Final Game. Valuta Tomas
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Sam vergräbt ihr Gesicht in Jeans kleinen Körper und muss unwillkürlich an den Augenblick denken, als sie den Zwerg zur Welt brachte. Als Neve in dem Geburtsbecken vor ihr kniete und auf dieses kleine Wesen starrte, welches sie mit aller Kraft aus ihrem Unterleib presste. Sam spürte noch nie zuvor in ihrem Leben solche Schmerzen wie in diesem Augenblick. Sie glaubte, ihre Vagina würde in Fetzen zerrissen werden. Erst im Nachhinein wurde ihr klar, dass sie trotz der Schmerzen wusste, dass Neve bei ihr war. Dass durch sie alles nicht so schlimm war. Neve war in diesem wichtigen Augenblick bei ihr und half ihr, ihre Tochter auf die Welt zu bringen. Jean hätte also für den Rest ihres Lebens so oder so die Arschkarte gezogen, weil Sam bei ihrem Anblick immer an den Moment erinnert werden würde, wo Neve die kleine Maus ihrer Frau auf den Brustkorb legte. Jean würde sie also auf ewig an Neve erinnern.
»Tu mir das nicht an, Neve. Tu mir das bitte nicht an«, schluchzt Sam in Jeans Brust. Sie weiß nicht wohin mit sich. Sie fühlt sich so hilflos und alleine. Egal wie sehr sich ihre Freunde und ihre Kids um sie kümmern würden, sie wäre immer alleine. Alleine, weil Neve nicht an ihrer Seite ist. Sie kann das nicht. Sie kann das einfach nicht. Sie wird ihrer Frau folgen, das weiß sie. Sollte Neve das alles wirklich nicht überleben, wird Sam ihr folgen. Sie hat gar keine andere Möglichkeit als diese. Sie kann einfach nicht ohne Neve leben.
***
Mit Jean fest in ihren Armen geklammert, steht Sam mit weichen Knien vor Precious' Zimmertür. Zaghaft klopft sie. Keine Antwort. Sie klopft noch einmal, erhält aber erneut keine Antwort.
»Precious?« Die Frage prallt an der verschlossenen Zimmertür ab. Verlegen, weil sie das eigentlich nur ungerne macht, öffnet Sam ungebeten Precious' Zimmertür.
»Precious?«, ruft sie vorsichtig hinein. Noch immer keine Antwort. Leise betritt sie das Zimmer. Suchend blickt sie um sich. Das Zimmer ist leer. Sam weiß aber, dass Precious hier hereingegangen ist. Sie ist definitiv in ihr Zimmer gegangen. Wo ist sie aber?
Besorgt tritt Sam an das Fenster heran. Verschlossen.
»Precious?« Angst steigt in Sam auf. Wo ist Precious? Es kann doch nicht sein, dass … . Sam reißt sich herum, als sie einen merkwürdigen Laut hört. Ihre Augen richtet sie auf die Schrankwand. Langsam geht sie dort hin. Das Geräusch wird lauter. Es ist ein Schluchzen, ein Weinen.
Eigentlich völlig kraftlos, nimmt Sam Jean zur Seite und setzt sie auf ihr Becken, umgreift den Griff der Schrankwand und öffnet die Tür.
»Precious?« Sams Augen schweifen verzweifelt über die ganze Kleidung die auf der Stange hängt.
»Precious?« Besorgt schiebt sie die Kleidung zur Seite und sieht gleich darauf einen kleinen Berg mit einer Jacke auf dem Boden, der sich bebend bewegt. Langsam geht Sam in die Hocke, greift nach der Jacke und zieht sie von dem Berg herunter. Zum Vorschein kommt eine große Ansammlung von lockigen Haaren, zwei Arme die sich um die Beine geschlungen haben und ein Kinderkörper der bebend weint. Alleine dieser Anblick schmerzt Sam so sehr, dass sie kaum atmen kann. Ihre Tochter weint. Ihre Tochter weint so heftig wie noch nie zuvor in ihrem Leben.
»Schatz?« Sams Stimme ist ganz leise - kaum zu hören. Die Maus hört sie aber. Zögernd hebt sie den Kopf. Ihre roten und verweinten Augen richtet sie auf ihre Mutter, die bei dem Anblick ihres weinenden Kindes fast ohnmächtig wird. Sie kann es nicht ertragen. Mit einem Mal wird ihr schlagartig schwindelig.
Um sich und Jean aber nicht zu schaden, sinkt sie langsam zu Boden und setzt sich. Im nächsten Moment schießt Precious aus ihrer kauernden Haltung hoch und stürzt in Sams Arme. Sie heult Rotz und Wasser. Sie schreit sogar. Alleine das zu hören, zu sehen und auch zu spüren, treibt Sam selbst die Tränen in die Augen.
»Mummy soll nach Hause kommen! Ich will, dass Mummy nach Hause kommt! Sofort!«, brüllt Precious weinend. Sam will ihr antworten, kann aber nicht. Ein verräterischer Kloß hat sich in ihrem Hals festgesetzt und hindert sie sogar am freien atmen. Krächzend versucht sie zu antworten, gibt aber auf. Stattdessen gibt sie sich ihren eigenen Gefühlen hin und weint zusammen mit Precious um ihre Frau.
Round 15
Sam hat kaum geschlafen, dennoch steht sie mit Precious an der Hand am nächsten Vormittag im Krankenhaus. Jean hat sie bei Matt in der Werkstatt gelassen. Sie hat im Augenblick genug mit sich selber und Precious zu tun. Jean würde eh noch nicht verstehen was sie hier macht und was auf sie zukommen würde. Precious hingegen weiß ganz genau welcher Weg nun vor ihr liegt.
Es war eine unausgesprochene Abmachung, als Precious am Abend zuvor mit ihren Schlafsachen bei Sam im Schlafzimmer stand und nach einem kurzen Blick zu ihrer Mutter ins Bett kraxelte. Sam schaute noch einmal nach Jean, kroch dann aber auch ins Bett, nahm Precious in den Arm und schlief irgendwann mit ihr ein. Zwar wachte sie nach wenigen Minuten Schlaf immer wieder auf, aber die Maus schlief wenigstens. Mehr wollte sie gar nicht.
Jetzt steht sie aber mit der Kleinen vor Neves Zimmer. Sam hat es gestern nicht mehr geschafft dieses zu betreten. Sie floh irgendwann vor diesem Anblick und den Schmerzen die ihr dadurch bereitet wurden. Ihr ist also alles, was nun auf sie zukommt, ebenso fremd wie Precious.
»Bereit?«, fragt sie ihre Tochter leise, schaut zu ihr hinunter und drückt ganz vorsichtig ihre Hand. Der Lockenkopf schüttelt sich heftig.
»Ok, dann warten wir noch etwas.« Sam will gerade umdrehen und sich noch ein paar Minuten auf die Stühle setzen, als Precious sie davon abhält. Eisern hält sie sich an ihrer Hand fest, umgreift mit der anderen den Griff und schiebt mit aller Kraft die Tür etwas auf.
Sam zieht die Luft scharf ein, als sie das Beatmungsgerät arbeiten hört. Schon damals nach der Stromattacke war ihr dieses Geräusch zuwider. Niemals hätte sie geglaubt dieses jemals wieder hören zu müssen.
Precious öffnet die Tür ein weiteres Stück. Abrupt bleibt Sam stehen. Ihre Augen haften sich an dieses grauenvolle Bild, das ihr auf ein Neues geboten wird.
Regungslos und an unzähligen Maschinen angeschlossen, liegt Neve im Bett. Irgendwie hoffte Sam, dass Neve in der Zwischenzeit aufgewacht ist und sie nun willkommen heißt. Aber die Realität sieht wieder einmal anders aus. Nichts hat sich geändert. So wie Sam sie gestern verlassen hat, liegt Neve noch immer dort. Fast stramm wie ein Zinnsoldat liegt ihr abgemagerter Körper im Bett und ist mit einer dünnen Decke zugedeckt. Links neben ihr steht ein Perfusor mit insgesamt sechs verschiedenen Medikamenten. Rechts vom Bett steht das Gerät für die Vitalparameter, daneben dieses … dieses … Monster von Herz-Lungen-Maschine. Das Ding, das Neves Körper am Leben hält … obwohl Neve das in diesem Ausmaß niemals wollte. Drei verschiedene Monitore sprühen ihre elektronischen Wellen durch das Zimmer und überwachen Neves Blutdruck, Körpertemperatur und Atmung. Unzählige Digitalanzeigen präsentieren irgendwelche Ziffern mit denen Sam nichts anfangen kann.
Sams Körper bewegt sich keinen Zentimeter vom Fleck, während Precious mutig auf das Bett ihrer Mutter zugeht. Als sie allerdings einen Widerstand an ihrer Hand spüren kann, bleibt sie stehen und blickt zu Sam zurück. Deren Augen sind vor Schock weit geöffnet. Bestürzt über diesen Anblick, starrt Sam weiterhin zu dem Bett in dem ihre Frau liegt und von diesem kleinen Besuch nicht das Geringste mitbekommt.
Neves Mund ist durch einen dicken Schlauch fast vollständig verdeckt. Nichts lässt erahnen was Neve mit diesem Mund alles machen kann. Alles Schöne und alles Üble, nichts. Jetzt scheint alles stehen geblieben zu sein. Nichts entspricht mehr der Normalität. Selbst die unzähligen Kabel