös mit seinen Fingern spielte und erhob sich aus seiner Sitzgelegenheit. Er kam um das wuchtige Pult herum. Ein unbehagliches Gefühl stieg in Marc hoch, als der Wissensbauwächter langsam um ihn herum schritt, ihn umkreiste wie ein Hachtvogel auf Beutezug seine Kreise zog. Kurwat blieb plötzlich direkt vor ihm stehen.
"Zeige mir einmal deine Hände, Marc Gerson." forderte er und sein Kopf nickte zum Takt seiner Worte. Marc strecke ihm gehorsam seine Hände entgegen, die der Mann in die seinen nahm, sie betrachtete und von einer Seite auf die andere wendete.
"Ich sehe du hast dich schon in Verschiedenem versucht?", sagte Kurwat mehr feststellend als fragend. Er sah die frischen, zum Teil bereits verheilten Blessuren auf der zarten Haut des Jungen.
"Ja. Das habe ich." antwortete Marc wahrheitsgetreu.
"Aber es war nicht das Richtige für dich?"
"Nein. Es war nicht das Richtige." In Marc stieg ein ungewisses Gefühl hoch. Würde er ihn nicht nehmen, weil er schon in anderen Berufen versagt hatte? Er konnte den Gesichtsausdruck seines Gegenübers nicht deuten. Kurwat machte eine lange Pause, in der er Marcs Hände immer noch begutachtete.
"Mit diesen Händen, kann sein", er ließ die Hände wieder los und sah ihm direkt in die Augen, "dass du Karten schreiben lernen kannst. Doch brauchst du nicht nur die Hände dazu. Es muss auch der richtige Kopf auf deinen Schultern sitzen!" Er drückte bei den letzten Worten sanft mit dem Zeigefinger gegen die Stirn des Jungen. "Sage mir Marc Gerson, der du aus einer Familie kommst in der bisher jeder Mann ein hartes Handwerk erlernt hat, sitzt der Kopf auf deinen Schultern, der zu deiner Hände Beruf passt?"
Marc war etwas verwirrt über die Ausdrucksweise doch er verstand was Kurwat meinte. In einigen Werken aus dem Wissensbau wurde diese Art von Ausdruck oft verwendet und so hatte er gelernt ihn zu deuten.
"Ich weiß es nicht Meister, aber ich hoffe es, denn es ist mein Wunsch das Kartenschreiben zu erlernen." Tausend Gedanken kamen dem Jungen in den Kopf und er hoffte alles richtig zu machen. Schließlich erlöste Kurwat seinen Bittsteller.
"Gut. Dann komme morgen vor dem Hochstand der ersten Sonne mit deinem Vater wieder her. Wir werden reden, über das was aus dir werden wird." Er setzte sich wieder hinter sein Pult und arbeitete weiter, ohne noch einmal auf ihn zu achten. Marc drehte sich um und ging aus dem Wissensbau. Wenn er vorhin gedacht hatte, das erste Vorsprechen mit einem Lernmeister wäre schwierig, wie viel schwerer würde das Gespräch erst mit seinem Vater sein wenn er gestand, dass er kein hartes Handwerk erlernen wollte?
Es stimmte was Kurwat gesagt hatte. Aus seiner Familie waren ausschließlich hart arbeitende Handwerker hervorgegangen. Der einzige Beruf der nicht ganz so hart war und von seiner Sippe allerdings nur ein einziges Mal vertreten wurde, war der des Baumwaldpflegers.
Mögen die Himmel mir beistehen bei meiner Rede mit meinem Vater dachte er als er den Heimweg antrat.
Marcs Vater war kein besonders strenger Mann jedoch achtete er sehr auf Familientradition und duldete so gut wie keine Widerrede, wenn es um wichtige und schwerwiegende Entscheidungen ging. Die Berufswahl seines Sohnes stellte so eine schwerwiegende Entscheidung eindeutig dar. Die Zeit der Wahl für Marc war schon angebrochen und Gerson hatte verzweifelt versucht seinen Sohn in die Künste verschiedener Handwerke einzuführen. Bisher schien es nicht so, als wäre der Junge für irgendeinen Beruf geeignet. Ihm fehlte einfach das Talent und Marcs Vater war etwas mehr angespannt als sonst, wenn er nach Hause kam. Er machte sich Sorgen um die Zukunft seines Sohnes.
Deshalb