Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen
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Nun blieben sie vor dem Gemälde von Bronzino stehen, wo Christus in die Unterwelt hinabsteigt und die Kinder um ihn her lächeln in süßer Erwartung des Himmels – das arme Kind lächelte auch, denn hier war es in seinem Himmel! –
»Geh nun nach Hause!« sagte der Maler, als der Knabe schon so lange gestanden, bis jener während dessen seine Staffelei aufgerichtet hatte. –
»Darf ich Euch malen sehen?« fragte der Knabe, »darf ich zusehen, wie Ihr das Bild auf diese weiße Leinwand bringt?«
»Noch male ich nicht!« antwortete der Mann und nahm seine schwarze Kreide hervor. Schnell bewegte sich die Hand, das Auge maß das große Bild, und obgleich nur ein seiner Strich sichtbar wurde, stand Christus doch schwebend da, wie auf dem farbigen Bilde.
»Aber so gehe doch!« sagte der Maler, und still wanderte der Knabe heim, setzte sich auf den Tisch und – lernte Handschuhe nähen.
Aber den ganzen Tag waren seine Gedanken im Bildersaale, und daher stach er sich in die Finger, betrug sich linkisch, neckte aber dafür Bellissima nicht. Als es Abend wurde und die Hausthüre gerade offen stand, schlich er sich hinaus; es war noch kalt, aber sternenhell, gar schön und heiter. Fort wanderte er durch die schon öden Straßen, und stand bald vor dem Metallschweine, über welches er sich beugte, seinen blanken Rüssel küßte und sich auf dessen Rücken setzte. – »Du gesegnetes Thier,« sagte er, »wie habe ich mich nach Dir gesehnt! Wir müssen in dieser Nacht einen Ritt machen!«
Das Metallschwein lag unbeweglich, und die frische Quelle sprudelte ihm aus dem Rüssel. Der Kleine saß als Reiter auf ihm, da zupfte ihn Etwas an den Kleidern; er blickte zur Seite, Bellissima, die kleine kahlgeschorene Bellissima bellte, als wollte sie sagen: Siehst Du, ich bin auch da, weshalb setzest Du Dich hier her? – Kein feuriger Drache hätte den Knaben so erschrecken können als der kleine Hund an diesem Orte. Bellissima auf der Straße, und zwar ohne angekleidet zu sein, wie die alte Mutter es nannte! Was sollte daraus werden? Der Hund kam im Winter nur heraus, nachdem ihm zuvor ein kleines Lammfell übergezogen worden, welches für ihn zugeschnitten und genähet war. Das Fell, mit Schleifen und Schellen geschmückt, konnte mit einem rothen Bande um den Hals und unter dem Bauche festgebunden werden. Der Hund sah aus wie ein Zicklein, wenn er zur Winterzeit in diesem Anzüge Erlaubniß erhielt, mit Signora auszutrippeln. Bellissima war draußen und nicht angekleidet; was sollte daraus werden! Alle Phantasien waren verschwunden, doch küßte der Knabe das Metallschwein und nahm Bellissima auf den Arm; das Thier zitterte vor Kälte, daher lief der Knabe so schnell er vermochte.
»Mit was läufst Du da?« riefen zwei Polizeisoldaten, denen er begegnete und welche Belissima anbellte. »Wo hast Du den hübschen Hund gestohlen?« fragten sie, und nahmen ihm denselben weg.
»O, gebt mir ihn wieder!« jammerte der Knabe.
»Hast Du ihn nicht gestohlen, so magst Du zu Hause sagen, daß der Hund auf der Wache abgeholt werden könne!« Sie nannten den Ort und gingen mit Belissima fort.
Das war ein großer Jammer. Der Knabe wußte nicht, ob er in den Arno springen, oder nach Hause gehen und Alles gestehen sollte; sie würden ihn gewiß todtschlagen, dachte er. – »Aber ich will gern todtgeschlagen sein, ich will sterben, so gelange ich zu Jesus und der Madonna!« Und er ging heim, hauptsächlich um todtgeschlagen zu werden.
Die Thür war verschlossen, er konnte den Klopfer nicht erreichen, Niemand war auf der Straße, aber ein Stein lag da, und mit diesem donnerte er gegen die Thür. »Wer ist da?« rief es drinnen. –
»Ich bin's!« sagte er. » Belissima ist fort! Macht mir auf und schlagt mich dann todt!«
Es verbreitete sich ein Schrecken, besonders bei der Madame wegen der armen Belissima. Sie blickte sogleich auf die Wand, wo des Hundes Anzug zu hängen pflegte, das kleine Lammfell hing dort.
» Belissima auf der Wache!« rief sie ganz laut. »Du böses Kind! Wie hast Du sie hinausgelockt? Sie erfriert! Das zarte Thier bei den rohen Soldaten!« –
Der Vater mußte sogleich fort, – die Frau jammerte, der Knabe weinte. – Alle Hausgenossen kamen zusammen, unter diesen der Maler; er nahm den Knaben zwischen seine Kniee, fragte ihn aus, und in Bruchstücken erhielt er die ganze Geschichte von dem Metallschweine und der Galerie – sie war ziemlich unverständlich. Der Maler tröstete den Kleinen, versuchte die Alte zu besänftigen, aber sie gab sich nicht zufrieden, bis der Vater mit Belissima ankam, welche unter den Soldaten gewesen; das war eine Freude, der Maler liebkoste den Knaben und gab ihm eine Handvoll Bilder.
O, das waren herrliche Stücke, komische Köpfe! Und wahrlich – das Metallschwein war leibhaftig selbst darunter. O, nichts konnte herrlicher sein! Durch ein Paar Striche stand es auf dem Papiere, und selbst das dahinter stehende Haus war angegeben.
Wer doch zeichnen und malen könnte, der könnte die ganze Welt um sich versammeln!
In dem ersten einsamen Augenblicke des folgenden Tages ergriff der Kleine den Bleistift, und auf der weißen Seite eines der Bilder versuchte er die Zeichnung des Metallschweines wiederzugeben; sie gelang; – etwas schief zwar, etwas auf und ab, ein Bein dick, ein anderes dünn, aber es war doch zu erkennen, er jubelte selbst darüber. – Der Bleistift wollte nur nicht so recht gerade gehen wie er sollte, das bemerkte er wohl; am folgenden Tage stand wieder ein Metallschwein an der Seite des andern, und das war hundert Mal besser; das dritte war schon so gut, daß Jeder es erkennen konnte.
Aber es ging schlecht mit dem Handschuhnähen, langsam mit den Bestellungen in der Stadt, denn das Metallschwein hatte ihn gelehrt, daß alle Bilder auf das Papier gebracht werden können, und die Stadt Florenz, ist ein Bilderbuch, wenn man darin blättern will. Auf der piazza del Trinità steht eine schlanke Säule und oben darauf die Göttin der Gerechtigkeit, mit verbundenen Augen und der Wagschale in der Hand. Bald stand sie auf dem Papiere, und es war der kleine Bursche des Handschuhmachers, der sie dahingestellt. Die Bildersammlung wuchs, aber noch enthielt sie nur Zeichnungen von leblosen Gegenständen; da hüpfte eines Tages Bellissima vor ihm her. »Steh still!« sagte er, »dann sollst Du schon werden und in meine Bildersammlung kommen!« Aber Bellissima wollte nicht still stehen, sie mußte festgebunden werden; Kopf und Schwanz wurden gebunden, sie bellte und machte Sprünge, die Schnur mußte straff gespannt werden; da kam Signora.
»Du gottloser Knabe! Das arme Thier!« war Alles, was sie hervorbringen konnte, sie stieß den Knaben zur Seite, stieß ihn mit dem Fuße, verwies ihn aus ihrem Hause, ihn, der der undankbarste Taugenichts, das gottloseste Kind war, und weinend küßte sie ihre kleine halberwürgte Bellissima.
In demselben Augenblicke kam der Maler die Treppe herauf und – hier ist der Wendepunkt der Geschichte.
Im Jahre 1834 war in Florenz in der Academia delle arti eine Ausstellung. Zwei neben einander aufgestellte Gemälde versammelten eine Menge Zuschauer. Auf dem kleinsten war ein kleiner lustiger Knabe vorgestellt, welcher saß und zeichnete, zum Modell hatte er einen kleinen, weißen, eigenthümlich geschornen Spitz; aber das Thier wollte nicht still stehen und war daher mit Bindfaden sowohl am Kopfe wie am Schwanze festgebunden; es war Leben darin und eine Wahrheit, die Jeden ansprechen mußte. Der Maler, erzählte man,