Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen страница 77
![Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen](/cover_pre1121260.jpg)
Der Handschuhmacherbursche war ein großer Maler geworden, das zeigte dieses Bild, das zeigte besonders das größere daneben. Hier war nur eine einzige Figur, ein in Lumpen gekleideter, aber schöner Knabe, welcher schlafend auf der Straße saß, er lehnte sich an das Metallschwein in der Straße porta rosa. Alle Beschauer kannten die Stelle. Des Kindes Arme ruhten auf dem Kopfe des Schweines; der Kleine schlief so fest, die Lampe vor dem Madonnenbilde warf ein starkes, effectvolles Licht auf das blasse, herrliche Gesicht des Kindes. – Es war ein wunderschönes Gemälde; ein großer, vergoldeter Rahmen umgab es, an die Ecken desselben war ein Lorbeerkranz gehängt, aber zwischen den grünen Blättern schlängelte sich ein schwarzes Band, ein langer Trauerflor hing davon herab. – Der junge Künstler war in diesen Tagen – gestorben!
Die Nachbar-Familien.
Man hätte glauben sollen, daß in dem Ententeiche etwas Wichtiges vorgehe; aber es ging nichts vor. Alle Enten, die in ihrer Ruhe auf dem Wasser lagen oder auf dem Kopfe darin standen – denn das konnten sie – schwammen auf einmal nach dem Ufer; man sah in der nassen Erde die Spuren ihrer Füße und hörte weit und breit ihr Geschnatter. Das Wasser, vor Kurzem blank und glatt wie ein Spiegel, kam sehr in Bewegung. Zuvor hatte man darin jeden Baum, jeden Busch in der Nähe, das alte Bauernhaus mit den Löchern im Dache und dem Schwalbennest, besonders aber den großen, mit Blumen gleichsam besäeten Rosenstrauch gesehen; er bedeckte die Mauer und hing über das Wasser hinaus, in welchem man das Ganze wie auf einem Gemälde erblickte, nur daß Alles auf dem Kopfe stand; als aber das Wasser in Bewegung kam, schwamm Alles in einander und das Bild war fort. Zwei Federn, welche die aufflatternden Enten verloren hatten, schaukelten hin und her; auf einmal nahmen sie einen Anlauf, als ob der Wind käme; der kam aber nicht; sie mußten daher liegen bleiben, und das Wasser wurde wieder ruhig und glatt. Die Rosen spiegelten sich wieder ab; sie waren wunderschön, wußten es aber selbst nicht, denn Niemand hatte es ihnen gesagt; die Sonne schien zwischen den zarten Blättern hindurch; Alles athmete den schönsten Duft; es war Allen zu Muthe wie uns, wenn wir von dem Gedanken unsers Glücks recht freudig erfüllt sind.
»Wie schön doch das Dasein ist!« sagte jede Rose. »Nur Eins wünschte ich: die Sonne küssen zu können, weil sie so warm und so hell ist. Auch die Rosen da unten im Wasser, unsere Ebenbilder, möchte ich küssen, und die niedlichen Vöglein unten im Neste. Auch oben giebt's welche; sie stecken die Köpfe heraus und piepen leise; sie haben keine Federn, wie ihr Vater und ihre Mutter. Es sind gute Nachbarn, sowohl die unten, als die oben. – Wie schön doch das Dasein ist!«
Die Jungen oben und unten – die unten sind freilich nur der Widerschein im Wasser – waren Sperlinge; ihre Eltern waren ebenfalls Sperlinge; sie hatten das leere Schwalbennest vom vergangenen Jahre in Besitz genommen und hausten nun darin als wäre es ihr Eigenthum.
»Sind das Entenkleider, die dort schwimmen?« fragten die Sperlingsjungen, als sie die Federn auf dem Wasser entdeckten.
»Wenn Ihr einmal fragen wollt, so fragt wenigstens vernünftig!« sagte die Mutter. »Seht Ihr denn nicht, daß es Federn sind, lebendiger Kleiderstoff, wie ich ihn trage und wie Ihr ihn tragen werdet! Unserer ist aber feiner. Ich möchte übrigens, wir hätten sie oben im Neste, denn sie halten warm. Ich bin doch neugierig, worüber wohl die Enten so erschraken; über uns aber gewiß nicht; freilich sagte ich ziemlich laut zu Euch: »Piep.« Die dickköpfigen Rosen müßten es eigentlich wissen; aber die wissen gar nichts, betrachten nur sich und riechen; ich bin dieser Nachbarn herzlich überdrüssig!«
»Höre die allerliebsten Vöglein oben,« sagten die Rosen; »die fangen nun auch an, singen zu wollen, können es aber noch nicht. Es wird sich indeß schon machen; welches Vergnügen das gewahren muß; es ist hübsch, solche lustige Nachbarn zu haben.«
Plötzlich kamen zwei Pferde daher gesprengt, um getränkt zu werden; ein Bauernbursche ritt das eine; er hatte alle seine Kleider abgelegt bis auf seinen großen und breiten, schwarzen Hut. Der Bursche pfiff wie ein Vogel und ritt in den Teich hinein, wo er am tiefsten war; und als er an dem Rosenstrauche vorüberkam, brach er eine Rose ab und steckte sie auf seinen Hut, und nun kam er schon geputzt vor und ritt weiter. Die andern Rosen blickten ihrer Schwester nach und fragten sich: »Wohin reist sie wohl!« Niemand aber wußte es.
»Ich möchte wohl einmal in die Welt hinaus,« meinte eine; »doch hier zu Hause in unserem Grün ist es auch schön. Den Tag über scheint die Sonne hell und warm und in der Nacht glänzt der Himmel noch schöner: das können wir durch alle die kleinen Löcher darin sehen.« Sie meinten die Sterne; sie wußten es nicht besser.
»Wir machen es lebhaft um das Haus herum,« sagte die Sperlingsmutter, »und das Schwalbennest bringt Glück, sagen die Leute, deshalb freut man sich unser. Aber die Nachbarn! So ein Rosenstrauch an der Mauer hinauf verursacht Feuchtigkeit. Er wird wohl weggeschafft werden; dann wächst vielleicht hier wenigstens Korn. Die Rosen taugen zu nichts, als sie anzusehen und anzuriechen und höchstens auf den Hut zu stecken.«
»Jedes Jahr, das weiß ich von meiner Mutter, fallen sie ab. Die Frau des Bauern legt sie ein und streut Salz dazwischen; dann erhalten sie einen französischen Namen, den ich weder aussprechen kann noch mag; sie werden aufs Feuer gestreut, wenn sie gut riechen sollen. Seht, so ist ihr Lebenslauf; sie sind nur für das Auge und die Nase da. Nun wißt Ihr es!«
Als der Abend einbrach, und die Mücken in der warmen Luft und in den rothen Wolken spielten, kam die Nachtigall und sang den Rosen vor: daß das Schöne sich verhalte, wie der Sonnenschein in dieser Welt, und daß das Schöne ewig lebe. Die Rosen aber dachten, daß die Nachtigall sich selbst besänge, was man wohl hätte glauben können; denn daß der Gesang ihnen gelte, daran dachten sie nicht. Sie freuten sich aber darüber und sannen nach, ob wohl alle die kleinen Sperlinge auch Nachtigallen werden könnten. »Ich verstand recht gut den Gesang dieses Vogels,« sagten die jungen Sperlinge. »Nur ein Wort war mir nicht klar. Was heißt »»das Schöne?««
»Das ist nichts,« versetzte die Sperlingsmutter; »das ist nur etwas Aeußerliches. Oben auf dem Edelhofe, wo die Tauben ihr eigenes Haus haben und ihnen jeden Tag Erbsen und Korn vorgestreut wird – ich habe selbst mit ihnen gegessen, und das sollt Ihr mit der Zeit auch, denn: sage mir, mit wem Du umgehst, und ich werde Dir sagen, wer Du bist – oben auf dem Edelhofe haben sie zwei Vögel mit grünen Hälsen und einem Kamm auf dem Kopfe; die können den Schweif ausbreiten wie ein großes Rad, und der spielt in allen Farben, daß der Anblick den Augen weh thut. Diese Vögel werden Pfauen genannt, und das ist das Schöne. Sie sollten nur ein wenig gerupft werden, dann würden sie nicht anders aussehen, als wir andern alle. Ich würde sie schon gerupft haben, wenn sie nur nicht so groß wären.«
»Ich will sie rupfen,« piepte der kleine Sperling, der noch keine Federn hatte.
Im Bauernhause wohnten zwei junge Eheleute; sie liebten sich sehr, waren fleißig und flink, es sah Alles sehr hübsch bei ihnen aus. Des Sonntags früh kam die junge Frau heraus, pflückte eine Hand voll der schönsten Rosen und that sie in ein Glas mit Wasser, welches sie auf den Schrank stellte.
»Jetzt sehe ich, daß es Sonntag ist,« sagte der Mann und küßte seine kleine Frau. Sie setzten sich, lasen im Gesangbuche und hielten sich bei den Händen; die Sonne beschien die frischen Rosen und das junge Ehepaar.
»Dieser Anblick ist wirklich zu langweilig;« sagte die Sperlingsmutter, die von dem Neste aus in die Stube hineinblicken konnte, und flog davon.
So ging es auch den nächsten Sonntag, denn jeden Sonntag wurden frische Rosen in das Glas gesteckt; doch der Rosenstrauch blühte stets gleich schön. Die jungen