Losing Game. Valuta Tomas
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»Du glaubst, dass wir beide zusammen sind?«, lacht sie und schüttelt den Kopf.
»Bestimmt nicht. Wir vögeln zwar oft miteinander, aber ich würde niemals eine Beziehung mit ihr führen. Laura ist gar nicht fähig zu so etwas. Die treibt es mit jeder, die nicht schnell genug auf den Bäumen ist. Ich hingegen, bin da eher etwas monogam eingestellt. Ich halte mich lieber nur an eine Frau«, lächelt Sam und zwinkert Neve erneut zu. Dieses Mal wirkt es aber vertrauensvoller.
Sam schnappt sich erneut ihre Bierflasche und trinkt wieder einen großen Schluck. Als Neve sie dafür anschnauzen will, klingelt Sams Handy. Sie zieht es flink aus der Hose und nimmt das Gespräch mit einem kurzen »Ja?« an. Sie horcht angestrengt. Dann blickt sie auf ihre dicke Sportuhr. Genervt verdreht sie die Augen.
»Heute noch? Kann der sich nicht eine andere aussuchen? Es sind doch genug zur Auswahl da«, grummelt sie wütend. Offensichtlich geschlagen, legt sie den Kopf in den Nacken. Sie springt vom Sessel hoch, läuft zum Tresen und bittet die Bedienung, mit kurzen Handzeichen, um Stift und Papier.
»Ja ja, immer ich. - Wo und wann? - Nein, nicht A.J., ich nehme Laura mit.« Neve beobachtet Sam, wie sie etwas auf das Papier schreibt und das Gespräch mit einem kurzen »Ja ok, ciao.« beendet. Dann dreht sie sich zur Seite, legt zwei Finger an ihre Lippen und pfeift schrill durch den Club.
Wie auf Befehl, reißt sich Laura von der fremden Frau los. Wie ein räudiger Hund läuft sie auf Sam zu, die mit dem Zettel in der Luft herumwedelt. Sie liest sich das Geschriebene durch. Wortlos nickt sie. Gleich danach stehen beide bei Neve und Jessica am Tisch. Laura ist sichtlich sarkastisch erfreut, Neve in dieser Räumlichkeit zu sehen. Ihr Blick wandert dann zu Jessica. Scheinbar beeindruckt, zieht sie die Augenbrauen hoch. Sie hatte schon immer eine Schwäche für farbige Frauen.
Sam reicht Jessica die Hand und verabschiedet sich freundlich von ihr, um dann auch Neve die Hand zu reichen.
»Bis morgen, Ms. Stewart«, verabschiedet sie sich ungewöhnlich freundlich. Geduldig wartet sie, dass Neve ihre gereichte Hand empfängt. Es dauert etwas, bis sie diese tatsächlich entgegennimmt. Allerdings muss sie gleich darauf diese freundliche Geste als großen Fehler abstempeln. Denn anstatt einfach die Hand zu nehmen, beugt sich Sam etwas herunter, dreht Neves Hand vorsichtig und haucht ihr einen Kuss auf den Rücken. Provokant blickt sie ihr dabei direkt in die Augen.
Neve reißt ihre Hand weg und wischt den Handrücken angewidert an der Hose ab, was Sam nur belächelt. Sie nimmt zum dritten Mal die Bierflasche, trinkt, stellt sie auf dem Tisch ab und verlässt mit Laura den Club.
»Wer war das denn?«, fragt Jessica erschlagen und sieht, wie Neve mit einem nachdenklichen Blick und wandernden Augen über den Tisch blickt. Scheinbar in Gedanken vertieft, greift sie nach der Bierflasche. Sie will einen Schluck trinken, als sie die Flasche skeptisch anschaut.
»Ich fasse es nicht, die hat mir das ganze Bier ausgetrunken«, schimpft sie wütend. Mit einem lauten Knall stellt sie die leere Flasche auf den Tisch zurück.
»Wer war das?«, fragt Jessica erneut, erreicht Neve aber noch immer nicht. Sie ist wieder in ihren Gedanken vertieft. Plötzlich springt Neve vom Stuhl hoch und geht an den Tresen.
»Entschuldigen sie bitte!?«, ruft sie die Bedienung zu sich.
»Könnte ich bitte den Block und einen Stift haben, den die junge Frau eben benutzt hat?« Die Bedienung schaut sie etwas verwirrt und fragend an, reicht ihr dann aber doch beides. Sofort beginnt Neve vorsichtig mit dem Stift auf dem Papier herumzustreichen, bis nach und nach die Adresse sichtbar wird, die Sam dort notiert hat. Neve reißt das Papier vom Block ab, dreht sich um und blickt Jessica bittend an.
»Bezahlst du für mich mit? Ich bezahle beim nächsten Mal, versprochen. Ich rufe dich später an und erkläre dir alles«, wirft sie ihrer Freundin entgegen und verlässt fluchtartig den Club.
Mit erhöhtem Tempo fährt sie durch die nächtlichen Straßen, bis sie in der Post Street angekommen ist und die Hausnummer 974 sucht. Schon nach wenigen Minuten ist sie am Ziel angekommen. Sie sieht Sams Chevy vor dem Gebäude stehen. Was zum Teufel läuft hier? Es kommt ihr nicht vor, als würde hier eine Nummer der Five Dogs laufen. Dafür ist die Luft zu sauber. Was suchen Sam und Laura dann also hier?
Um ihre Neugierde zu befriedigen, steigt Neve aus und läuft auf das Gebäude zu. Erwartungsvoll will sie die Tür zu dem Gebäude öffnen, in dem sie Sam und Laura vermutet. Verschlossen. Wie könnte es auch anders sein?
»Verdammt«, flucht sie wütend und rüttelt verzweifelt an der Tür.
»Shit!« Neve geht einige Schritte rückwärts und blickt zum Gebäude hoch. Es sind nur drei Stockwerke. Also kann Sam sich nicht so sehr verstecken, dass Neve sie nicht findet.
Wirr blickt sie sich um. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich die Jones Memorial United Methodisten Kirche. Sie läuft zu ihrem Wagen zurück und holt ein Fernglas aus dem Kofferraum. Ohne darüber nachzudenken, läuft sie auf die Kirche zu und verschwindet im Hinterhof. Dort vermutet sie einen Aufgang zum Dach der Kirche.
Nach wenigen Minuten hat sie das Dach über eine Feuerleiter erreicht. Sie hockt sich gegenüber von dem Gebäude in unauffälliger Position und setzt das Fernglas an.
»Wo seid ihr?«, murmelt sie. Systematisch tastet sie das Gebäude mit dem Fernglas ab. Fenster um Fenster bricht sie ohne Genehmigung in die Privatsphäre der Leute ein, die dort wohnen, bis sie ihr Ziel endlich im Fokus hat.
»Hallo Laura«, begrüßt sie flüsternd die junge Dame, die sie im dritten Stock ausfindig macht. Laura steht, mit vor der Brust verschränken Armen, an einer Wand und gleicht einem Bodyguard. Wie witzig das aussieht. So witzig, dass Neve hinter dem Fernglas grinsen muss, die Etage aber weiter abtastet.
»Wo versteckst du dich Sam?«, fragt sie leise. Sie grinst noch immer, bis ihr eine Tür ins Auge sticht. Diese öffnet sich im selben Moment. Sam tritt heraus. Vor Schreck rutscht Neve das Fernglas aus der Hand. Sekundenlang starrt sie geschockt auf das Gebäude, bis sie blind nach dem Fernglas tastet und es wieder ansetzt.
»Oh mein Gott«, flüstert sie hauchend, als sie Sam sieht. Ihr wird erst nach ein paar Sekunden klar, weshalb sich die beiden Schülerinnen hier befinden und Sam, zum Teufel nochmal, nur noch einen BH, Stringtanga und High Heels trägt. Ihr Gesicht ist aufdringlich, aber professionell geschminkt.
Hektisch schwenkt Neve mit dem Glas zum nächsten Fenster auf dieser Etage. Sie sieht einen älteren Mann, der freudestrahlend auf einer Couch sitzt und begeistert nach vorne blickt. Sicherlich hat er Sam direkt im Blickfeld, was Neve ihm gleichmacht. Sie lässt Sam keine Sekunde aus den Augen.
»Tu das nicht Sam! Tu das verdammt noch mal nicht!«, schimpft sie leise mit ihrer Schülerin. Allerdings muss sie unterlegen aufgeben, als Sam die ersten Schritte auf den Mann zumacht.
Ok, langsam! Neve fängt an mit ihrem Gehirn zu arbeiten und stellt folgende Dinge für sich fest. Sam ist Schülerin auf der UC Berkeley Extension Schule, sie ist 21 (wie sie aus dem Klassenbuch entnahm), sie ist bei den Five Dogs (einer der gefährlichsten Gangs von Frisco) und ist offensichtlich eine Stripperin, die zu diesem Auftrag angerufen wurde. Das bedeutet, dass sie bei einer Agentur gemeldet ist und solche Auftritte per Telefonat bekommt.
Neve weiß jetzt schon, dass sie zu Hause das ganze Internet auf den Kopf stellen wird, um herauszufinden, bei welcher Agentur Sam arbeitet.
Doch jetzt konzentriert sie sich wieder auf diesen ungewöhnlichen Anblick.