Rudyard Kipling - Gesammelte Werke. Rudyard Kipling

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abzusenden. Der Vizekönig mischt sich nicht gern persönlich und direkt in Sachen, die eigentlich den Provinzgouvernements unterstehen, und betont immer, er erteile lediglich seinen Rat. Was die Rassenfrage betraf, so war Mr. Grish Chunder Dé im Grunde noch viel mehr Engländer, und zu alldem mit einem sympathischen Wesen und einem Tiefsinn ausgestattet, der ihn zum Besten stempelte im besten aller Regierungsämter der Welt.

      Die ernsten, schwarzbärtigen Könige, die den Großen Indischen Rat bilden, gaben die verschiedensten Meinungen kund über den Vorschlag, aber schließlich, wie üblich, erhoben sie den Vizekönig ekstatisch in den siebenten Himmel und ließen ihre nur kindischerweise vorgebrachten Einwände fallen.

      »Im Prinzip ist es sehr richtig«, sagte das schläfrig blickende Oberhaupt der Roten Provinzen, in denen Kot-Kumharsen lag, denn es war ein ausgesprochener Anhänger aller Prinzipien. »Die einzige Schwierigkeit wäre nur -«

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      »Ach was!« rief der »Ritter des Gezückten Schwertes« mit der offenherzigen Brutalität dazwischen, die noch jedes Oberhaupt der Roten Provinzen in seinen Grundfesten erschüttert hat - »ach was! Man bürdet ganz einfach die Verantwortung an dem Zeugs irgendeinem Unterbeamten auf, gibt dem Dé links und rechts je einen handfesten Kommissar an die Seite, unterstützt ihn mit dem tüchtigsten Assistenten der Gegend, seift vor allem das Volk genügend ein mit der ›Furcht vor Gott, dem Herrn‹, und wenn's dann noch schiefgehen sollte, sagt man eben: seine Kollegen sind schuld und haben ihm nicht genug beigestanden. Schließlich ist ja der Bezirksleiter immer der Sündenbock; wozu ist er denn da?« Die Folge der Rede war ein allgemeines stillschweigendes Einverständnis. Es sprach doch alles dafür!

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      »Wann wird denn der Mensch endlich seine Stellung antreten? Ich bin immer noch ganz allein hier und man munkelt, ich soll sein Unterbeamter bleiben.«

      »Möchten Sie vielleicht um Versetzung einkommen?« fragte Bullows scharf.

      Dann legte er seine Hand auf Tallantires Schulter: »Wir sitzen doch alle im selben Kahn; reißen Sie gefälligst nicht aus. Andererseits freilich, wenn Sie einen bessern Posten kriegen können, was sollte sie hindern?« »Der Umstand, daß früher Orde hier regiert hat«, sagte Tallantire schlicht.

      »Gut. Aber jetzt macht's der Dé. Er ist ein Bengali, angefüllt bis zum Hals mit Gesetzbuch und Paragraphen und überhaupt ein Prachtkerl, was Erfahrung und Schubladenarbeit anbetrifft; auch plaudert sich's mit ihm sehr nett. Be greiflicherweise hat man ihn bisher in seinem Heimatsbezirk belassen, wo alle seine Schwestern zu Hause sind und seine Vettern und Tanten - irgendwo da unten im Süden von Dacca. Eigentlich hat er die ganze Gegend in eine nette Familiensinekure verwandelt, seinen Angestellten niemals dreingeredet und jedermann Gelegenheit zum stibitzen gelassen. Infolgedessen ist er ungeheuer beliebt da unten.«

      »Damit will ich nichts zu schaffen haben. Aber sagen Sie mir, wie soll ich unserm Bezirk klarmachen, daß ein Bengali hier die Herrschaft kriegt? Meinen Sie - besser gesagt: meint die Regierung, daß die Khusru Kheyl so etwas ruhig hinnehmen? Was werden die mohammedanischen Häuptlinge der Dörfer sagen? Wie werden die Polizisten der Muzbi Sikhs und der Pathans unter Mr. Dé funktionieren? Wir müssen uns ja fügen, wenn man einen Universitätspedell zum Oberhaupt ernennt, aber das Volk wird aufmucken, das wissen Sie ganz genau. Es ist eine hirnverbrannte Idee.«

      »Mein lieber Junge, ich weiß das alles und noch ein bißchen mehr. Ich habe meine Bedenken vorgebracht, aber man sagte mir, es seien ›knabenhafte‹ Vorurteile. Gott gebe, daß die Khusru Kheyl sich mit dem Vorwurf begnügen, ich kennte das Grenzland und seine Gebräuche nicht! Unsere einzigen Chancen sind, daß Sie zur Zeit noch den Bezirk fest in der Hand haben; ich meinerseits lasse alles liegen und stehen und helfe Ihnen, durchzuhalten. Ich verlange gar nicht, daß Sie mit dem Bengali durch dick und dünn gehen. Aber: tun Sie Ihr Bestes, lediglich um Ihrer selbst willen.«

      »Um Ordes willen tat ich's vielleicht. Um mein persönliches Interesse schere ich mich keinen Pfifferling.«

      »Seien Sie kein Esel! Die Sache steht, weiß Gott, traurig genug; die Regierung wird es später schon einsehen. Wozu jetzt murren? Ihre Sache ist's, den Bezirk in der Hand zu behalten; Ihre Sache, die Khusru Kheyl zu besänftigen und dem Curbar von der Polizei einzuschärfen, ein wachsames Auge auf alles zu haben. Ich bin jederzeit telegraphisch erreichbar und setze, wenn nötig, meinen Ruf aufs Spiel, wenn es darauf ankommt, den Bezirk zusammenzuhalten. Glückt Ihnen die Sache, dann wird allerdings er den Ruhm einheimsen; geht's schief, wird man sagen, daß Sie ihn nicht ausreichend unterstützt hätten.«

      »Ich weiß, welche Last man mir aufgebürdet hat«, sagte Tallantire traurig, »aber ich will ans Werk gehen. Es ist schwer.«

      »Die Arbeit ist unser; der Erfolg steht bei Allah - wie Orde zu sagen pflegte, wenn ihm das Wasser in die Nase lief« - das waren Bullows letzte Worte, ehe er wegritt.

      Daß zwei Gentlemen im Zivildienste Ihrer Majestät derart über einen dritten, der ebenfalls im Staatsdienst stand, sprechen konnten, zumal es sich um einen kultivierten und fähigen Mann handelte, mag seltsam und betrüblich erscheinen, aber man höre erst, was der blinde Mullah in Jagai, der Priester der Khusru Kheyl, für Reden hielt, wenn er auf seinem Felsen saß, von dem aus man über die ganze Grenze hinüberblicken konnte. Vor etwa fünf Jahren hatte ihm eine platzende Granate einer Batterie Erde in das Gesicht gespritzt, als er gerade einen Überfall der Ghazts auf ein halbes Dutzend britischer Bajonnette in Szene setzte; die Folge war, daß er erblindete, was ihn den Engländern gegenüber noch mehr in Harnisch brachte. Orde erfuhr damals von seinem Mißgeschick und lachte ihn deshalb - aus guten Gründen - öffentlich mehrmals aus.

      »Hunde seid ihr«, sagte der blinde Mullah zu den aufhorchenden Stammeshäuptlingen am Lagerfeuer. »Verprügelte Hunde! Ihr habt auf Orde Sahib gehört und ihn Vater genannt; ihr habt euch benommen wie seine Kinder. Die britische Regierung hat jetzt bewiesen, wie sie euch einschätzt. Ihr wißt: Orde Sahib ist tot.«

      »Ai! Ai! Ai!« klagte ein halbes Dutzend Stimmen.

      »Ja, er! Er war ein Mann! Aber wer, glaubt ihr wohl, kommt jetzt an seine Stelle? Ein Bengali aus Bengalen - ein Fischfresser aus dem Süden!«

      »Das ist eine Lüge!« sagte Khoda Dad Khan. »Wenn du dich noch länger als Priester patzig machst, stoß ich dir meinen Gewehrkolben in den Hals.«

      »Oho, bist du auch da, du englischer Speichellecker?« höhnte der Mullah. »Geh nur morgen über die Grenze hinüber und biete deine Dienste dem Nachfolger Orde Sahibs an. Aber vergiß nicht, vor dem Zelteingang deine Schuhe auszuziehen! Es ist das Sitte, wenn man ein Geschenk in die schwarze Pfote eines Bengalen legt. Ich weiß das! In meiner Jugend hätte man einem Burschen den Gewehrkolben in den Hals gerannt, wenn er gewagt hätte, einen Mullah zu schmähen, der die Tür zu Himmel oder Hölle in der Hand hat.«

      Der blinde Mullah haßte Khoda Dad Khan, wie nur ein Afghane hassen kann, denn beide waren Rivalen um die Vorherrschaft über den Stamm: den einen fürchtete man wegen seiner körperlichen Eigenschaften, den anderen wegen seiner geistigen. Khoda Dad Khan warf einen Blick auf Ordes Ring und grunzte: »Morgen gehe ich hin. Ich bin kein solcher Narr, Krieg gegen die Engländer zu predigen. Aber, wenn die Regierung wirklich verrückt geworden ist, dann -«

      »Was dann?« krächzte der Mullah, »wirst du dann die jungen Leute aufrufen und die vier Dörfer im Grenzland besetzen?«

      »Oder vielleicht dir wegen Verbreitung von Lügen den Kragen umdrehen, du schwarzer Rabe der Hölle!«

      Khoda Dad Khan ölte sorgfältig seine langen Locken, zog seinen

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