100% Down Under. Wolf Stein

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100% Down Under - Wolf Stein

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Straßenzug wurde größer und größer, breiter und breiter, länger und länger und machte nicht die geringsten Anstalten, auch nur einen Zentimeter nach rechts zu fahren. An den Linksverkehr in Down Under hatte ich mich schnell gewöhnt, doch das, was hier auf uns zukam, beschrieb ein anderes Kapitel. Es nutzte nichts, kurz vor dem Zusammenstoß riss ich das Lenkrad um und wir rauschten geradewegs in den roten Staub. Der Himmel verdunkelte sich. Es wurde Nacht im Auto. Als sich die Wolken legten, sahen wir uns erneut an und lachten laut los. Von nun an stoppte ich immer rechtzeitig oder fuhr langsam am Rand entlang, wenn uns einer der Kängurukiller entgegenkam.

      Die kleine Stadt Hughenden lag zirka dreihundert Kilometer von Charters Towers entfernt. Hier besuchte ich mit Anne einen Sportladen und kaufte mir eine Angel. Damit hoffte ich, in Zukunft Fisch vom Feinsten auf unsere Teller zu bringen. Die neu erworbene Rute kam auch gleich am nächsten Tag zum Einsatz. Nachdem uns bereits ein apokalyptisch feuerroter Sonnenuntergang zur Porcupine Gorge begleitet hatte, begrüßte uns der nächste Morgen ebenfalls mit allem, was die Sonne zu bieten hat. Wir schnappten unsere Wasserflaschen und wanderten los in die Stachelschwein-Schlucht, was Porcupine Gorge bedeutet. Ich lief die meiste Zeit mit freiem Oberkörper, kurzer Hose und Sandalen durch die Gegend. Schließlich waren wir in der Natur. Auf dem Weg hinunter trafen wir einen Mann, der bestens ausgerüstet schien, mit allem Pipapo - einem großem Hut, zwei Wasserflaschen, dicken Schuhen, Schuhüberzieher, damit kein Dreck von hinten in die Hacken fallen konnte, Kompass, Wanderstock und was weiß ich noch alles. Dafür sah er aus wie eine frisch gepinselte weiße Wand. Nicht ein Hauch von Farbpigmenten auf seiner Haut. Wir dagegen waren nahtlos braungebrannt - nicht überall, aber fast überall. Der fremde Wanderer ermahnte mich, dass man so in Australien nicht rumlaufe. Ich sei verrückt. Die Sonne kann tödlich sein. Ehe ich mich versehe, hätte ich Schultern aus Leder. Überhaupt trage man zum Schutz einen Hut. Meine Füße würden ebenfalls verbrennen. Ich bräuchte dringend richtige Schuhe ...

      Ich sage es mal so: Übertreiben kann man es auch. Jemand, der sein Leben scheinbar mehrheitlich im Keller verbracht hatte, brauchte mir Naturburschen doch nicht vorzuschreiben, wie ich durch den australischen Busch zu wandern habe! Ich kann sehr gut selbst einschätzen, wie lange mein Körper die Sonne aushält. Während der ganzen Zeit in Australien hatte ich keinen Sonnenbrand. Na gut, ich will ehrlich sein, einmal hat es mich erwischt, aber da bin ich am Strand unter widrigen Umständen eingeschlafen. Mehr dazu später.

      Anne schien die Standpauke zu gefallen. Welche Gedanken wohl gerade durch ihren Kopf geisterten?

      »Mach dir um mich keine Sorgen«, antwortete ich dem Wandersmann und wir marschierten weiter.

      Unten angekommen, bot sich uns eine breite Schlucht mit eigenartigen Steinformationen. Eine große pyramidenförmige Wand aus gelbrotem Fels schob sich am Ende des ausgetrockneten Flusslaufes in die Höhe. Wir liefen umher und nahmen alles genau unter die Lupe. Am Fuße der Pyramide hatte trotz der Trockenheit ein kleiner See überlebt. In ihm wimmelten hungrige Fische nur so vor sich hin.

      Mit großen Augen sagte ich: »Anne, ich hole sofort meine Angel.«

      Gesagt, getan! Der lange Aufstieg zum Auto dauerte etwas. Oben zog ich mir ein T-Shirt über, holte mein Angelzeug aus dem Wagen und schon ging es den ganzen Weg wieder hinab. Anne sonnte sich derweil auf einem Stein. Doch was wollte ich als Köder für die Fische benutzen? Diese Frage schien sich von selbst zu beantworten. Kurz bevor ich unten ankam, sprang vor mir eine Heuschrecke auf, flog fünf Meter und landete in einem Busch. Von Bill hatte ich den Tipp bekommen, zum Angeln nur Insekten, kleine Frösche oder sogar Früchte als Köder zu benutzen, das sei am besten. Was die Natur hergibt, fressen auch die Fische.

      »Mit Fröschen zu angeln, ist aber strengstens verboten, da sie unter Naturschutz stehen«, meinte Bill noch.

      Doch gegen Plagegeister wie Heuschrecken war nichts einzuwenden. Die Jagd begann. Ich schlich los, dem Insekt entgegen. Ich öffnete die Hand und war gerade am Ausholen, da flog das Biest zehn Meter weiter. Der nächste Versuch. Mist! Wieder zu spät. So konnte das nichts werden. Da kam mir eine Idee. Ich zog mein T-Shirt aus, hielt es zusammengeknüllt in der Hand, pirschte mich erneut an mein Opfer heran und zack, nach einem kurzen Flug entfaltete sich mein Stück Stoff direkt über der Heuschrecke. Die war bereits wieder drauf und dran loszufliegen, doch die Falle schnappte zu. Nun hatte ich also einen Köder. Mal sehen, was die Fische dazu sagen würden.

      Anne interessierten meine Versuche, ein leckeres Abendessen für uns an Land zu ziehen, reichlich wenig. Sie genoss ihre Ruhe. Ich hockte derweil an einem kleinen Steilhang über dem Wasserloch. Meine Beute konnte ich von hier oben wunderbar beobachten. Viele kleine, aber auch einige große Fische schwammen entspannt am Fels entlang. Ihr Futter hing am Haken. Ich ließ die Heuschrecke ins Wasser fallen. Von nun an konnte es sich nur noch um Sekunden handeln, bis ein großer Raubfisch aus seinem Versteck hervorschießen und den Leckerbissen mit einem Happs verschlingen würde. Aber Fehlanzeige! Die kleinen Fische stürzten gleich drauf los und fingen zu knabbern an. Das störte jedoch nicht mal die Heuschrecke selbst, da die winzigen Mäuler keinen großen Schaden anrichten konnten. Die kapitalen Brocken, die ich gern auf meinem Abendbrotsteller gesehen hätte, schwammen völlig desinteressiert an der Felswand auf und ab. Selbst als ich ihnen den Köder fast direkt ins Maul warf, gab es keine Reaktion. Stattdessen nagten sie irgendwas vom Fels ab. Das schien ihnen besser zu schmecken als meine Heuschrecke. Verzweifelt gab ich meinen Angelversuch auf und entschied mich, lieber ein erfrischendes Bad zu nehmen. Zum Abendbrot gab es statt Fisch dann Reis mit Gemüse und Soße. Keine Delikatesse, aber es schmeckte.

      Die nun vor uns liegende Strecke kann ich wohl ohne Übertreibung als eine der langweiligsten des ganzen Kontinents beschreiben. Nach ausgetrockneten Flussbetten und immer lichter werdenden Baumbeständen ging es hunderte Kilometer nur geradeaus. Blickte man nach rechts, nichts zu sehen, schaute man nach links, ebenfalls nichts zu sehen. Hinter uns nur Straße, vor uns das gleiche. Weit und breit nur Einöde. Ein angenehmer Fahrtwind machte die Hitze relativ erträglich. Wir legten sehr große Strecken pro Tag zurück. Bis zur Grenze zum Northern Territory war es nun nicht mehr weit. In Mount Isa hielten wir an, um zu tanken, einzukaufen, die Gasflasche auffüllen zu lassen und einen kleinen Abstecher ins Internet zu unternehmen. Sobald es dunkel wurde, hielten wir Ausschau nach einer dieser blechernen Windmühlen, wie sie für Australien typisch sind. Wo es Windmühlen gibt, gibt es meist auch Wasser, das sie an die Oberfläche pumpen und in großen Zisternen speichern. Diese Plätze eignen sich besonders gut zum Übernachten.

      Gesucht und gefunden! Wir teilten uns eine Restarea mit einer geselligen Runde Reisender. Der Abendhimmel bescherte uns erneut ein fantastisches Zusammenspiel von Farben. Überhaupt nahm die Anzahl der Sonnenauf- und -untergänge, bei denen einem vor Schönheit fast der Atem stockt, je weiter wir ins Outback kamen, stark zu. Es wurde gegessen und erzählt. Jeder tauschte mit jedem die Geschichten seiner bisherigen Reise aus. Manche Rentner hatten ihr Haus gegen einen patenten Campingbus eingetauscht und kurvten bereits seit fünf Jahren durch ihr geliebtes Land. Eine wundervolle Art, seinen Lebensabend zu verbringen. Bei solchen Treffen wurden alle möglichen Landkarten rausgekramt und die verstecktesten und spektakulärsten Plätze weiterempfohlen und notiert. So kamen Anne und ich an so manchen Geheimtipp. Auch wo man ungestört und kostenlos übernachten konnte, wurde verraten. Eine siebzigjährige Dame erklärte uns, dass in Western Australia im Frühjahr, um den September herum, die Wildblumensaison beginnen würde. Ein unglaubliches Naturschauspiel, welches man nur dort sehen könne. Einmalig auf der Welt. Tausende Arten von wilden, geschützten Blumen würden über Hunderte von Kilometern ihre Blütenpracht entfalten. Das klang toll. Das wollten wir sehen. Von diesem Moment an hatten wir das Ziel, genau zu dieser Zeit in Western Australia zu sein. Doch das war noch ein bisschen hin. Wir hatten erst Anfang Juli.

      Eine glasklare Nacht folgte. Wir durchsuchten den Himmel nach Sternbildern, hatten allerdings keine Ahnung, welcher Stern was bedeutete. Zu Hilfe kam uns Ebbi. Sie hatte ein Buch über die südliche Hemisphäre im Gepäck. Nach Studieren dieses Buches konnten wir einige Sternformationen genauer benennen.

      »Das

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