Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriss dargestellt. Rudolf Steiner
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Man kann das Bedeutsame dieser Wandlung des Seelenlebens erkennen, wenn man erwägt, in welcher Art noch Naturphilosophen wie H. Cardanus (1501-1576) und Bernardinus Telesius (1508-1588) über die Naturvorgänge sprechen. In ihnen wirkt das Naturbild noch weiter, das durch die Entstehung der naturwissenschaftlichen Vorstellungsart des Kopernikus, Galilei und anderer seine Kraft verliert. Für Cardanus lebt in den Naturvorgängen durchaus noch etwas, das er sich nach Art des Menschlich-Seelischen vorstellt, wie das auch im griechischen Denken möglich gewesen wäre. Telesius spricht von Gestaltungskräften in der Natur, welche er nach dem Bilde denkt, das er aus der menschlichen Gestaltungskraft gewinnt. Galilei muss bereits sagen: Das, was der Mensch zum Beispiel als Wärmeempfindung in sich hat, ist als solches in der äußeren Natur ebensowenig vorhanden, wie der Kitzel, den der Mensch an der Fußsohle empfindet, in der Außenwelt vorhanden ist, wenn er mit einer Vogelfeder berührt wird. Telesius darf noch sagen: Wärme und Kälte sind die treibenden Kräfte der Weltvorgänge; Galilei muss schon behaupten: Der Mensch kennt die Wärme als Erlebnis seines Innern nur; in dem Naturbilde kann nur gedacht werden, was nichts von diesem Innern enthält. So werden Vorstellungen der Mathematik und der Mechanik zu dem, was das Naturbild allein gestalten darf. An einer Persönlichkeit wie Leonardo da Vinci (1452-1519), der als Denker eine ebenso überragende Größe hat wie als Künstler, erkennt man das Ringen nach einer neuen Gesetzmäßigkeit des Naturbildes. Solche Geister fühlen die Notwendigkeit, zur Natur einen Weg zu finden, der dem griechischen Denken und seinen Nachwirkungen im Mittelalter noch nicht gegeben war. Der Mensch muss ablegen, was er an Erlebnissen über sein eigenes Innere hat, wenn er den Zugang zur Natur gewinnen will. Er darf die Natur nur in Vorstellungen abbilden, welche nichts von dem enthalten, was er als Wirkungen der Natur in sich selbst erlebt.
So stellt sich die Menschenseele aus der Natur heraus, sie stellt sich auf sich selbst. Solange man noch denken konnte, in der Natur ströme etwas von dem, was auch im Menschen unmittelbar erlebt wird, konnte man ohne Bedenken sich berechtigt fühlen, über Naturvorgänge den Gedanken sprechen zu lassen. Das Naturbild der neueren Zeit zwingt das menschliche Selbstbewusstsein, sich mit dem Gedanken außerhalb der Natur zu fühlen und so ihm eine Geltung zu schaffen, die er durch seine eigene Kraft gewinnt.
Vom Beginne der christlichen Zeitrechnung bis zu Scotus Erigena wirkt das Gedankenerleben so fort, dass seine Gestalt bestimmt wird durch die Voraussetzung einer geistigen Welt derjenigen der religiösen Offenbarung –; vom achten bis zum sechzehnten Jahrhundert ringt sich das Gedankenerlebnis aus dem Inneren des Selbstbewusstseins los und lässt neben seiner Keimkraft die andere der Offenbarung bestehen. Von dem sechzehnten Jahrhundert an ist es das Naturbild, welches das Gedankenerlebnis aus sich hinausdrängt; es sucht fortan das Selbstbewusstsein aus seinen eigenen Kräften dasjenige zu holen, was ein Weltanschauungsbild mit Hilfe des Gedankens gestalten kann. Vor dieser Aufgabe fand sich Descartes. Es fanden sich vor ihr die Denker der neuen Weltanschauungsepoche.
Benedict Spinoza (1632-1677) fragt sich: Wie muss dasjenige gedacht werden, von dem zur Schöpfung eines wahren Weltbildes ausgegangen werden darf? Diesem Ausgangspunkte liegt zugrunde die Empfindung: Mögen sich ungezählte Gedanken als wahr in meiner Seele ankündigen, ich gebe mich dem hin als Grundstein zu einer Weltanschauung, dessen Eigenschaften ich erst bestimmen muss.
Spinoza findet, dass ausgegangen nur werden kann von dem, das zu seinem Sein keines andern bedarf.
Diesem Sein gibt er den Namen Substanz. Und er findet, dass es nur eine solche Substanz geben könne, und dass diese Gott sei. Wenn man sich die Art ansieht, wie Spinoza zu diesem Anfang seines Philosophierens kommt, so findet man seinen Weg dem der Mathematik nachgebildet. Wie der Mathematiker von allgemeinen Wahrheiten ausgeht, die das menschliche Ich sich freischaffend bildet, so verlangt Spinoza, dass die Weltanschauung von solchen frei geschaffenen Vorstellungen ausgehe. Die eine Substanz ist so, wie das Ich sie denken muss. So gedacht, duldet sie nichts, was, außer ihr vorhanden, ihr gleich wäre. Denn dann wäre sie nicht alles; sie hätte zu ihrem Dasein etwas anderes nötig. Alles andere ist also nur an der Substanz, als eines ihrer Attribute, wie Spinoza sagt. Zwei solcher Attribute sind dem Menschen erkennbar. Das eine erblickt er, wenn er die Außenwelt überschaut; das andere, wenn er sich nach innen wendet. Das erste ist die Ausdehnung, das zweite das Denken. Der Mensch trägt in seinem Wesen die beiden Attribute; in seiner Leiblichkeit die Ausdehnung, in seiner Seele das Denken.
Aber er ist mit beiden ein Wesen in der einen Substanz. Wenn er denkt, denkt die göttliche Substanz, wenn er handelt, handelt die göttliche Substanz. Spinoza erwirbt für das menschliche Ich das Dasein, indem er dieses Ich in der allgemeinen, alles umfassenden göttlichen Substanz verankert. Von unbedingter Freiheit des Menschen kann da nicht die Rede sein. Denn der Mensch ist so wenig selbst dasjenige, das aus sich handelt und denkt, wie es der Stein ist, der sich bewegt; es ist in allem die eine Substanz. Von bedingter Freiheit nur kann beim Menschen dann gesprochen werden, wenn er sich nicht für ein selbständiges Einzelwesen hält, sondern wenn er sich eins weiß mit der einen Substanz. Spinozas Weltanschauung führt in ihrer konsequenten Ausbildung in einer Persönlichkeit bei dieser zu dem Bewusstsein: Ich denke über mich im rechten Sinne, wenn ich mich nicht weiter berücksichtige, sondern in meinem Erleben mich eins weiß mit dem göttlichen All. Dieses Bewusstsein gießt dann, im Sinne Spinozas, über die ganze menschliche Persönlichkeit den Trieb zum Rechten, das ist gotterfülltes Handeln. Dieses ergibt sich wie selbstverständlich für denjenigen, in dem die rechte Weltanschauung volle Wahrheit ist. Daher nennt Spinoza die Schrift, in der er seine Weltanschauung darstellt, Ethik. Ihm ist Ethik, das ist sittliches Verhalten, im höchsten Sinne Ergebnis des wahren Wissens von dem Wohnen des Menschen in der einen Substanz. Man möchte sagen, das Privatleben Spinozas, des Mannes, der erst von Fanatikern verfolgt wurde, dann nach freiwilliger Hinweggabe seines Vermögens in Ärmlichkeit als Handwerker sich seinen Lebensunterhalt suchte, war in seltenster Art der äußere Ausdruck seiner Philosophenseele, die ihr Ich im göttlichen All wusste, und alles seelische Erleben, ja alles Erleben überhaupt von diesem Bewusstsein durchleuchtet empfand.
Spinoza baut ein Weltanschauungsbild aus Gedanken auf. Diese Gedanken müssen so sein, dass sie aus dem Selbstbewusstsein heraus ihre Berechtigung zum Aufbau des Bildes haben. Daher muss ihre Gewissheit stammen. Was das Selbstbewusstsein so denken darf, wie es die sich selbst tragenden mathematischen Ideen denkt, das kann ein Weltbild gestalten, das Ausdruck ist dessen, was in Wahrheit hinter den Welterscheinungen vorhanden ist.
In einem ganz anderen Sinne als Spinoza sucht Gottfried Wilhelm v. Leibniz (1646-1716) die Rechtfertigung des Ich-Bewusstseins im Dasein der Welt. Sein Ausgangspunkt gleicht dem des Giordano Bruno, insofern er