Gefühlschaos. Heidi Oehlmann

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Gefühlschaos - Heidi Oehlmann Blind Dates & andere Katastrophen

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      Ich entdecke tatsächlich eine Person, die ich kenne, aber die ich hier nie erwartet hätte und heute eigentlich nicht mehr sehen wollte. In der hintersten Ecke sitzt Lisa mit einem gut aussehenden Typen. Er passt zu der spartanischen Beschreibung, die sie uns vorhin gegeben hatte. Er hat kurze dunkelblonde Haare und wahrscheinlich blaue Augen. Das kann ich aus der Entfernung nicht erkennen.

       So einen passablen Geschmack hätte ich der Streberin nicht zugetraut. Für den Leckerbissen hätte ich mich heute auch so beeilt.

      Die beiden scheinen sich ausgesprochen gut zu unterhalten. Lisa sieht so anders aus. Sie trägt ihre Haare zwar wieder zusammengebunden, aber sie wirkt viel lockerer, als sie es sonst ist. Ich kann sogar ab und zu ein Lächeln auf ihren Lippen erkennen. So oft, wie sie in der Gesellschaft des Mannes lächelt, habe ich sie in den zwei Jahren, in denen ich sie kenne, nicht lachen sehen. Wenn ich es mir genau überlege, habe ich sie bisher nur bei unserer ersten Begegnung fröhlich gesehen. Seitdem war sie immer nur ernst und hatte dementsprechend einen grimmigen Blick drauf.

      Bei dem Anblick des Paares bin ich ein bisschen neidisch. Das würde ich natürlich nie vor Lisa zugeben. Das wäre eine Genugtuung für die besser wissende Streberin. Ich hätte auch Lust, mich mit einem netten Mann zu unterhalten, in der Hoffnung, daraus entwickelt sich mehr. Er müsste gut aussehend und dennoch intelligent sein, so wie Konstantin. Ich weiß, meine Ansprüche sind sehr hoch gesteckt. Vielleicht ist das der Grund für mein Singledasein. So langsam habe ich genug von der Einsamkeit.

      Mein letztes Date ist inzwischen fast ein Vierteljahr her. Daran denke ich allerdings nur ungern zurück. Diese Verabredung gehörte zu den schlimmsten, die ich jemals erlebt habe. Mein Date - ich kann mich an seinen Namen nicht mehr erinnern - war eigentlich süß, zumindest von der Optik, aber als er seinen Mund aufmachte, wollte ich mich am Liebsten auf der Stelle wegbeamen. Es lag weniger an seiner Stimme - sie war angenehm - vielmehr waren es die Worte, die er von sich gab. Die ganzen zwei Stunden, die wir im Restaurant zusammen verbrachten, machte er die Kellnerin zur Sau. Er beschwerte sich in einer Tour über das Essen, und wenn er nicht damit beschäftigt war, ging es nur um ihn und seinen Traum, einen eigenen Laden zu eröffnen. Bereits nach der ersten halben Stunde konnte ich das Palaver nicht mehr hören. Irgendwann schaltete ich meine Ohren auf Durchzug und nickte nur noch, wenn ich den Eindruck hatte, er erwartete eine Antwort von mir. Ich war heilfroh, als wir aufgegessen hatten und ich mich unter dem Vorwand, ich hätte im Anschluss eine Verabredung mit einer Freundin - was natürlich nicht der Fall war - verabschiedete. Zu meinem Leidwesen hatte ich ihm vor dem Treffen - wir lernten uns eine Woche zuvor in einer Bar kennen, dort verhielt er sich völlig normal - meine Handynummer gegeben. Diese Entscheidung bereute ich nach diesem misslungenen Date. In den darauf folgenden Tagen rief er mich beinahe täglich an. Die ersten beiden Anrufe nahm ich noch entgegen und sagte ihm, ich hätte keine Zeit. Danach drückte ich ihn immer weg, sobald seine Nummer auf dem Display meines Handys erschien, und hoffte jedes Mal, dass es sein letzter Anruf war. So schnell gab er allerdings nicht auf. Vor ungefähr sechs Wochen hat er es erst kapiert und aufgehört, mich zu terrorisieren. Ich kann nur froh sein, ihm nicht auch meine Adresse gegeben zu haben. Womöglich hätte er dann wochenlang vor meiner Tür gestanden und mir aufgelauert. Bei dem Gedanken läuft mir ein eiskalter Schauer über den Rücken. Ich hätte mich einige Wochen verstecken oder ihm ins Gesicht sagen müssen, dass ich ihn nie wiedersehen will. In solchen Sachen tue ich mich immer schwer. Ich wähle lieber den Weg des geringsten Widerstands und gehe Konfrontationen - außer bei Lisa - aus dem Weg. Gerade bei dem Typen, den ich kaum kannte, hätte ich seine Reaktion vorher nicht abschätzen können. Er hätte meinen Korb entweder vernünftig aufnehmen und akzeptieren oder sich zurückgestoßen fühlen und austicken können. Bei den vielen Spinnern, die es auf dieser Erde gibt, kann man nichts ausschließen. Und wenn die Aussprache an einem abgelegenen Ort, wie in meiner Wohnung - wo keiner ist, der mir notfalls helfen könnte - stattfände, wäre mir das Risiko zu groß. Da ist es schon besser, wenn man sich einfach nicht mehr meldet, getreu dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn!

      Durch dieses Erlebnis habe ich begriffen, vorsichtiger mit der Herausgabe meiner persönlichen Daten zu sein - vielleicht bin ich deshalb so zurückhaltend bei den Chatgesprächen mit Konstantin. Meine Nummer werde ich jetzt jedenfalls erst nach reiflicher Überlegung preisgeben. Ich denke schon darüber nach, ob ich mir für solche Zwecke ein Handy mit Prepaidkarte anschaffen sollte. Dann wäre ich immer erreichbar, und wenn mich wieder so ein aufdringlicher Typ belästigt, kann ich die Karte einfach austauschen. Bei der Herausgabe meiner Adresse sieht es anders aus. Ich kann mir schlecht eine zusätzliche Wohnung anmieten, nur um irgendwelchen durchgeknallten Kerlen eine Anlaufstelle zu bieten, wo sie mich antreffen könnten. Bevor ich jemandem verrate, wo ich wohne, muss ich mir also wirklich sicher sein, dass derjenige es wert ist und keine schizophrenen Züge an sich hat.

      Ich stupse Carmen, die neben mir sitzt, an und mache sie auf Lisa aufmerksam. In ihren Augen kann ich sehen, wie erstaunt sie ist.

      Nachdem sie ihre Worte wiedergefunden hat, sagt sie zu Sybille und Marta: »Mädels, schaut mal da drüben!«

      Die beiden starren fassungslos zu dem Paar und scheinen nicht zu glauben, was sie sehen.

      Wir vier können den Blick nicht von dem Paar lösen. Keine von uns scheint es je für möglich gehalten zu haben, Lisa mit einem vorzeigbaren Mann zu sehen. Und so, wie sie sich gibt, hat sie von den anderen Mädels neben mir bestimmt noch keine gesehen. Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, Lisa ist glücklich oder wenigstens zufrieden und hat nichts zu meckern.

      »Das glaube ich nicht«, sagt Sybille. »Das kann nicht Lisa sein.«

      »Glaubt ihr die haben ein Date?«, fragt Marta. Ihre Stimme klingt so verwundert, als hätte sie soeben ein UFO entdeckt.

      »Keine Ahnung«, antwortet Carmen.

      »Ich kann mir nicht vorstellen, dass zwischen den beiden etwas läuft. Schaut sie euch doch mal an. Die passen überhaupt nicht zusammen«, sage ich in einem ziemlich gehässigen Ton.

      Jeder anderen aus der Clique würde ich den Kerl gönnen, aber das ausgerechnet Lisa so einen Mann abbekommt, scheint mir ungerecht zu sein.

      »Ich kann mir auch nicht vorstellen, was dieses Leckerchen von Lisa will. Wollen wir uns jetzt wirklich von Lisa trennen? Ich meine, vielleicht können wir den Typen ja kennenlernen«, schlägt Marta vor.

      »Also Marta, was du für Ideen hast«, antwortet Sybille prompt.

      »Warum? Marta hat doch irgendwie recht«, stimme ich zu.

      »Ihr wisst echt nicht, was ihr wollt, oder? Erst wolltet ihr Lisa unbedingt loswerden und nun wollt ihr so tun, als wäre alles in Ordnung. Sorry Mädels, aber bei so einer Heuchelei mache ich nicht mit!«

      Die Ansage von Carmen war eindeutig. Wir hätten uns denken können, wie wenig unser Temperamentbündel von der Idee hält. Sie ist ohnehin nicht der Typ Frau, der Intrigen gut findet. Am liebsten würde sie jedem Menschen, der ihr begegnet, direkt ins Gesicht sagen, was sie von ihm hält. Und jetzt wo Karl sich von ihr getrennt hat, habe ich den Eindruck, nimmt sie es mit der Ehrlichkeit noch genauer.

       Ich kann ja verstehen, dass sie im Moment die Schnauze voll von Männern hat, aber deshalb müssen wir nicht gleich alle, wie die Apostel leben. Einer von uns - außer Lisa - könnte sie dem gut aussehenden Typen ruhig gönnen.

      »Das heißt, es bleibt dabei, dass du nächsten Freitag mit ihr reden willst?«, hake ich nach.

      »Ja! Obwohl, warum bis Freitag warten? Wenn sie schon mal hier ist, können wir es doch sofort hinter uns bringen. Also Mädels, auf geht es!«

      »Ist das dein Ernst? Du willst jetzt zu ihr

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