Der meergrüne Tod. Hans-Jürgen Setzer
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Читать онлайн книгу Der meergrüne Tod - Hans-Jürgen Setzer страница 9
„Könnte ich mir gut vorstellen. Du nicht?“, fragte sie.
„Doch, im Moment kann ich mir das sogar sehr gut vorstellen.“ Leon glaubte nicht, dass er das gerade gesagt haben sollte. Er hatte seine eigenen Worte allerdings laut und deutlich gehört.
„Komm, wir gehen zu mir. Dann bin ich sicher, wenn ich aufwache, wirklich in deinen Armen zu liegen, jedenfalls, wenn ich die Tür zuschließe.“ Sophie nahm ihn an der Hand und zog ihn durch die Straße.
„Bist du sicher, dass du es morgen früh nicht bereust? Ein klein wenig älter bin ich ja schon.“
„Reifer, vielleicht. Und ein Wein oder ein Käse werden ja auch besser, wenn sie reifer sind.“ Sophie schmunzelte.
Sie gingen zu Sophies Wohnung, nahmen gemeinsam ein Schaumbad, verwöhnten sich dabei mit Einseifen, Massage und hinterher noch einer gegenseitigen Ölmassage. Erst gegen Morgen, um 4:00 Uhr, schliefen sie erschöpft ein.
Sie frühstückten gemeinsam und Leon brach gegen 9:00 Uhr zur Redaktion auf. „Ich würde dich gerne wiedersehen.“
„Klar, schon vergessen, wir fliegen zusammen nach Irland.“
Leon musste schmunzeln. „Nein, mal im Ernst. Du tust mir sooo gut.“
„Ja, ich weiß. Du mir auch. Wir können später gerne einmal telefonieren. Hier ist meine Handynummer.“ Sophie gab Leon einen Zettel mit ihrer Nummer. Sie legte sich noch einmal hin und träumte von der vergangenen Nacht.
Leon steckte den kleinen Notizzettel wie eine Trophäe in seine Jackentasche und fuhr gemächlich, ebenfalls von der Nacht träumend, zum Koblenzer Tageskurier.
Pizza Funghi
Leon tauchte heute ausnahmsweise einmal mit relativ guter Laune in der Redaktion auf. Dennoch ließen ihn vorsichtshalber alle in Ruhe, denn sie wussten ja nie, wie schnell Leons Stimmung wieder kippen würde, am frühen Morgen. Er verschaffte sich einen Überblick über seine Emails. Danach fertigte er einen kurzen Fragenkatalog an, für das Interview mit Jennifer Koch, beim Italiener. In Gedanken ließ er noch einmal die Begegnung mit Julian, dem Sohn von Jennifer, Revue passieren. Welchen Julian mochte er da wohl kennengelernt haben, den mit oder den ohne Drogen? Hierüber galt es mehr herauszufinden.
„Na, Herr Kollege, waren wir heute nicht so lange im Bett?“, klang es vom Nachbarschreibtisch.
„Oh nein, die Sportredaktion ist schon wieder auf Nervtour“, antwortete Leon.
„Hast du deinen Geheimauftrag bis in die Nacht ausgeführt? Du siehst aus, als hättest du gar nicht geschlafen“, sagte der Sportreporter.
„Volltreffer. Ich habe nach langer Zeit mal wieder Koblenz unsicher gemacht. Zudem hat ein echter Reporter niemals frei, ausgenommen vielleicht der Sportredakteur, der hat außer samstags immer Feierabend.“ Er lächelte bei diesen Worten, denn sie weckten erneut die Erinnerungen an Sophie und die herrliche Nacht. Und von dem Geheimauftrag musste erst einmal gar niemand etwas mitkriegen.
„So, ich muss noch mal los. Außendienst.“ Leon war froh, sich wieder aus diesem Großraumbüro verkrümeln zu können. Büroarbeit war einfach nicht sein Ding.
Er wollte sich die schriftlichen Unterlagen der Polizei ein wenig näher anschauen und dafür könnte er sich ja auch ein schöneres Plätzchen aussuchen. Er fuhr in ein Café in der Altstadt und blätterte die Aufklärungsmaterialien durch. Sie enthielten für ihn leider nichts wesentlich Neues. Es schien allerdings langsam an der Zeit, die Pizzeria aufzusuchen, in der er mit Jennifer Koch um 12:00 Uhr verabredet war.
„Hallo, Herr Walters, schön, Sie wiederzusehen.“
„Oh, Frau Koch, Sie sind bereits da. Die Freude ist ganz meinerseits. Warten Sie schon länger?“
„Nein, ich bin vor zwei Minuten gekommen. Sie müssen bitte entschuldigen, wie sich mein Sohn beim letzten Mal benommen hat. Das ist mir nach wie vor wirklich sehr unangenehm.“
„Machen Sie sich darüber nicht zu viele Gedanken. Jeder hat einmal einen schlechten Tag.“
„Ja, wenn es nur das wäre …“ Jennifer Koch brach in Tränen aus. Leon suchte nach einem Taschentuch.
„Lassen Sie mal, ich habe eines. Danke.“
Sie bestellten etwas zu essen und zu trinken und Leon begann mit den ersten Fragen.
„Stehen geblieben waren wir beim letzten Mal an dem Punkt, ob es Julian mit dem Medikament spürbar besser gegangen war.“ Leon schaute fragend zu Jennifer.
„Ja, genau. Also, die Lehrer waren schon zufriedener mit seinem Verhalten in der Schule, quasi der Handhabbarkeit von Julian und gaben mir das einige Male als Rückmeldung zu verstehen. Julian wirkte konzentrierter und ausgeglichener, die Schulleistungen wurden allerdings höchstens minimal besser. Einige aus einer Selbsthilfeorganisation sagten zu mir, man könne mit dem Medikament aus einem Volkswagen auch keinen Porsche machen. Es sei schließlich keine Intelligenzpille.“
„Okay, aber gewisse positive Veränderungen waren für Sie wahrnehmbar?“, fragte Leon.
„Ja, das kann ich bestätigen.“
„Was sagte Julian selbst zur Medikation?“, fragte er.
„Das ist schade, dass er Ihnen das nicht selbst erzählen wollte. Es ist gar nicht so leicht, das zu wiederholen. Er sagte, es fühle sich seltsam an. Er sei zwar ruhiger, konzentrierter, fühle sich dennoch im eigenen Körper wie fremd. Alles sei emotional wie gepuffert, fühle sich ein wenig stumpf an. Ein mitfühlendes Verbundensein mit anderen gelinge ihm kaum noch. So ähnlich hat er es, glaube ich, ausgedrückt.“
„Hmm, das klingt ja nicht gerade wie der Brüller. Ist ja viel Negatives dabei. Wie sehen Sie das?“ Leon schaute skeptisch.
„Ja, nach außen hin funktionieren die Kinder und Jugendlichen besser, aber sie stumpfen ab und entwickeln sich in ihren Erfahrungen und Gefühlen nicht so wie die Klassenkameraden.“ Jennifer Koch kämpfte wieder mit ihren Gefühlen und Tränen.
„Wirklich schwierig zu sagen, was da richtig und falsch ist. Da haben Sie es als Mutter wirklich nicht einfach, eine Entscheidung zu treffen.“ Leon konnte jetzt wirklich mitfühlen.
„Ja, deshalb wollte ich das Zeug so schnell wie möglich wieder absetzen. Ich war hin- und hergerissen und bekam immer mehr Zweifel an der Richtigkeit der Medikation.“
„Und wie ging es weiter? Nach dem Absetzen, meine ich.“
„Er fühlte sich durch die Auffälligkeiten vorher und dann durch die Diagnose und die Behandlung sowieso immer anders als die anderen. Für sein Selbstwertgefühl pures Gift. Nach dem Absetzen wurde das dann eher schlimmer. Die anderen zogen sich immer weiter zurück. Es gab keine Freunde und später keine Freundinnen mehr, während die Klassenkameraden alle Spaß zu haben schienen. Erfolgserlebnisse blieben aus. Rückwirkend betrachtet, ist jetzt eigentlich klar, dass dies in eine Drogenproblematik führen musste. Ich würde heute sagen, er wurde nach dem Absetzen depressiv.“
„Klingt ja wirklich katastrophal. Wurde denn vorher