Sehnsucht. Heidi Oehlmann
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Sehnsucht - Heidi Oehlmann страница 6
»Was hast du dem Geburtstagskind geschenkt?«, fragt Paul.
Ich ahne, er meint erneut mich. Aus den Augenwinkeln erkenne ich, wie er mich anschaut.
Er muss doch gesehen haben, was ich Mia überreicht habe. Von mir hat sie auch einen Umschlag bekommen. Doch statt Bargeld steckt ein Gutschein für einen Restaurantbesuch darin. Geld zu verschenken finde ich zu unpersönlich. Das habe ich noch nie getan und werde es auch nie tun. Da habe ich meine Prinzipien.
»Nichts Besonderes«, antworte ich, ohne Paul anzuschauen.
»Also auch Bares?«, fragt er weiter.
Obwohl es nicht stimmt, nicke ich. An einem Gespräch mit Paul bin ich in keinster Weise interessiert. Damit er mich in Ruhe lässt, suche ich nach einem Thema, über das ich mit Marta sprechen kann. Wenn ich mich mit ihr unterhalte, wird er mich hoffentlich in Ruhe lassen. Schließlich ist es sein Problem, wenn er niemanden zum Reden hat. Von mir wurde er weder eingeladen noch mitgenommen. Selbst wenn er mein Kollege wäre, hätte ich ihn nicht mitgeschleppt. Ich finde ihn unsympathisch. Dabei fehlt mir der Grund, warum es so ist. Er gibt sich eigentlich vernünftig, aber mein Bauch rät mir zur Vorsicht. Auch, wenn ich oft daneben lag, verlasse ich mich auf mein Gefühl. Und wenn es mir sagt, mit ihm stimmt etwas nicht, vertraue ich darauf, dass es so ist.
»Und wie läuft es auf Arbeit?«, frage ich Marta und drehe Paul den Rücken zu.
»Ganz gut. Es ist im Moment ziemlich ruhig.«
»Das freut mich! Dann musst du nicht bis in die Nacht im Büro bleiben und hast wieder mehr Zeit für dich.«
»Ja, stimmt. Ich genieße es auch, zeitiger nach Hause zu kommen. Allerdings befürchte ich, die Auftragslage könnte sich weiter verschlechtern. Und wie ist es bei dir?«
»Oh, so schlimm? Bei mir ist jeden Tag das Gleiche los. Es gibt nichts, was sich lohnt zu erzählen.«
»Das klingt ja, als ob du dich langweilen würdest.«
»Manchmal tue ich das in der Tat.«
Natürlich ist mein Beruf stinklangweilig! Was soll man auf dem Einwohnermeldeamt auch erleben? Mich stört es aber weniger. Im Laufe der Zeit habe ich mich daran gewöhnt.
Nun brauchen wir unbedingt ein neues Gesprächsthema, bevor Paul auf die Idee kommt, mich wieder vollzuquatschen. Ewig halte ich es neben ihm nicht mehr aus.
Ich überlege, wie lange ich noch bleiben muss, bis ich mich aus dem Staub machen kann, ohne dass Mia sauer wird. Da ich noch keine Dreiviertelstunde auf ihrer Party bin, stelle ich mich darauf ein, mindestens zwei Stunden hier ausharren zu müssen. Meine Laune sinkt in den Keller. Nur der Gedanke an den bevorstehenden Urlaub bei Marie macht mir die Situation erträglich.
6. Kapitel - Lisa
Voller Vorfreude reiße ich die letzten Kilometer bis Potsdam herunter. In zwanzig Minuten werde ich bei Marie auf der Matte stehen. Meine Aufregung ist riesig. Solange wie wir uns nicht gesehen haben, ist es kein Wunder. Besonders gespannt bin ich auf die kleine Kim. In der vergangenen Woche war ich einen halben Tag in der Stadt unterwegs, um für meine Nichte ein paar Geschenke zu kaufen. Es kostete eine Menge Nerven, mich durch mehrere Kaufhäuser zu kämpfen und kompetente Beratung zu finden. Die meisten Verkäuferinnen in den Geschäften hatten keine Ahnung von den Sachen, die sie verkaufen. Irgendwann habe ich einen kleinen süßen Laden für Kinderbekleidung gefunden und dort zugeschlagen. Ich kaufte ein paar Anziehsachen und ein bisschen Spielzeug. Bei dem neuen Familienmitglied möchte ich einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Wenn ich sie schon nicht regelmäßig sehen kann, dann soll sie durch die Geschenke wenigstens an mich erinnert werden.
Gedanklich bin ich noch bei Mias gestriger Party, die bis in die Nacht hineinging. Gegen Mitternacht bin ich als eine der Ersten gegangen. Ich habe so lange gewartet, bis ein Pärchen sich verabschiedet hat. Ich traute mich nicht, zuerst zu gehen. Mia war zwar überrascht über meinen zeitigen Abgang, aber ich hatte eine plausible Erklärung. Immerhin wollte ich für die heutige Fahrt ausgeruht sein. Mia hatte Verständnis für mich, sodass ich mir keine weitere Rechtfertigung ausdenken musste. Als ich das Restaurant verlassen hatte, war ich heilfroh. Endlich brauchte ich diesen Paul nicht mehr ertragen. Er ging mir die ganze Zeit auf die Nerven. Ständig versuchte er, mir ein Gespräch an die Backe zu nageln. Sobald ich mich für einen Augenblick mit niemandem unterhielt, ergriff er seine Chance und stellte mir eine Frage nach der anderen. Statt ihm die Meinung zu geigen, versuchte ich höflich zu bleiben. Ich wollte Mias Party nicht versauen. Außerdem habe ich mich Marta zuliebe zusammengerissen. Auch wenn die beiden im Moment kaum miteinander sprechen, ist er immerhin ihr Kollege. So weit ich weiß, sind die zwei befreundet.
Es fiel mir schwer, mich zurückzuhalten. Damit ich kein falsches Wort sagte, redete ich wenig. Meist nickte ich oder schüttelte den Kopf, um eine Antwort anzudeuten. Trotz meiner mangelnden Kommunikation begriff Paul nicht, dass ich keine Lust hatte, mit ihm zu sprechen. Erst wollte ich Marta fragen, ob er immer so ist. Das hätte er sicherlich mitbekommen, weil er die ganze Zeit neben mir saß. Also verkniff ich es mir und ließ seine Annäherungsversuche zähneknirschend über mich ergehen.
Bei nächster Gelegenheit will ich Marta darauf ansprechen, was ihr Kollege für ein Typ ist. Vielleicht erzählt sie mir, was zwischen den Zweien los ist. Sie ging ihm den restlichen Abend aus dem Weg. Wenn ich nicht wüsste, die beiden arbeiten zusammen, hätte ich meinen können, sie begegneten sich gestern zum ersten Mal.
Was hinter Sybilles gestrigem Auftreten steckt, ist mir genauso schleierhaft. Sie war den ganzen Tag schweigsam und sprach nur das Notwendigste. So habe ich sie bisher noch nie erlebt. Wenn eine meiner Freundinnen sie auf ihr Verhalten ansprach, zuckte sie nur mit den Schultern. Ich vermute, es ist etwas zwischen ihr und Jonas vorgefallen. Eine andere Erklärung gibt es für mich nicht. Warum sollte sie sonst alleine gekommen sein?
Ein quietschendes Geräusch zieht mich aus meinen Gedanken. Ich drehe das Radio leiser, um mich zu vergewissern, dass es nicht aus den Lautsprechern kommt und lausche gebannt. Erschreckenderweise ist das Quietschen noch da. Es scheint aus dem Motorraum zu kommen.
Oh nein, hoffentlich ist es nichts Ernstes! Das hat mir jetzt so kurz vor dem Ziel noch gefehlt.
Als ich das Ortseingangsschild von Potsdam passiere, wird das Geräusch lauter. Nervös rutsche ich auf dem Sitz hin und her. Ich bekomme Angst, jeden Moment liegen zu bleiben.
»Ich brauche dringend eine Werkstatt!«, sage ich bestimmend und halte Ausschau nach einer.
Während ich mir jedes Gebäude anschaue, wird das Quietschen leiser. Meine Panik wächst. Ich habe die Befürchtung, es könnte etwas abgefallen sein. Es fällt mir schwer, mit meinen schweißnassen Händen das Lenkrad in der Spur zu halten.
Von Weitem erkenne ich eine Tankstelle und hoffe auf eine daran angeschlossene Werkstatthalle. Meine Füße berühren die Bremse. Langsam fahre ich an den Zapfsäulen vorbei. Im Rückspiegel sehe ich, wie sich der nachfolgende Verkehr aufstaut. Es fehlt nur noch, dass sie hupen. Glücklicherweise bleibt mir das erspart.
Nach einer Weile beschleunige ich wieder. Weit und breit kann ich keine Werkstatt entdecken.
Mein Puls rast, als das Geräusch lauter wird. Die Passanten, an denen ich vorbei fahre, drehen sich nach mir um. Das Quietschen muss sich draußen schlimmer anhören als drinnen. Mir ist die Situation