Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen
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So verstrichen viele Jahre und er war nun ein alter Mann und saß mit seiner alten Frau unter einem blühenden Fliederbaume; sie hielten sich einander bei den Händen, gerade wie der Urgroßvater und die Urgroßmutter es draußen gethan hatten; und sie sprachen ebenso, wie diese, von alten Zeiten und von der goldenen Hochzeit. Das kleine Mädchen mit den blauen Augen und mit den Fliederblumen im Haare saß oben im Baume, nickte Beiden zu und sagte: »Heute ist der goldene Hochzeitstag!« Und dann nahm es zwei Blumen aus seinem Kranze und küßte sie; diese glänzten zuerst wie Silber, dann wie Gold, und als sie die auf die Häupter der Alten legte, wurde jede Blume zu einer Goldkrone. Da saßen sie Beide, einem Könige und einer Königin gleich, unter dem duftenden Baume, der ganz und gar wie ein Fliederbaum aussah; und er erzählte seiner Frau die Geschichte von dem Fliedermütterchen, wie sie ihm erzählt worden, als er noch ein kleiner Knabe war; und sie meinten Beide, daß die Geschichte gar Vieles enthielte, was ihrer eigenen glich; und das, was ähnlich war, gefiel ihnen am Besten.
»Ja, so ist es!« sagte das kleine Mädchen im Baume. »Einige nennen mich Fliedermütterchen, Andere Dryade, aber ich heiße Erinnerung; ich bin es, die im Baume sitzt, welcher wächst und wächst; ich kann zurückdenken, ich kann erzählen! Laß sehen, ob Du Deine Blume noch hast.«
Und der alte Mann öffnete sein Gesangbuch, da lag die Fliederblume, so frisch, als wäre sie erst kürzlich hineingelegt; und die Erinnerung nickte, und die beiden Alten mit den Goldkronen auf dem Kopfe saßen in der rothen Abendsonne; sie schlossen die Augen und – und –? Ja, da war das Märchen aus!
Der kleine Knabe lag in seinem Bette, er wußte nicht, ob er geträumt, oder ob er es habe erzählen hören; die Theekanne stand auf dem Tische, aber es wuchs kein Fliederbaum daraus hervor; und der alte Mann, der es erzählt hatte, war im Begriff, zur Thüre hinauszugehen, und das that er auch.
»Wie schön war das!« sagte der kleine Knabe. »Mutter, ich bin in den warmen Ländern gewesen!«
»Ja, das glaube ich wohl!« sagte die Mutter; »wenn man zwei Tassen warmen Fliederthee zu sich nimmt, dann kommt man wohl nach den warmen Ländern!« – Und sie deckte ihn gut zu, damit er sich nicht erkälten sollte. »Du hast gut geschlafen, während ich mich mit ihm darüber stritt, ob es eine Geschichte oder ein Märchen sei!«
»Und wo ist das Fliedermütterchen?« fragte der Knabe.
»Das ist in der Theekanne,« sagte die Mutter, »und da mag sie bleiben.«
Das Schwanennest.
Zwischen der Ostsee und Nordsee liegt ein altes Schwanennest, dort sind und werden Schwäne geboren, die niemals sterben sollen.
In der Vorzeit flog eine Schaar von Schwänen über die Alpen nach Mailands grünen Ebenen, wo es gar herrlich zu wohnen war; dieser Schwanenzug wurde Longobarden genannt.
Eine andere Schaar mit glänzendem Gefieder und treuen Augen schwang sich nach Byzanz, setzte sich dort an den Thron des Kaisers und breitete ihre großen Schwingen als Schilde aus, um ihn zu beschirmen. Sie erhielt den Namen Wäringer.
Von Frankreichs Küste scholl ein Schrei der Angst, der blutigen Schwäne wegen, welche mit Feuer unter den Flügeln aus dem Norden kamen, und das Volk betete: »Gott befreie uns von den wilden Normannen!«
Auf Englands frischem Rasen stand der dänische Schwan auf offenem Strande, mit dreifacher Königskrone auf dem Haupte; sein goldenes Scepter streckte er über das Land aus.
Die Heiden an Pommerns Küste beugten das Knie, und die dänischen Schwäne kamen mit der Flagge des Kreuzes und mit gezogenem Schwerte.
»Das war in uralten Tagen!« sagst Du.
Auch in jüngerer Zeit sah man mächtige Schwäne dem Neste entfliegen.
Es leuchtete weit durch die Luft, es leuchtete weithin über die Länder der Welt; der Schwan zerstreute durch seine starken Flügelschläge den dämmernden Nebel, und der Sternenhimmel wurde sichtbar, es war, als ob er der Erde näher käme; das war der Schwan Tycho Brahe.
»Ja, damals!« sagst Du, »aber in unseren Tagen!«
Da sahen wir Schwan neben Schwan fliegen in herrlichem Fluge. Einer ließ seine Schwingen über die Saiten der Goldharfe gleiten, und es klang durch den Norden; Norwegens Berge hoben sich höher im Sonnenlichte der Vorzeit; es rauschte in der Tanne und in der Birke; des Nordens Götter, Helden und edle Frauen zeigten sich auf dem tiefen dunklen Waldgrunde.
Wir sahen einen Schwan mit seinem Flügel den Marmorfelsen schlagen, so daß er barst, und die in Stein gebundenen Schönheitsgestalten schritten an den sonnenhellen Tag, und die Menschen in den Ländern rings umher erhoben ihre Häupter, um diese mächtigen Gestalten zu schauen.
Wir sahen einen dritten Schwan den Gedankendraht spinnen, welcher von Land zu Land, rund um die Erde befestigt wird, so daß das Wort mit der Schnelligkeit des Blitzes durch die Länder fährt.
Unser Herr hat das alte Schwanennest zwischen der Ost- und Nordsee lieb. Und kommen die mächtigen Vögel durch die Luft um es zu zerreißen: so stellen sich selbst die federlosen Jungen im Kreise auf den Rand des Nestes, sie lassen sich in die Brust hauen, sodaß ihr Blut fließt; sie schlagen mit dem Schnabel und mit der Klaue.
Jahrhunderte werden noch vergehen, Schwäne werden dem Neste entfliegen, man wird sie rund umher in der Welt sehen und hören, ehe die Zeit kommt, wo man im Geiste und in der Wahrheit sagen kann: »Das ist der letzte Schwan, der letzte Gesang aus dem Schwanenneste!«
Holger Danske.
In Dänemark liegt ein Schloß Namens Kronburg. Es liegt dicht am Oeresund, wo die Schiffe jeden Tag zu Hunderten durchfahren, englische, russische und auch preußische Schiffe. Sie begrüßen das alte Schloß mit Kanonen: »Bum!« Und das Schloß antwortet mit Kanonen: »Bum!« Denn so sagen die Kanonen statt »Guten Tag!« und »Schönen Dank!« – Im Winter segeln da keine Schiffe; dann ist alles mit Eis bedeckt bis hinüber zur schwedischen Küste; aber es hat ganz das Aussehen einer Landstraße; da weht die dänische und schwedische Flagge, und Dänen und Schweden sagen einander: »Guten Tag!« »Schönen Dank!« aber nicht mit Kanonen, nein! mit freundlichem Handschlag; und der Eine holt Weißbrot und Brezeln bei dem Andern, denn fremde Kost schmeckt am besten. Aber das Schönste vom Ganzen ist doch das alte Kronburg, und hier ist es, wo Holger Danske in dem tiefen finstern Keller sitzt, wohin Niemand kommt. Er ist in Eisen und Stahl gekleidet und stützt sein Haupt auf die starken Arme; sein langer Bart hängt über den Marmortisch hinaus, in welchem er festgewachsen ist; er schläft und träumt, aber im Traume sieht er Alles, was hier oben in Dänemark vorgeht. Jeden Weihnachtsabend kommt ein Engel Gottes und sagt ihm, daß Das richtig sei, was er geträumt habe, und daß er ruhig weiter schlafen könne, Dänemark befinde sich noch in keiner wirklichen Gefahr; aber geräth es in eine solche, dann wird der alte Holger Danske sich erheben, sodaß der Tisch berstet, wenn er den Bart zurückzieht! Dann kommt er hervor und schlägt drein, daß es in allen Ländern der Welt gehört wird.
Ein alter Großvater saß und erzählte alles Dieses von Holger Danske seinem kleinen Enkel; und der kleine Knabe wußte, daß das, was der Großvater sagte, wahr sei.