Rudyard Kipling - Gesammelte Werke. Rudyard Kipling
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Rudyard Kipling - Gesammelte Werke - Rudyard Kipling страница 127
»Ja, ich will kommen!« sagte Athira.
»Sag lieber: ›Wir‹ werden kommen!« rief Suket Singh.
»Ai! Gut, aber wann?« fragte Athiras Bruder.
»Eines Tages, sehr früh am Morgen«, versprach Suket Singh und marschierte im Paradeschritt zum Oberst Sahib Bahadur, um sich einen Urlaub zu erbitten.
»Ich verdorre wie der Ast eines gefällten Baumes im Frühjahr«, jammerte Athira.
»Es wird dir bald besser gehen«, tröstete sie Suket Singh; und er gestand ihr heimlich, was er vorhatte, und sie lachten und kosten miteinander, denn sie liebten sich beide heiß. Von Stund an ging es besser mit Athira.
Dann reisten sie zusammen fort - fuhren dritter Klasse mit der Bahn, solange es Schienen gab, später in einem Karren die niedrigeren Vorberge hinauf und wanderten zu Fuß auf die höheren. Athira sog den Tannenduft ihrer heimatlichen Berge ein - der feuchten Himalajaberge. »Wie schön ist es doch, zu leben!« sagte sie.
»Heda! Du!« fragte Suket Singh einen Mann, »wo liegt die Straße nach Kodru und wie kommt man zu dem Haus des Waldhüters?«
»Hat vor zwölf Jahren vierzig Rupien gekostet«, sagte der Waldhüter und reichte dem Sepoy eine Flinte hin.
»Hier hast du zwanzig«, sagte Suket Singh, »aber du mußt mir die besten Kugeln geben!«
»Es ist unendlich schön, zu leben«, sagte Athira sehnsüchtig und sog den Harzduft eines Tannengehölzes ein; und dann warteten sie, bis sich die Nacht herabsenkte auf Kodru und Donga Pa. Madu hatte, um am nächsten Tag Kohle zu brennen, auf der Anhöhe über seinem Haus dürres Holz aufgetürmt. »Es ist hübsch von ihm, daß er uns die Mühe erspart hat«, sagte Suket Singh, als er in der Dunkelheit gegen den zwölf Fuß breiten und vier Fuß hohen Scheiterhaufen anrannte. »Wir müssen warten, bis der Mond aufgeht.«
Als der Mond aufgegangen war, bestieg Athira den Holzstoß und kniete nieder. »Wenn es nur wenigstens ein Regiments-Snidergewehr wäre«, sagte Suket Singh bekümmert mit einem Scheelblick auf den mit Draht umwickelten Lauf der Flinte des Waldhüters.
»Beeile dich«, sagte Athira. Und Suket Singh beeilte sich. Athira beeilte sich in diesem Leben nicht mehr!
Dann zündete er den Scheiterhaufen an den vier Ecken an, da, wo dürre Zweige herausragten. »Man sollte im Regiment lernen, wie man ein Gewehr mit den Zehen abschießt!« sagte er grimmig zum Mond hinauf. Das war die letzte Bemerkung des Sepoys Suket Singh.
Eines Tages, früh am Morgen, kam Madu zu dem Feuerbrand, erschrak sehr und lief fort, um den Polizeimann zu holen, der gerade in der Umgebung die Runde machte.
»Dieser Auswurf von einem Menschen hat mir für vier Rupien Kohlenholz verbrannt«, schimpfte er, »und meine Frau getötet. Und einen Brief hat er an eine Tanne gebunden. Ich kann nicht lesen.«
In der steifen, pedantischen Schrift, die in den Regimentern gelehrt wird, hatte der Sepoy Suket Singh folgendes geschrieben:
»Man verbrenne uns zusammen, falls noch Reste von uns übrig sein sollten; wir haben die vorgeschriebenen Gebete verrichtet. Madu und Malak, den Bruder Athiras, haben wir verflucht; sie sind beide böse Menschen. Dem Oberst Sahib Bahadur sende man meine Empfehlung.«
Lang und versonnen blickte der Polizeimann auf das Ehebett aus roter und weißer Asche, auf dem, schwarzgebrannt, der Gewehrlauf des Waldhüters lag. Geistesabwesend stieß er mit seiner bespornten Ferse in einen halbverkohlten Balken und prasselnde Flammen züngelten hoch. »Ein ganz sonderbares Volk!« murmelte er.
»Hju, ju, oui, oui«, sagten die kleinen Flammen.
Dann notierte der Polizeimann mit dürren Worten die Tatsachen in sein Dienstbuch, denn die Regierung liebt romantische Phrasen nicht.
»Und wer wird mir meine vier Rupien bezahlen?« fragte Madu.
»Köpfe«
Ein Verbrecher mehr im Zentral-Zuchthaus
Hinterm alten Wall von Lehm:
Ein Dieb weniger vorn, an der Front da drauß,
Und des Reichs Ruh über all dem,
Ihr Jungs,
des Reichs Ruh über all dem!
Denn wir tragen ja allein unsres Führers Schand
Auf uns fällt so Schuld, wie Fem,
Wenn die Hand wir tun vom geknebelten Land:
Ihr Jungs,
denn des Reichs Ruh über all dem,
Des Reichs Ruh über all dem!
I
Unversehens, urplötzlich hatte der Indus Hochwasser gebracht. Die Nacht vorher noch war er so seicht gewesen, daß man ihn bequem durchwaten konnte, eine Nacht später: und tosende Wassermassen, schmutzig und trüb, fünf Meilen breit, hatten die Sandbänke verschlungen und Uferdämme und Gelände weggerissen. Eine Sänfte, getragen von sechs bärtigen Männern, denen man ansah, daß sie an solche Arbeit nicht gewöhnt waren, machte halt auf dem weißen Sand, der die schimmernde Fläche begrenzte.
»Es ist Gottes Wille«, sagten sie. »Nicht einmal in einem Boot könnten wir wagen, überzusetzen. Zünden wir ein Feuer an und kochen wir das Essen; wir bedürfen der Ruhe.«
Sie spähten in die Sänfte; drin, von Fieber geschüttelt, lag sterbend der Deputatskommissar des Bezirkes Kot-Kumharsen. Sie hatten ihn hergetragen übers Land, die sechs Tapfern eines kriegerischen Grenzstammes, den er zu friedlicher Beschäftigung bekehrt hatte, ehe er selbst zusammengebrochen war am Fuße ihrer unwirtlichen Berge. Tallantire, sein Assistent, war neben ihnen hergeritten, bekümmert im Herzen und die Lider schwer von lange entbehrtem Schlaf. Drei Jahre hatte er unter dem Kranken gedient und ihn lie ben gelernt, wie Menschen, die ein hartes Leben zusammenführt, einander lieben lernen oder - hassen. Er beugte sich aus dem Sattel, hielt die Vorhänge der Sänfte auseinander und lugte hinein:
»Orde - Orde, alter Freund, hören Sie mich? Wir müssen warten, bis das Hochwasser fällt; eine böse Bescherung.«
»Ich höre«, kam's in leisem Flüsterton zurück. »Warten wir, bis das Wasser fällt. Ich glaubte, wir würden das Lager erreichen, ehe die Dämmerung anbricht. Polly weiß, daß ich komme; sie will mich noch einmal sehen.«
Einer der Sänftenträger starrte über den Fluß und erspähte ein kleines funkelndes Licht drüben in weiter Ferne. »Dort ist das Lagerfeuer und sein Weib«, raunte er Tallantire zu, »sie werden in der Frühe herüberfahren, denn sie haben gute Boote, Kann er so lange leben?«
Tallantire schüttelte den Kopf. Yardley-Orde rang bereits mit dem Tode; wozu seine Seele quälen mit Hoffnung auf eine Zusammenkunft, die doch nie mehr stattfinden würde?! Der Strom gurgelte an den Dünen, riß eine Sandklippe ein und brauste wie ein hungriges Ungetüm. Die Sänftenträger suchten nach trockenem Reisig in dem Gestrüpp der Kameldornbüsche; ihre Schwertgürtel klirrten, wie sie so dahinschlichen im nebligen Mondlicht; und Tallantires Pferd hustete, um anzudeuten, es wünsche eine wärmende Decke.
»Auch