Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriss dargestellt. Rudolf Steiner
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So ist für Leibniz die Welt in Wahrheit eine Summe von Monaden, die gar nicht aufeinander wirken, sondern unabhängig voneinander lebende selbstbewusste Wesen Iche sind. Wenn die einzelne Monade in ihrem Innenleben doch ein Abbild des allgemeinen Weltlebens hat, so rührt dies nicht davon her, dass die einzelnen Monaden aufeinander wirken, sondern davon, dass im gegebenen Falle die eine Monade das innerlich für sich erlebt, was auch eine andere Monade unabhängig von ihr erlebt. Die Innenleben der Monaden stimmen zusammen, wie Uhren dieselben Stunden zeigen, trotzdem sie nicht aufeinander wirken. Wie die Uhren zusammenstimmen, weil sie anfänglich aufeinander gestimmt sind, so sind die Monaden durch die von der göttlichen Urmonade ausgehende prästabilierte Harmonie aufeinander gestimmt.
Dies ist das Weltbild, zu dem Leibniz getrieben wird, weil er es so gestalten muss, dass sich in diesem Bilde das selbstbewusste Seelenleben, das Ich, als eine Wirklichkeit behaupten kann. Es ist ein Weltbild, das völlig aus dem »Ich« selbst heraus gestaltet ist. Ja, dies kann, nach Leibniz‹ Ansicht, auch gar nicht anders sein. In Leibniz führt das Weltanschauungsstreben zu einem Punkte, wo es, um die Wahrheit zu finden, nichts von dem als Wahrheit hinnimmt, was sich in der Außenwelt offenbart.
Im Sinne des Leibniz ist das Sinnenleben des Menschen so bewirkt, dass die Seelenmonade in Verbindung mit anderen Monaden tritt, welche ein dumpferes, träumendes, schlafendes Selbstbewusstsein haben. Eine Summe solcher Monaden ist der Leib; mit ihm ist verbunden die eine wachende Seelenmonade. Im Tode trennt sich diese Zentralmonade von den anderen und führt für sich das Dasein weiter.
Ist Leibniz‹ Weltbild ein solches, das ganz aus der inneren Energie der selbstbewussten Seele herausgebildet ist, so ist das seines Zeitgenossen John Locke (1632-1704) völlig auf der Empfindung auferbaut, dass ein derartiges Herausarbeiten aus der Seele nicht sein dürfe. Locke anerkennt nur als berechtigte Glieder einer Weltanschauung, was beobachtet (erfahren) werden kann, und was auf Grundlage der Beobachtung über das Beobachtete gedacht werden kann. Ihm ist die Seele nicht ein Wesen, das aus sich heraus wirkliche Erlebnisse entwickelt, sondern eine unbeschriebene Tafel, auf welche die Außenwelt ihre Einzeichnungen macht. So ist für Locke das menschliche Selbstbewusstsein ein Ergebnis des Erlebens, nicht ein Ich der Ursprung dieses Erlebens. Wenn ein Ding der Außenwelt auf den Menschen einen Eindruck macht, so ist darüber das Folgende zu sagen: An dem Dinge sind in Wahrheit nur Ausdehnung, Figur, Bewegung; durch die Berührung mit den Sinnen entstehen Töne, Farben, Gerüche, Wärme und so weiter. Was so an den Sinnen entsteht, ist nur so lange da, als die Sinne sich mit den Dingen berühren. Außer der Wahrnehmung sind nur verschieden geformte und in verschiedenen Bewegungszuständen befindliche Substanzen vorhanden. Locke fühlt sich gezwungen, anzunehmen, dass außer Gestalt und Bewegung dasjenige, was die Sinne wahrnehmen, nichts mit den Dingen selbst zu tun habe. Er macht damit den Anfang mit einer Weltanschauungsströmung, welche die Eindrücke der Außenwelt, die der Mensch erkennend erlebt, nicht als der Welt an sich angehörig betrachten will.
Ein merkwürdiges Schauspiel stellt sich mit Locke vor die betrachtende Seele hin. Der Mensch soll nur erkennen können dadurch, dass er wahrnimmt und über das Wahrgenommene denkt; aber, was er wahrnimmt, hat mit den eigenen Eigenschaften der Welt nur zum geringsten Teile etwas zu tun. Leibniz weicht zurück vor dem, was die Welt offenbart, und schafft aus dem Innern der Seele ein Weltbild; Locke will nur ein Weltbild, das von der Seele 1m Verein mit der Welt geschaffen wird; aber durch solches Schaffen kommt kein Bild der Welt zustande. Indem Locke nicht, wie es Leibniz tut, in dem Ich selbst den Stützpunkt für eine Weltanschauung sehen kann, kommt er zu Vorstellungen, welche nicht geeignet erscheinen, eine solche zu begründen, weil sie den Besitz des menschlichen Ich nicht zum Innern der Welt zählen können. Eine Weltansicht wie diejenige Lockes verliert den Zusammenhang mit jeder Welt, in welcher das »Ich«, die selbstbewusste Seele, wurzeln könnte, weil sie von vornherein von anderen Wegen zum Weltengrund nichts wissen will, als nur von solchen, die sich im Sinnesdunkel verlieren.
In Locke treibt die Weltanschauungsentwicklung eine Form hervor, innerhalb welcher die selbstbewusste Seele um ihr Dasein im Weltbilde kämpft, jedoch diesen Kampf verliert, weil sie ihre Erlebnisse nur im Verkehre mit der durch das Naturbild gegebenen Außenwelt zu gewinnen glaubt. Sie muss sich daher jedes Wissen über etwas absprechen, was zu ihrem Wesen außerhalb dieses Verkehres gehören könnte.
Von Locke angeregt, kam George Berkeley (1684 bis 1753) zu völlig anderen Ergebnissen als jener.
Berkeley findet, dass die Eindrücke, welche die Dinge und Vorgänge der Welt auf die menschliche Seele zu machen scheinen, doch in Wahrheit in dieser Seele selbst seien. Sehe ich »rot«, so muss ich in mir dieses »Rot« zum Dasein bringen; fühle ich »warm«, so lebt die »Warmheit« in mir. Und so ist es mit allem, was ich scheinbar von außen empfange. Außer dem, was ich in mir selbst erzeuge, weiß ich aber überhaupt von 58 äußeren Dingen nichts. So aber hat es gar keinen Sinn, von Dingen zu sprechen, die materiell, stofflich sein sollen. Denn ich kenne nur, was in meinem Geiste auftritt als Geistiges. Was ich zum Beispiel Rose nenne, ist ganz Geistiges, nämlich eine von meinem Geiste erlebte Vorstellung. Es ist also, meint Berkeley, nirgends etwas anderes als Geistiges wahrzunehmen. Und wenn ich bemerke, dass etwas von außen in mir bewirkt wird, so kann es nur von geistigen Wesenheiten bewirkt sein. Denn es können Körper doch nicht Geistiges wirken. Und meine Wahrnehmungen sind durchaus Geistiges. Es gibt also nur Geister in der Welt, die aufeinander wirken. Das ist Berkeleys Anschauung. Sie wendet die Vorstellungen Lockes in deren Gegenteil um, indem sie alles, was dieser als Eindrücke der materiellen Dinge betrachtet, als geistige Wirklichkeit auffasst, und so sich mit dem Selbstbewusstsein unmittelbar in einer geistigen Welt zu erkennen vermeint.
Andere haben die Gedanken Lockes zu anderen Ergebnissen geführt. Ein Beispiel dafür ist Condillac (1715 bis 1780). Er meint, wie Locke, alle Welterkenntnis müsse, ja könne nur auf der Beobachtung der Sinne und dem Denken beruhen. Doch schritt er bis zu der äußersten Konsequenz weiter: das Denken habe für sich keine selbständige Wirklichkeit; es sei weiter nichts als eine verfeinerte, umgewandelte äußere Sinneswahrnehmung. Somit dürfen in ein Weltbild, das der Wahrheit entsprechen soll, nur Sinnesempfindungen aufgenommen werden. Seine Erläuterung in dieser Richtung ist vielsagend: Man nehme den seelisch noch ganz unaufgeweckten Menschenleib und denke sich einen Sinn nach dem anderen erwachend. Was hat man nun an diesem empfindenden Leibe mehr als vorher an dem nicht empfindenden? Einen Leib, auf den die Umwelt Eindrücke gemacht hat. Diese Eindrücke der Umwelt haben ganz und gar das bewirkt, was ein »Ich« zu sein vermeint. Diese Weltanschauung kommt zu keiner Möglichkeit, das »Ich«, die selbstbewusste »Seele«, irgendwo zu erfassen, und sie kommt zu keinem Weltbilde, in dem dieses »Ich« vorkommen könnte. Es ist die Weltanschauung, welche dadurch mit der selbstbewussten