Hochfrequent. Stephan Kesper
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Als sie fertig waren, trug Brandtner die sechs Laufwerke zu ihrem Wagen und legte sie vorsichtig, einzeln in Beweismittelbeutel verpackt, in den Kofferraum. Dann ging sie zurück, um mit ihrem Kollegen und dem Sicherheitschef das Dach zu untersuchen.
Mittlerweile hatte sich eine Traube aus Menschen angesammelt. Mitarbeiter und Schaulustige, die den Ort des Geschehens aus der Nähe betrachten wollten. Viele unterhielten sich aufgeregt untereinander. Andere schienen verstört.
In der Lobby hatten sich einige Gruppen von Menschen gebildet, die sich leise unterhielten. Eine Frau tupfte mit einem Taschentuch ihre Augen trocken und versuchte dabei, ihre Schminke nicht zu verwischen.
Der Fahrstuhl brachte sie in den 43. Stock. Warndorf musste seine Karte verwenden. Oben angekommen stiegen sie noch ein weiteres Stockwerk zu Fuß hinauf. Vom Prunk der Lobby war hier nichts mehr zu sehen. Die Korridore bestanden aus weiß gestrichenem Beton. An der Decke verliefen Rohre. Erhellt wurde alles vom grellen Neonlicht einiger Leuchtstoffröhren. Es gab keine Fenster.
»Vorsicht, hier kann es ziemlich stark wehen.«
Warndorf öffnete eine Stahltür. Plötzlich standen sie im prallen Sonnenschein. Nur ein leichter Wind wehte. Die Geräusche der Stadt hatten sie hinter sich gelassen. Es war beinahe friedlich.
»Er müsste von da vorne gesprungen sein«, Warndorf zeigte mit der Hand zum Rand des Dachs.
»Warten Sie bitte hier«, sagte Brandtner.
»Kein Problem, ich bin kein Freund von Höhen.«
Die Kommissare näherten sich vorsichtig der angewiesenen Stelle. Der Boden bestand aus Betonplatten. Bis zum Rand konnte Hohenstein keine Spuren erkennen. Nichts deutete darauf hin, was geschehen war. Am Rand sah er in die Tiefe hinab. Fast genau unter ihnen befanden sich die Menschenmenge und der leere Bereich in der Mitte mit dem großen Blutfleck. Der Leichnam war bereits abtransportiert worden.
»Wenn es wirklich Mord war, hat er sich vermutlich nicht gewehrt«, sagte Brandtner. »Er wurde vielleicht überrascht?«
»Hm, vielleicht«, Hohenstein war still geworden. »Oder er ist doch selbst gesprungen.«
»Und die fehlenden Überwachungs-DVDs?«
»Ein Versehen?«
»Glaubst Du das?«
Hohenstein zog die Mundwinkel runter und gleichzeitig die Schultern hoch. »Wer weiß?«, er drehte sich um und blickte Warndorf an: »Kommen hier viele Leute her?«
Der schüttelte den Kopf. »Ist verboten.«
»Verbieten die Regeln dann nicht das Öffnen der Tür?«, fragte Brandtner.
»Für die Meisten. Cox hatte Sonderrechte – in vielem«, Warndorf bekam einen seltsamen Gesichtsausdruck, der Wut, Neid oder etwas anderes sein konnte.
Hohenstein blickte zu den Hochhäusern der Banken. Einige größer, andere kleiner. Von einer der Straßen in Sichtweite stieg dichter, roter Qualm auf.
»Was ist das?«, fragte er Brandtner.
»G7 vermutlich, da hat jemand eine Rauchfackel gezündet.«
Die rote Wolke wurde immer dichter und größer, vernebelte sogar die Sicht auf die Häuser in der Straße.
»Da geht's ja richtig ab«, sagte Hohenstein.
Brandtner nickte und ging in Richtung Tür, die wieder ins Gebäude führte. »Wir möchten uns gerne das Büro von Herrn Cox ansehen.«
Warndorf schien seine abwehrende Haltung gegen eine wortlose Akzeptanz eingetauscht zu haben. Er öffnete die Tür mit seinem Ausweis, hielt sie offen, schloss sie wieder hinter den Kommissaren und ging zum Fahrstuhl. Im fünfunddreißigsten Stock hielt dieser an und sie stiegen aus. Der kalkweiße Beton war hier durch ein etwas wohnlicheres Ambiente ersetzt worden. Den Boden zierte ein dunkelgrauer Teppich, der die Geräusche dämpfte. Über allem hing der Geruch von zu oft geatmeter Luft und abgestandenem Kaffee, punktuell unterbrochen von Parfüm- oder Aftershavewolken, die aus den Büros entwichen, die links und rechts vom Gang lagen. Der Flur mündete in ein Großraumbüro, in dem acht Reihen von Tischen standen. Auf diesen befanden sich Wände von Monitoren, meistens vier, teilweise sechs neben- und übereinander. Viele Geräte zeigten Diagramme und blinkende Tabellen von – so vermutete Hohenstein – Börsenkursen. Auf anderen wurde nur Text oder bindfadenartig Geschriebenes angezeigt, das wie ein Zug Ameisen quer über den Bildschirm verlief.
Seltsamerweise saß niemand vor den Monitoren. Der Raum schien verlassen, die blinkenden Informationen auf den Schirmen verstärkten nur den Eindruck.
Am Ende des Großraumbüros, das geschätzt zwanzig Leuten Arbeitsplätze bot, lag zur linken Hand ein Glaskasten, auf den Warndorf deutete, ohne selbst hineinzugehen. Hohenstein sah an dem Büro vorbei, dahinter mochte sich eine Art Küche oder Gemeinschaftsraum befinden. Er ging zunächst dort hin, weil er Rücken von Menschen sehen konnte. Als er ankam, hörte er die Stimme eines Mannes:
»... mehr wissen wir nicht, außer, dass James sich wohl heute Morgen vom Dach in den Tod stürzte.«
Ein erschrockenes Einatmen kam aus den Reihen der Anwesenden.
»Ich möchte euch bitten, soweit Ihr könnt, mit eurer Arbeit fortzufahren. Wie es weiter geht und was mit der Abteilung geschieht, wird in den nächsten Tagen entschieden werden. Ich muss euch sicher nicht sagen, dass die Abteilung erst mit James' Ein- und Aufstieg in SB&M möglich wurde.«
Der Mann räusperte sich und schien das Brechen seiner Stimme verhindern zu wollen.
»Wir werden einen Umschlag herumgehen lassen. Jeder der will, kann etwas zu einem Kranz beisteuern«, nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Das war's, ich habe keine weiteren Informationen.«
Die Mitarbeiter drehten sich um und blickten erschrocken in das fremde Gesicht Hohensteins. Er wiederum sah in die verquollenen Augen einiger Frauen. Er sah Männer, die so jung schienen, dass sie sich noch nicht rasieren mussten. Und diverse von ihnen steckten in Kleidung, wie sie Skater tragen mochten, aber keine Investmentbanker.
Die Mitarbeiter drückten sich schüchtern an Hohenstein vorbei zu ihren Arbeitsplätzen im Großraumbüro. Ohne ein Wort der Erklärung ging der Kommissar direkt auf den jungen Mann zu, der das Wort ergriffen hatte.
»Hohenstein, Kripo Frankfurt.«
Der Mann nickte, »Ich habe Sie schon erwartet. Taxler, Carsten Taxler«, er gab dem Kommissar die Hand und drückte sie fest.
»Ist das österreichisch?«, fragte Brandtner.
»Nein, der Name ist armenischer Herkunft. In Wien werde ich immer blöd angesehen, weil er dort eine andere Bedeutung hat. Ich bin der stellvertretende Abteilungsleiter«, auch dieser Mensch schien viel zu jung, um in leitender Position in einer Bank tätig zu sein. Er trug keinen Anzug, stattdessen ein T-Shirt mit buntem, unleserlichen Aufdruck, eine abgewetzte Jeans und Checkers.
»Sie waren demnach der Stellvertreter von Herrn Cox?«
»Das ist korrekt.«
»Werden Sie nun seinen Posten übernehmen?«