Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

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Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen Das Vermächtnis aus der Vergangenheit

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Mutter bleibt am Bettende stehen und sieht angestrengt aus dem Fenster. Sie kann die Fassade der Gutgelaunten nicht länger aufrechterhalten.

      Ich werde nervös. „Ist alles bei euch in Ordnung?“, frage ich und sehe bei meiner Mutter sofort die Tränen schießen.

      „Sie lassen uns nicht zu Julian. Ich muss doch mit meinem Jungen sprechen dürfen“, schluchzt sie auf. Dann fängt sie an zu weinen. „Was haben wir denn nur falsch gemacht? Wir wollten doch immer nur das Beste.“

      Mein Vater legt tröstend seinen Arm um ihre Schulter.

      „Das wird schon wieder, Mama“, versuche ich sie zu beruhigen.

      Allerdings finde ich es nicht gerade angebracht, hier bei mir aufzulaufen und sich darüber zu beschweren, dass sie bei ihrem heißgeliebten Julian kein Gehör finden. Scheinbar gibt es in ihrer Welt keinen Messerschnitt in meinen Hals mehr, und auch keine mit irgendwelchen Mitteln Betäubte und Verschleppte, und keinen angefahrenen und verprügelten Tim. Alles weg. Es scheint nur noch den armen, gefangenen Julian in ihrer Welt zu geben.

      Verdammt! Es ist zum Kotzen.

      „Ich habe leider gerade ein Schlafmittel bekommen, weil ich heute Nacht nicht gut geschlafen habe“, sage ich entschuldigend. „Tut mir echt leid, dass ihr umsonst gekommen seid, aber ich befürchte, ich werde gleich einschlafen.“ Ich gähne herzhaft und sehe meinen Vater an, der meinen Blick erwidert, als wüsste er genau, was ich vorhabe. Scheinbar ist seine Welt noch nicht ganz so zugepflastert mit unangebrachtem Wunschdenken. Aber ich bin auch seine Tochter. Sein einziges Kind. Julian ist schließlich von einem anderen.

      Noch mal verdammt. Was ist das alles für eine Scheiße! Wieder erhebt sich vor meinem inneren Auge der Schrecken, der jeden in den vergangenen Generationen erst durch eine unwirkliche Liebe und dann durch die Hölle schickte.

      An meine Mutter gewandt, sagt er in fürsorglichem Ton: „Sophie, dann gehen wir jetzt besser. Frische Luft wird dir guttun und wir könnten ein bisschen am See spazieren gehen, damit du wieder auf andere Gedanken kommst. Dann kann Carolin sich noch ausruhen und schlafen. Sie soll doch schnell wieder gesund werden.“

      „Was haben wir nur falsch gemacht?“, jammert meine Mutter wieder und sieht meinen Vater aus verheulten Augen fragend an.

      Er nimmt sie am Arm und führt sie hinaus wie ein Kind.

      Ich bin mir nicht mal sicher, ob meine Mutter das überhaupt registriert. Immer wieder stammelt sie, was sie denn falsch gemacht hätten und hat mich scheinbar vergessen.

      An der Tür dreht sich mein Vater noch einmal um und nickt mir entschuldigend zu. Er weiß, dass ich das alles nicht auch noch gebrauchen kann.

      Ich schenke ihm ein aufmunterndes Lächeln, damit er hoffentlich erkennt, dass ich zumindest klarkomme. Irgendwie.

      Keine zwei Minuten später kommt eine Schwester in mein Zimmer gerauscht und fragt, ob alles in Ordnung ist. Sie sieht mich besorgt an und ich nicke nur, als Tim hinter ihr in der Tür erscheint und langsam ins Zimmer tritt.

      Ich starre ihm entgegen wie einem Gespenst. Plötzlich habe ich Angst vor ihm und meinen Gefühlen, die sofort wieder hochpeitschen.

      Die Schwester wirft ihm einen Gruß zu und scheint erleichtert zu sein, dass ich Besuch bekomme, der mich von meinen völlig durchgedrehten Eltern ablenkt. Schnell geht sie an ihm vorbei und schließt die Tür hinter sich.

      „Hallo!“, sagt Tim leise und kommt an mein Bett. „Du siehst schrecklich blass aus. Ist etwas passiert?“ Auch er wirkt besorgt. Hatte er meine Eltern im Gang gesehen?

      Ich nicke nur und lege mich auf die Seite, die Decke bis unters Kinn ziehend.

      Tim setzt sich auf den Stuhl und ich bin froh darüber. Wir dürfen nicht da weitermachen, wo wir aufgehört haben.

      „Sagst du mir, was los ist?“, fragt er und wirkt verunsichert. Ihm ist scheinbar mein abwehrendes die Decke unters Kinn ziehen nicht entgangen.

      Was soll ich ihm sagen? Momentan fühlt sich alles verworren und falsch an.

      „Wir dürfen das nicht“, raune ich leise und in meinem Inneren kocht Unwillen gegen meine eigenen Worte hoch.

      „Was dürfen wir nicht?“, fragt er irritiert. Seine schwarzen Augen scheinen mich durchleuchten zu wollen.

      „Wir können nicht immer so übereinander herfallen. Das ist nicht normal“, raune ich und ziehe die Decke noch höher. „Nicht mal, dass wir verletzt sind lässt uns vernünftig sein. Das ist doch alles nicht echt, oder?“

      Es dauert, bis er endlich antwortet. „Ich weiß, was du meinst. Da ist etwas in uns, was uns völlig durchdrehen lässt“, murmelt er.

      Einige Minuten sehen wir uns nur an, unschlüssig, was die Schlussfolgerung sein soll. Aber in mir bricht etwas in Panik aus bei dem Gedanken, dass eine angebrachte Schlussfolgerung nur das Ende für uns sein kann.

      Tim bricht das erneute Schweigen als erstes. Seine Worte kriechen barsch über seine Lippen und seine Augen sehen mich angriffslustig an. „Carolin, ich bin von Wolfsburg extra hierhergekommen, um dich zu finden. Ich habe von dir geträumt. Ehrlich! Immer wieder. Da ist es doch egal, was der wirkliche Grund ist, was uns zusammengebracht hat. Wichtig ist doch nur, dass es so ist.“

      Puh! Ich atme auf und weiß doch, das bringt uns nicht weiter.

      „Aber glaubst du, das ist wirklich echt mit uns?“, frage ich und hoffe, er weiß eine geistreiche Antwort, die alle meine Bedenken beiseiteschiebt. Ich will hören, dass es Liebe ist, eine unglaublich tiefe Liebe, die alles andere in den Schatten stellt und für die Ewigkeit gemacht ist.

      „Keine Ahnung“, antwortet er unschlüssig. Er setzt sich vor und sieht mich eindringlich an. „Carolin, lass es uns doch einfach herausfinden. Du fühlst das doch auch? Schon an der Waldhütte und heute Vormittag. Wir sind füreinander geschaffen. Glaub mir, wir gehören zusammen!“

      Mir bleibt fast die Luft weg und ich plumpse in die Realität.

      „Genau das meine ich. Wurden wir geschaffen, um etwas auf den Weg zu bringen, dass Kurt Gräbler in der Vergangenheit heraufbeschwor, und das uns nun manipuliert?“

      Tim springt von seinem Stuhl auf und ich zucke erschrocken zusammen.

      „Blödsinn! Ich träume nicht mehr von ihm und wir haben Julians Auferstehungsversuch überlebt. Das ist unglaublich! Ich habe immer gedacht, dass wir als Totgeweihte dem gar nicht entfliehen können. Aber wir leben! Beide! Und jetzt wollen wir nur noch eins … zusammen sein. Du spürst das genauso wie ich, Carolin. Das hat nichts mehr mit dem Alchemisten zu tun.“

      Ich sehe ihn nur verunsichert an. Wir hatten nie wirklich über alle seine Träume gesprochen. Ich weiß nur, dass er von unserem Tod durch Julian geträumt hat, und das wäre fast geschehen. Außerdem hatten seine Träume ihm scheinbar die tiefe Zuneigung zu dieser Sonja aus Kurt Gräblers Leben gezeigt. Was ist, wenn seine Liebe eigentlich ihr gilt und er mich nur als Ersatz sieht?

      Tim tritt an mein Bett und greift nach meiner Hand, sich auf meine Bettkante setzend. „Bitte, lass es uns einfach herausfinden. Ich weiß, deswegen bin ich hier. Deswegen haben wir uns gefunden.“ Seine schwarzen Augen funkeln mir entgegen. „Ich spürte das von Anfang an und ich will nichts

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