Nur Fleisch. Jack London

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Nur Fleisch - Jack London

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habe heute Abend keinen Hunger.«

      Er legte den Löffel nieder, schob seinen Stuhl zurück und erhob sich müde vom Tisch.

      »Und ich denke, jetzt gehe ich zu Bett.«

      Er schleppte die Füße noch mehr als gewöhnlich nach, als er durch die Küche ging. Sich zu entkleiden, bedeutete eine Titanenarbeit, eine ungeheure Abrackerei für ihn, und er weinte vor Schrecken, als er, noch mit einem Schuh, ins Bett kroch. Er hatte das Gefühl, als erhöbe und schwölle etwas in seinem Kopf und machte sein Hirn dickflüssig. Seine mageren Finger fühlten sich ebenso dick an wie sein Handgelenk, und in den Fingerspitzen hatte er ein Gefühl, als gingen sie ihn nichts an, und als wären sie ebenso unbestimmt und dickflüssig wie sein Hirn. Seine Lenden schmerzten unerträglich. Jeder Knochen in seinem Körper schmerzte. Und in seinem Kopfe begann es zu kreischen und zu klopfen, zu knarren und zu poltern wie von Millionen Webstühlen. Der ganze Raum war wie von fliegenden Weberschiffchen erfüllt. Sie schossen wirr zwischen den Sternen ein und aus. Er hatte selbst tausend Webstühle zu besorgen, und sie liefen immer schneller und schneller, und sein Hirn wickelte sich, schneller und schneller, ab und wurde zu dem Faden, der die tausend fliegenden Schiffchen tötete.

      Am nächsten Morgen ging er nicht zur Arbeit. Er war zu beschäftigt mit dem ewigen Gesurr der tausend Webstühle in seinem Kopfe. Seine Mutter ging zur Arbeit. Vorher aber schickte sie nach dem Arzt. Es sei ein ernster Anfall von Grippe, meinte der. Jenny machte die Krankenschwester nach den Anweisungen des Arztes.

      Es war ein sehr ernster Anfall, und es dauerte eine ganze Woche, bis Johnny sich ankleidete und kraftlos durch die Zimmer wankte. Es würde noch eine Woche dauern, sagte der Arzt, ehe er gesund genug sei, zu seiner Arbeit zurückzukehren. Der Vorarbeiter der Webstube besuchte ihn am Sonntag, dem ersten Tage, als er wieder ein wenig zu Kräften gekommen war. Der beste Weber im ganzen Raum, sagte der Vorarbeiter zu seiner Mutter. Seine Stellung würde ihm freigehalten werden; er könnte am Montag in acht Tagen wieder anfangen.

      »Warum bedankst du dich nicht, Johnny?« fragte seine Mutter bekümmert.

      »Er ist so krank gewesen, daß er noch nicht wieder recht zu sich gekommen ist«, entschuldigte sie sich bei dem Gast.

      Johnny saß mit hochgezogenen Schultern da und sah unabgewandt zu Boden. Noch lange, nachdem der Vorarbeiter gegangen war, saß er in derselben Stellung da. Es war ein warmer Tag und am Nachmittag saß er draußen auf der Treppe. Ab und zu bewegte er die Lippen. Es war, als sei er ganz in endlose Berechnungen verloren.

      Am nächsten Tage setzte er sich, sobald es warm wurde, wieder auf die Treppe. Diesmal hatte er einen Bleistift und Papier mitgenommen, um weiter an seinen Berechnungen zu arbeiten, und er rechnete mühselig mit verblüffend hohen Zahlen.

      »Was kommt nach Millionen?« fragte er mittags, als Will aus der Schule kam. »Und wie rechnet man damit?«

      Am selben Nachmittag wurde er mit seiner Rechnung fertig. Jeden Nachmittag setzte er sich wieder auf die Treppe, aber ohne Papier und Bleistift. Er beschäftigte sich eifrig mit dem einsamen Baum, der auf der anderen Seite der Straße wuchs. Er studierte ihn jedesmal stundenlang und beobachtete mit größtem Interesse, wenn der Wind die Zweige bewegte und die Blätter rasselnd aneinanderschlagen ließ. Die ganze Woche schien er in Gedanken versunken. Am Sonntag, als er auf der Treppe saß, lachte er mehrmals laut, was seine Mutter, die ihn viele Jahre lang nicht lachen gehört hatte, in hohem Maße beunruhigte.

      Am nächsten Morgen trat sie, ehe es hell geworden war, an sein Bett, um ihn zu wecken. Er hatte sich diese Woche richtig ausgeschlafen und wachte sehr leicht auf. Er wehrte sich nicht und versuchte auch nicht, sich am Deckbett festzuhalten, als sie es abriß. Er blieb ganz ruhig liegen und sagte:

      »Es hat keinen Zweck, Mutter!«

      »Du kommst zu spät«, sagte sie im Glauben, daß er immer noch halb im Schlaf wäre.

      »Ich bin wach, Mutter, und ich sage, daß es keinen Zweck hat Du kannst mich ebensogut in Ruhe lassen. Ich gedenke nicht aufzustehen.«

      »Aber du verlierst deine Stelle!« rief sie.

      »Ich denke nicht daran, aufzustehen«, wiederholte er mit seltsam leidenschaftsloser Stimme.

      Sie ging selber an diesem Morgen nicht zur Arbeit. Das war eine weit schlimmere Krankheit als jede, die sie je gekannt hatte. Fieber und Fieberphantasien konnte sie verstehen, aber das war ja der reine Wahnsinn. Sie deckte ihn wieder zu und schickte Jenny nach dem Arzt.

      Als er kam, schlief Johnny ruhig, und er wachte friedlich auf und ließ es sich gefallen, daß der Arzt seinen Puls fühlte.

      »Es ist nichts mit ihm«, erklärte der. »Schrecklich entkräftet – das ist alles. Er hat nicht viel Fleisch auf dem Leibe.«

      »So ist er immer gewesen«, warf seine Mutter ein.

      »So, geh nun, Mutter, und laß mich ausschlafen.« Johnny sprach sanft und ruhig, und sanft und ruhig drehte er sich auf die Seite und schlief ein.

      Um zehn wachte er auf und kleidete sich an. Er ging in die Küche, wo seine Mutter mit erschrockenem Gesicht herumhantierte.

      »Ich will dir nur Lebewohl sagen, Mutter«, sagte er, »denn jetzt gehe ich.«

      Sie schlug sich die Schürze vors Gesicht, setzte sich plötzlich und weinte. Er wartete geduldig.

      »Ich hätte es mir sagen können«, schluchzte sie.

      »Wohin?« fragte sie schließlich, nahm die Schürze herab und sah ihn an, neugierig, aber mit einem Ausdruck, als ob sie völlig gelähmt wäre.

      »Das weiß ich nicht – und es ist auch einerlei.«

      Während er sprach, stand plötzlich der Baum auf der anderen Seite der Straße mit blendender Klarheit vor ihm. Es war, als wäre er immer da, so daß er ihn jederzeit sehen konnte, wenn er es wünschte.

      »Und deine Stelle?« sagte sie mit zitternder Stimme.

      »Ich will nie mehr etwas tun!«

      »O Gott, Johnny«, klagte sie. »Das darfst du nicht sagen.«

      Was er sagte, war ja die reine Gotteslästerung für sie. Wie eine Mutter, die ihr Kind Gott verleugnen hört, so entsetzte sich Johnnys Mutter über seine Worte.

      »Was ist denn nur in dir vorgegangen?« sagte sie mit einem lahmen Versuch, gebieterisch aufzutreten.

      »Zahlen«, antwortete er. »Nur Zahlen. Ich habe mich die ganze Woche mit einer Menge Zahlen beschäftigt, und das ist sehr merkwürdig.«

      »Ich sehe nicht ein, was das damit zu tun hat«, seufzte sie.

      Johnny lächelte geduldig, und es gab seiner Mutter gleichsam einen Ruck, als sie plötzlich erkannte, wie vollkommen seine Verdrießlichkeit und Reizbarkeit verschwunden waren.

      »Jetzt will ich es dir zeigen«, sagte er. »Ich bin todmüde. Was ist es, was mich so müde macht? Bewegungen. Ich habe mich bewegt, seit ich geboren wurde. Ich bin es müde, mich zu bewegen, und ich will mich nicht mehr bewegen. Weißt du noch, wie ich in der Glasfabrik arbeitete. Da konnte ich dreihundert Dutzend Flaschen jeden Tag fertigmachen. Sieh, ich rechne nun, daß ich ungefähr zehn verschiedene Bewegungen mit jeder Flasche machte. Das macht sechsunddreißigtausend Bewegungen am Tage. Etwas über eine Million Bewegungen im Monat. Rechnen

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