Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

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Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen Das Vermächtnis aus der Vergangenheit

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bestimmt. Und ich möchte wissen, was mit seinen anderen Kindern ist. Ob die auch Träume haben, die nicht ihre eigenen sind.“

      Daran habe ich noch nie gedacht. Vielleicht sind sie die nächste Generation? Was für ein schrecklicher Gedanke. Sollte es so sein, müssen wir das Ganze ein für alle Male stoppen. Wie auch immer.

      „Gut, dann lass uns das abwarten“, sage ich und spüre, wie etwas in meinem Inneren schwermutig wird. Ich bin nicht überzeugt, dass ich das Richtige tue. Ich habe Angst, dass Tim sich deswegen von mir abwenden könnte und sich eine andere sucht. Was hatte er gesagt? Er glaubt, mit mir wird es etwas Besonderes sein, nicht wie bei all den anderen. Für Tim ist Sex kein Neuland wie für mich.

      Diese Erkenntnis ist nichts für meine schwachen Nerven. Lasse ich nur eine Sekunde zu, Tim in den Armen einer anderen zu wissen, dann bleibt mir die Luft weg und etwas bäumt sich in mir wie ein Wildpferd auf.

      „Okay, wenn du meinst?“, raunt er. Aber ich sehe ihm an, wie wenig begeistert er ist. „Aber einen Abschiedskuss?“, bittet er.

      Ich bin mir nicht sicher, ob er wirklich bereit ist, sich auf den Deal einzulassen. Seine Augen sagen etwas anderes. Aber ich will nichts mehr, als ihn noch einmal küssen. Ein letztes Mal und dann werden wir sehen, was er bei seinem Vater herausfindet und danach entscheiden, wie es mit uns weitergeht. Ich male mir schon aus, wie er mich zu beruhigen schafft, alle Bedenken auslöscht und wir einen Neuanfang starten, der nichts mit unseren verworrenen Gefühlen an der Waldhütte gemein hat, an der Tim einfach nur verstört und wie getrieben wirkte. Außerdem sollen sie auch nichts mit dem hier im Krankenhaus gemein haben, wo er fast über mich herfiel, wie es ihm gerade in den Sinn kam. Jetzt hoffe ich auf einen gefühlvollen Neubeginn, der nicht nur so wirkt, als suchten wir ein Ventil zum Druckablassen. Das wirkt mir alles nicht ehrlich genug.

      Tim kommt in einem bedächtigen Raubtiergang auf mich zu und seine Augen sprühen schon wieder vor Verlangen. Er umschließt mein Kinn mit seiner Hand und seine Lippen legen sich auf meine, während seine andere Hand sich in meinen Nacken schiebt. Seine Zunge drängt an meine.

      Ich erwidere seinen Kuss. Nicht mehr so überschwänglich leidenschaftlich, sondern sachte und hingebungsvoll. Da es unser letzter Kuss ist, will keiner ihn beenden. Und dann spüre ich wieder die Hitze durch meine Adern schießen und in meinem Unterleib zieht sich fast alles schmerzlich zusammen. Im gleichen Augenblick reißt Tim sich von mir los und sieht mich mit glänzenden Augen benommen an. „Es wird mir unendlich schwer fallen … deine freundschaftliche Tour“, raunt er. „Und darum gehe ich jetzt. Sonst kann ich mich nicht länger zusammenreißen. Du, ein Bett und Küsse … das kriege ich nicht hin.“ Tim lacht nervös. „Auch, wenn ich versuchen werde mich an unser Abkommen zu halten.“

      Er geht an meinem Bett vorbei zur Tür, dreht sich noch einmal um, wirft mir einen Handkuss zu und verschwindet.

      Die Entscheidung

      Tim ist weg.

      Ich starre auf die Tür, die hinter ihm ins Schloss fiel und lasse mich innerlich aufgewühlt auf mein Kissen zurückfallen. Nur langsam beruhigen sich meine Nerven wieder. Tim hat die Flucht angetreten, und das ist gut so. Nur so können wir das in den Griff bekommen. Denn so sehr ich auch dagegen ankämpfe, ich will endlich meinen Gefühlen und dem Drang meines Körpers nachgeben. Ich weiß nur noch nicht, ob es wirklich Tim sein soll.

      Erneut hatte mich seine Art verunsichert und ich will einfach ehrliche Gefühle. So wie die von Marcel.

      Mit unserer Abmachung habe ich mir einen Raum geschaffen, der mich nicht mehr verpflichtet ihm von Tim zu erzählen. Schließlich werden wir nichts Verbotenes mehr machen. Tim ist ein Freund. Mehr nicht.

      Ich kann beruhigt aufatmen und mich in der Gewissheit suhlen, dass ich somit keinen von beiden verliere, bis ich mir wirklich sicher bin. Alles ist wieder in Ordnung. Zumindest vorerst.

      Tatsächlich schaffe ich es, einen annähernd ruhigen Nachmittag zu verbringen und schlafe sogar einige Zeit. Irgendwann bringt mir eine Schwester einen Tee und ein Stück Kuchen, das ich hungrig verschlinge. Ich fühle mich nicht nur körperlich besser, sondern auch mein Innerstes scheint sich mit den neuen Begebenheiten einigermaßen wohlzufühlen. Auch wenn ich immer wieder kleinere Anwandlungen unterdrücken muss, die mich in Tims Armen sehen wollen und eine Sehnsucht nach seinen Küssen mich durchflutet, bin ich doch froh, dass wir dieses Abkommen getroffen haben. Ich kann besser damit umgehen, Tim als Freund in meinem Leben zu wissen und weiter vor mich hinzuschmachten, als mich ihm mit dem Wissen, dass es falsch sein kann, hinzugeben und Marcel wegstoßen zu müssen. Denn das kann ich auch nicht ertragen. In meinem Inneren spüre ich immer noch eine schleichende Angst, vielleicht irgendwann festzustellen, dass meine Gefühle zu ihm nicht echt waren. Oder seine zu mir, was mich noch viel schwerer treffen würde. So muss es bei den anderen Generationen gewesen sein, und das Ergebnis sind wir.

      Es klopft und meine Tür geht vorsichtig auf. Christiane lugt ins Zimmer und grinst mich an. „Man weiß ja nie, was du gerade wieder treibst“, ruft sie und springt übermütig an mein Bett. „Alles klar bei dir? Du siehst schon besser aus.“

      Ich nicke und grinse zurück. „Sicher! Ich habe auch schön geschlafen.“

      „Schön geschlafen? Mit wem?“, fragt sie und wirft sich auf den Stuhl, immer noch breit grinsend.

      „Nah, was denkst du von mir?“, brumme ich entrüstet und setze mich auf.

      „Denken? Ich hatte heute schon das Vergnügen, dich in einer recht stürmischen Umarmung zu erleben. Danke auch. Ich dachte mir, ich komme lieber vorsichtig ins Zimmer, auf alles gefasst.“

      Es ist wieder wie in alten Zeiten und tut gut. Alles ist vergessen … unsere Streitereien und der Einfluss von Julian, der fast unsere Freundschaft zerstört hatte.

      „Oh Mann! Das ist geklärt“, antworte ich und tue so, als wäre mir das Ganze echt peinlich. „Tim und ich werden die Finger voneinander lassen.“

      Christiane rutscht entrüstet bis auf die vorderste Kante des Stuhles, um mich mit bösem Blick besser fixieren zu können. „Warum das denn?“, schießt es aus ihren schmalen Lippen hervor.

      Ich überlege, wie weit ich sie über meine Bedenken gegenüber Tim und unseren Gefühlen zueinander einweihen soll. Dann entscheide ich mich dafür ihr meine Angst, bezüglich Kurt Gräblers Macht über seine nachfolgenden Generationen, mitzuteilen. Ich beende meine Ausführungen mit den Worten: „… und da wir nicht wissen, was alle anderen Paare trieb, möchte ich erst Klarheit haben. Stell dir vor, alle haben sich nur in diesen seltsamen Konstellationen zusammengefunden, weil dieser Alchemist einen Weg gefunden hatte, seine Blutlinie immer wieder zusammenzuführen, weil er die daraus entstehenden Kinder braucht. Dann möchte ich das auf gar keinen Fall fortführen.“

      „Ach, das kann es doch gar nicht geben. Ich würde deswegen doch nicht so einen leidenschaftlichen und gutaussehenden Typen von der Bettkante schubsen. Und es gibt doch genug zum Verhüten.“ Christiane denkt wie immer recht pragmatisch.

      „Woher willst du wissen wie leidenschaftlich Tim ist?“, frage ich schnippisch, weil Christiane mich wieder mal nicht ernst nimmt.

      „Poor, weißt du wie der über dich hergefallen ist? Deshalb dachte ich auch, ich wäre im falschen Zimmer. Hier hat die Luft förmlich gebrannt. Und dann euer Abschiedskuss …!“, ereifert sie sich. „Also, wenn du den nicht willst …“, setzt sie noch hinterher.

      Das geht mir richtig quer. Mir Tim mit einer anderen in leidenschaftlicher

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