Closing Words. Valuta Tomas
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Neve senkte den Kopf. Angestrengt atmete sie laut aus. Sie zog die Schultern hoch.
»Keine Ahnung. Irgendwie ist das für mich auch noch etwas komisch. Aber ich weiß, dass ich das schaffen werde.«
»Daran zweifle ich nicht eine Sekunde«, hauchte Sam, als sie einen letzten Schritt auf Neve zumachte. Sie stand ihr jetzt so dicht gegenüber, dass Neve keine andere Möglichkeit hatte, als den Kopf zu heben und sie anzusehen. Es war unglaublich. Auch mit diesen neuen Augen, schaute Sam sie mit so einem ausdrucksstarken Blick an, dass Neve fast für eine Sekunde ihre Tochter vergessen und sie am liebsten ins Schlafzimmer gezogen hätte.
Neve hob einen Arm. Sanft strich sie mit dem Zeigefinger über Sams vollen Lippen. Verträumt schaute sie dem Finger nach.
»Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich schon manchmal deinen alten Körper vermisse. Dieser hier ist faszinierend, sexy und atemberaubend, aber er ist eben nicht…« Neve suchte die richtigen Worte.
»… nicht Sam.« Anstatt gekrängt zu wirken, lächelte Sam spitzbübisch.
»Wenn du so ein großes Verlangen nach meinem alten Körper hast, kann ich ihn dir gerne ausgraben. Ich weiß allerdings nicht wie weit der Verwesungsprozess vorangeschritten ist, oder ob die Maden und Würmer noch etwas davon übrig gelassen haben. Damit kennst du dich besser aus«, gluckste sie frech. Erschrocken und zugleich angeekelt riss Neve die Augen auf.
»Boah, du bist widerlich«, schimpfte sie wie ein Rohrspatz. Sam hatte als Antwort darauf nur ein kurzes Lachen, als sie wie ein Wiesel vor Neve flüchtete. Die ältere Frau wollte sich nicht mit einem so ekelerregenden Gedanken abfertigen lassen, den sich Sam als Spaß ausdachte und rannte ihr hinterher.
Auch wenn Precious den Grund dafür nicht kannte, weshalb sich ihre Mütter lachend durch das Haus jagten, hüpfte sie dennoch vom Hocker des Tresens und rannte ihnen quietschend hinterher.
***
Neve schaut flüchtig zu Nortons Büro. Ihren neuen Vorgesetzten kann sie ebenso wenig leiden, wie Norton. Allerdings aus einem ganz anderen Grund. Dieser Grünschnabel kam frisch von der Uni. So kam es ihr jedenfalls vor, als dieser Jungspund der Abteilung vor drei Jahren vorgestellt wurde. Sicherlich hat der noch nie eine Leiche gesehen, noch nie Blut gerochen, oder dabei zusehen müssen, wie Gliedmaßen zusammengesucht werden mussten, damit der Körper als eine Einheit beerdigt werden konnte. Sicherlich wohnte er auch noch nie einer Autopsie bei.
Als sie Jill das erste Mal zu so einer mitnahm, musste sie innerlich schon etwas schmunzeln. Sehr zum Leidwesen von Jill, hoffte sie, dass sie ihrer Kollegin eine Brechtüte reichen konnte. Oder sie zumindest heldenhaft auffangen konnte, wenn diese in Ohnmacht fiel, nur weil der Brustkorb des Leichnams aufgeschnitten wurde. Allerdings kam alles anders als es sich Neve erhoffte. Jill stand interessiert neben ihr und beobachtete den Rechtsmediziner bei seiner Arbeit. Sie stellte Fragen, saugte die Antworten wissbegierig auf, beugte sich über den Körper und blickte fasziniert über die menschlichen Innereien. Selbst als der Rechtsmediziner das Herz des Opfers aus dem Körper nahm, um es zu wiegen, stand Jill noch auf ihren Beinen. Sie folgte ihm zur Waage und beobachtete jede seiner Handlungen.
»Wahnsinn«, staunte sie Bauklötze. Neve schlenderte hingegen enttäuscht durch die Räumlichkeit. Damit hat sie tatsächlich nicht gerechnet. Dass Jill wahrhaftig dieses Interesse an toten Körpern zeigte. Dass sie keine Probleme mit diesem Bild und all den Gerüchen hatte. Es schien ihr nicht das Geringste auszumachen. Offensichtlich genoss sie das sogar.
»Hör auf so sehnsüchtig an die alten Zeiten zu denken.« Jills flüsternde Stimme reißt Neve aus ihren Gedanken.
»Hä?« Plump wie sie manchmal sein kann, schaut sie ihre Kollegin und Freundin an.
»Du erinnerst dich doch eben sicherlich daran, wie ihr damals Norton gefunden habt, nicht?« Neve ist erstaunt, dass Jill in ihr lesen kann. Wenn auch etwas am Ziel vorbeigeschossen, aber scheinbar hat ihre Kollegin keine allzu großen Schwierigkeiten damit.
Neve blickt zu Nortons Büro zurück.
»Nein, das war es nicht ganz. Ich hätte damals vielleicht doch die Gelegenheit nutzen sollen, den Posten anzunehmen. Dieser junge Hüpfer da drüben bereitet mir jeden Morgen schlechte Laune.« Jill kichert leise. Auch ihr passt der Jungspund nicht, ergab sich aber dieser Entscheidung.
Als Norton damals ermordet aufgefunden wurde, wurde Neve, genauer genommen Eden, das Angebot gemacht, die Chefin der Abteilung zu werden. Sie lehnte es nach reichlicher Überlegung dankend ab. Ihr war es einfach zuwider Mordfälle nur noch auf dem Papier zu bearbeiten. Sie brauchte die Straße und den engen Kontakt zum Verbrechen. Hinter dem Schreibtisch wäre ihr das alles verwehrt geblieben. Etwas was sie einfach nicht wollte.
Jetzt bereut sie es manchmal. Ihrem Vorgesetzten muss sie einige Fälle manchmal so kleinlich auseinandernehmen, damit dieser versteht wovon sie redet, dass sie irgendwann müde davon wird. Müde wegen den Erklärungen, müde wegen dem Unwissen ihres Vorgesetzten, müde wegen der eigentlich unnütz gebrauchten Energie. Mit wem hat der Typ nur geschlafen, dass er diesen Posten bekam?
Zwangsläufig, weil Jill sie darauf ansprach, driften Neves Gedanken ab.
Vor drei Jahren stand Trevor neben ihr am Tisch. Sein Gesicht war aschfahl. Es hatte fast den Anschein, als wenn er jeden Augenblick ohnmächtig wurde.
Gerade als sie ihn fragte wollte was mit ihm sei, hauchte dieser »Sie haben Norton gefunden. Oder das was von ihm übrig ist«. Trevor schluckte bei diesen Worten. Neve wusste hingegen nicht, ob sie jubeln oder ebenso geschockt wirken sollte. Sie entschied sich für letzteres.
Bei der Ankunft im Siuslaw National Park, tummelten sich unzählige Polizeibeamte. Ebenso viele FBI Kollegen. Neve war sich nicht sicher, ob diese als Schaulustige dienten, oder an dem Fall mitwirken wollten. Denn mit dem Leichenfund wurde Norton automatisch zu einem Fall.
Trevor und Neve bekamen diesen Fall zugesprochen, weil Neve als Eden schon immer einen guten Draht zu ihrem Vorgesetzten hatte. Es lag also nahe, dass sie und Trevor seinen Tot aufklären sollten.
Die beiden Kollegen betraten den Tatort. Es schien Trevor schwer zu fallen das Absperrband zu heben, damit sie dort drunter durchlaufen konnten. Es wirkte, als wenn es aus Stahl angefertigt worden wäre.
»Versucht die Nerven beisammen zu halten. Das ist wirklich kein schöner Anblick«, warnte ein anderer Kollege die beiden vor.
Während der langen Fahrt zum Park, malte sich Neve schon die tollsten und buntesten Bilder aus wie sie Norton