Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

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Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen Das Vermächtnis aus der Vergangenheit

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zu ziehen. Es ist komisch. Ich will ihn glücklich sehen und ihm meine Zuneigung zeigen. Ist das mein schlechtes Gewissen oder der Drang, dem Konter zu bieten, was vielleicht in mir haust und mich in Tims Arme treibt.

      Christiane sitzt nur da und starrt uns an, als wären wir Geister.

      Marcel lässt seine Augen unaufhörlich über mein Gesicht gleiten und ich werde nun doch etwas nervös, mir meiner Defizite bewusst. Ich sehe immer noch so schrecklich aus.

      „Ich habe dich so vermisst“, raunt er und gibt mir noch einmal einen Kuss. Christiane ignoriert er dabei erneut völlig.

      „Ich dich auch“, sage ich und kann nicht verhindern, dass mein Blick zu Christiane abschweift.

      Die hat sich wieder im Griff, kneift die Lippen aufeinander und nickt mit einem verächtlichen Gesichtsausdruck, als wolle sie sagen: „Ja klar! Ganz doll hast du ihn vermisst.“ Zu meinem Glück sagt sie aber nichts. Sie setzt sich nur zurück und sieht uns an, als wären wir Schauspieler in einer Daily Soap, in der die nächste Intrige nicht lange auf sich warten lässt.

      „Ich kann vielleicht am Mittwoch schon gehen“, versuche ich ein Gespräch in Gang zu bringen.

      „Mittwoch?“, sagt Marcel mit leuchtend Augen. „Das ist ja super! Ich werde mir freinehmen und dich dann abholen. Weißt du schon wie spät?“

      So weit ist es eigentlich noch gar nicht. Aber dass er sich sofort bereit erklärt, mich abzuholen, ist wieder typisch.

      „Weiß ich noch nicht. Das ist auch noch nicht ganz sicher.“

      Marcel nickt nur verstehend. „Wäre aber wirklich schön.“

      Ich ziehe Christiane mit ins Gespräch, um der ganzen Situation etwas Normalität abzuringen.

      „Was sagen die anderen, weil ich nicht da bin? Weiß jemand, was passiert ist, und dass ich im Krankenhaus bin und Julian im Gefängnis?“

      „Ne, nicht wirklich. Zumindest hat noch keiner etwas gesagt. In der Zeitung stand zwar etwas von einem Übergriff auf zwei Jugendliche, die mit Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Aber keiner weiß, um wen es sich handelt und ich habe nichts gesagt, weil die Polizei mir das verboten hat.“

      Ich sehe sie groß an. Diese Auflage muss ihr schwer zu schaffen machen.

      Nun schaltet Marcel sich ein und berichtet von einer Ausführung der Geschichte, die im Internet steht. Wir versuchen zu ergründen, was man mit mir und Julian in Verbindung bringen kann. Da wir aber Ferien haben, fällt es ja nicht weiter auf, dass wir nicht mit Anwesenheit glänzen. Schließlich könnten wir auch im Urlaub sein.

      Die Tür öffnet sich erneut und eine Schwester sieht ins Zimmer. Sie weist freundlich darauf hin, dass die Besuchszeit vorbei ist. Marcel sehe ich an seinem Gesicht an, dass ihm das ziemlich gegen den Strich geht.

      „Ich bin doch gerade erst gekommen“, mault er und wirft einen flehenden Blick in das unbestechliche Gesicht der Krankenschwester.

      „Ich komme ja bald raus und dann können wir uns sehen, so lange du willst“, versuche ich ihn wieder fröhlich zu stimmen.

      Ich verteile heute, Marcel gegenüber, unglaublich überschwänglichen Enthusiasmus für unsere Zukunft. Fast kommt es mir so vor, als wolle ich etwas herausfordern.

      Der dankt es mir mit einem unglaublich süßen Lächeln. Mir wird mal wieder bewusst, wie gut er aussieht, und das auch er mein Herz durchaus höherschlagen lässt.

      Marcel steht schwerfällig auf, als wäre er an meinem Bett angekettet und bietet Christine an, sie nach Hause zu bringen. Sie nimmt das Angebot freudestrahlend an.

      Er gibt mir noch einen Kuss und bittet: „Kann ich dich später auf deinem Handy anrufen?“

      Das ist eigentlich verboten und ich weiß nicht mal, ob mein Handy hier ist.

      „Ich schau, wo das ist und ob es geht. Dann rufe ich dich an. Aber versprechen kann ich nichts“, antworte ich und werde erneut von diesem Gefühl getrieben, ihm jeden Wunsch zu erfüllen.

      Marcel nickt und folgt Christiane mit mürrischer Miene zur Tür. Die dreht sich noch einmal zu mir um und winkt.

      Ich lege meinen Zeigefinger auf den Mund, um sie daran zu erinnern, dass sie nichts Unüberlegtes sagt. Sie zwinkert mir nur zu, grinst und ist verschwunden.

      Ich lasse mein Kopfteil absinken und seufze müde. Was war das für ein Tag? Ich kann nur hoffen, dass ich diese Nacht gut schlafen kann, damit ich am nächsten Tag aussehe wie das blühende Leben. Schließlich will ich unbedingt schnellstmöglich nach Hause.

      Dann fällt mir mein Handy ein.

      Ich suche die Schublade meines Nachtisches ab und muss mich dann doch aus dem Bett quälen, um meinen Schrank zu durchsuchen. Dort finde ich in einer Mülltüte einige der Sachen, die ich bei meiner Einlieferung anhatte, aber kein Handy. Also wird das mit dem Telefonieren wohl nichts.

      Das Telefon auf meinem Tisch fällt mir ein und ich frage mich wie das wohl funktioniert. Ich gehe zum Bett zurück und finde in der kleinen Schublade eine riesige Anleitung, wie es aufgeladen wird und wie man dann telefonieren kann. Das Aufladen geht nur an einem Automaten im Untergeschoss bei der Anmeldung.

      Nah toll. Dann eben nicht.

      Ich lege mich ins Bett und mein schlechtes Gewissen lässt Marcel vor meinem inneren Auge erscheinen, traurig auf sein Handy starrend, wie schon so oft zuvor.

      Wie viele Male hatte ich ihm gesagt, dass wir telefonieren werden und es doch nicht getan. Und dennoch steht Marcel unerschütterlich zu mir. Er verlangt nichts weiter als ein wenig meiner Zuneigung. Mir fällt unser gemeinsamer Abend bei ihm zu Hause ein. Ich hatte eine ganze Nacht in seinen Armen verbracht und er hatte mich nicht angerührt. Erst an Morgen hatte er sich ein paar unschuldige Küsse gestohlen. Ich weiß, Tim wäre dazu niemals in der Lage.

      Verdammt!

      Mir ist völlig klar, dass ich es nicht bis in den untersten Stock schaffen werde, um das Telefon aufzuladen, mal ganz davon abgesehen, dass ich gar kein Geld dabeihabe.

      Um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen, denke ich mir, dass es vielleicht besser ist, Marcel in nichts zu sehr zu bestärken. Also entfällt das Telefonieren erst noch. Schließlich habe ich Tim und die Gefühle von ihm auch in Ketten gelegt. Also ist besser, ich mache Marcel auch nicht zu viel Hoffnung, bevor ich alles klarer sehe.

      Mein Abendbrot wird gebracht und ich esse ohne viel Appetit. Dabei schalte ich den Fernseher ein, der sogar funktioniert. Nur die Programmauswahl ist äußerst begrenzt. Doch das ist egal. Hauptsache es flimmert und lässt meinen Gedankenfluss einige Zeit stillstehen.

      Einige Dokus und Nachrichten später, beschließe ich das Licht zu löschen und wenigstens einen schnellen Schönheitsschlaf einzuläuten. Dann kann ich zumindest schnell nach Hause.

      Vor meinem Fenster weicht das Tageslicht schon der Dämmerung und ich lege mich auf die Seite, um mir das Schauspiel anzusehen. Dabei bemühe ich mich an nichts zu denken. Doch Marcel und Tim huschen in kleinen Abständen immer wieder durch meinen Kopf, der das auch jedes Mal meinem Herz petzt. Ich frage mich, wen ich mir jetzt und hier in mein Bett wünsche, wenn ich eine Wahl hätte - Marcel oder Tim.

      Es

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