Das verschwundene Schiff. Geri Schnell
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So langsam kommt auch unter den Gästen Ferienstimmung auf. Nach den Auftritten spielt eine Band zum Tanz auf. Auch die Bars und das Spielkasino sind jetzt geöffnet.
Vor dem Nachtessen gibt es nochmals Arbeit. Reto muss eine Frau zur Massage zu bringen. Bei der Bar vom Oberdeck findet er Clementine sofort. Sie spricht ihn an: «Du bist sicher Reto», fragt sie und setzt ein charmantes Lächeln auf, «willst du noch einen Drink?»
«Ja gerne, aber nur eine Cola, bei der Hitze lieber ohne Alkohol.»
«Oh, einer aus der seriösen Fraktion», stellt sie in kaum verständlichem Dialekt fest.
Es dauert einige Zeit bis er den Dialekt einordnen kann, aber es ist klar, sie muss aus Österreich stammen, vermutlich neeine echte Wienerin. Doch getreu dem Motto, die Privatsphäre zu wahren, behält er diese Erkenntnis für sich. Für seinen Job braucht er keine genaueren Angaben.
Reto steigt auf den Barhocker. Nun ist es ihm etwas wohler, die schlanke Frau ist sicher grösser als ein Meter achtzig und er ist sich etwas klein vorgekommen. Nun ist der Unterschied ausgeglichen und es bleibt nur noch der Altersunterschied, sie ist mit Sicherheit über fünfzig.
Sie schwärmt etwas über die frische Meeresluft und wie gut ihr die tut. An ihrer Hand vermisse Reto einen Ehering, doch sie trägt dafür einen sündhaft teuren Diamantring. Nebenan unterhalten sich zwei beleibte Herren über Geld. Sie tragen, was die genannten Beträge angeht, recht dick auf. Der schlanken Lady können sie damit nicht imponieren, sie interessiert sich mehr für die Schönheiten der Natur.
Nach einer halben Stunde macht Reto sie diskret darauf aufmerksam, dass sie den Termin beim Masseur einhalten muss, sonst ist er anderweitig vergeben. Sie entschuldigt sich, «ach, hätte ich beinahe vergessen, war nett mit dir zu plaudern.»
Der asiatische Masseur lässt sich nicht anmerken, dass sie mit gut zehn Minuten Verspätung erscheint. Mit einem Lächeln bittet er sie einzutreten.
«Vorsicht, die Türen im Schiff sind nicht für uns gebaut, bitte Kopf einziehen.»
Das Uns, bezieht sich nur auf die Körpergrösse, nicht auf das Gewicht, er wiegt sicher hundert Kilo mit schön geformten Muskeln, ein richtiger Adonis. Ich bin sicher, die Lady wird Reto schnell vergessen und sich genussvoll vom Muskelprotz durchkneten lassen. Ähnlich wie seine Kollegin im Fitnesscenter trägt er einen seidigen Bademantel, welcher allerdings vorne nicht geschlossen ist. Darunter trägt er nur noch eine sehr enge Badehose.
Als Reto endlich wieder beim Pool eintrifft, ist die Party mehr oder weniger gelaufen. Die Discoqueens sind bereits in ihren Kabinen und bereiten sich aufs Nachtessen und eine lange Nacht vor. Reto zieht sich ebenfalls in seine Kabine zurück. Ein Nickerchen vor den Abendveranstaltungen, wird sicher gut tun. Unweigerlich macht er sich Gedanken über die verschiedenen Leute auf dem Schiff. Auf dem Oberdeck trifft sich offensichtlich eine ganz illustre Gesellschaft, mittleren Alters. Im Bereich des mittleren Pools geht die Post richtig ab, hier feiern viele junge, aufgestellte Leute, er vermutet, dass die Discoqueens aus Deutschland nicht die einzigen sind, welche diese Reise gewonnen haben. Mit einem normalen Studentenbudget ist eine solche Reise nicht zu bezahlen. Es fällt auch auf, dass ausschliesslich schöne interessante Leute in diesem Bereich anzutreffen sind. In den unteren Decks scheint sich das arbeitende Personal meistens Asiaten aufzuhalten. Vom Masseur, der Dame aus dem Sicherheitsdienst, der Betreuerin des Fitnesscenters und den Kellnern ist der ganze Tag nie etwas zu sehen. Auch der Koloss des Sicherheitsdienstes ist nie auf dem Deck anzutreffen und der würde sicher auffallen.
Reto ist gespannt, welche Hafenstadt sie als nächstes anlaufen. Seine Kenntnisse in Navigation sind nicht besonders gut, vermutlich durchqueren sie das Mittelmeer nach Wwesten und müssten bald den Atlantik erreichen. Vielleicht, ist der Süden Spaniens das erste Reiseziel, allerdings deutet noch nichts auf einen Stopp hin. Auf dem Computer ist nun das Abendprogramm angezeigt. Anzug fünf, dieser ist eher sportlich, legerer und steht ihm recht gut. Nach dem Essen ist angekündigt, dass die Animateure noch einen Auftritt als Showstar bestreiten. Diesmal treten sie im Obergeschoss vor der erlauchten Herrschaften auf, das wird sicher eine trockene Angelegenheit. Die Snobs und Bryan Adams, dass ihnen der gefällt, kann sich Reto nicht vorstellen.
Beim Abendessen wird Reto heute an einem andern Tisch eingeteilt. Die vier Damen sind Mitglieder einer Fasnachtsclique klicke aus Belgien, sie wurden eingeladen unter der Bedingung, dass sie zwei bis drei Auftritte als Funkenmariechen vorführen, das ist recht wenig Aarbeit, wenn man an die schöne Reise denkt. Auf jeden Fall geniessen die Belgierinnen das süsse Nichtstun. Das einzige Problem mit dem sie kämpfen, ist der starke Sonnenbrand, welche die meisten eingefangen haben. Auch mit dem Aufstehen hapert es. Keine der Frauen ist nüchtern, Reto weiss nicht, wie sie jetzt noch die Abenddisco überstehen werden.
Nun ihm kann’s egal sein, vor seinem Auftritt, will er eh nichts unternehmen. Er steht an der Bar und beobachte die Leute. Am anderen Ende der Bar sitzt Rea locker auf einem Barhocker, sie hat sich bereits wieder einen neuen Lover geangelt, Rea hat wirklich ein enormes Nachholbedürfnis, wenn das nur gut geht. Auf dem Dancefloor sorgen heute Abend die Iren für Stimmung. Eine irische Fußballmannschaft hat den Flor in Beschlag genommen. Jede Frau die sich in ihre Nähe wagt, wird in die Mitte gezerrt und hin und her geschubst. Den mutigen Damen macht es nichts aus, die Meisten lassen sich freiwillig einfangen.
Ein halbe Stunde vor Beginn des Abendprogramms trifft sich die Showtruppe in der Garderobe. Scot, der Choreograf, verteilt die Kleidung, die Kostüme sind generell knapper bemessen, ein Bryan Adams würde nie so auf die Bühne steigen. Reto ist das egal, solange er noch seine Hose tragen darf. Auch die weiblichen Interpretinnen werden in sexy Outfits gesteckt. Zu meiner Überraschung sind auch die Kölner Discogirls dabei und tragen nicht mehr, als heute Nachmittag am Pool. So langsam begreife ich das Prinzip der Kreuzfahrt, alles für die VIPs, lautet das Motto.
Inzwischen ist die Show angelaufen. In der kleinen Garderobe bekommt man die Stimmung draussen im Saal gut mit. Die anfänglich steife Atmosphäre wird langsam locker. Reto muss früh raus. Er erntet einen anerkennenden Applaus, doch der ganz grosse Auftritt war es nicht. Auch in der Garderobe steigt die Stimmung, die halbnackten Mädchen kommen einem dauernd in die Quere, es lässt sicht nicht vermeiden, dass man sich körperlich näher kommt. Zur Belustigung der Damen, hat Alfonso damit ein Problem, in seiner Hose, die ebenfalls sehr eng bemessen ist, gibt es eindeutig ein Platzproblem. Die Girls tragen das Iihrige dazu bei, dass er sich nicht beruhigen kann.
Genau jetzt, wo die Ausbuchtung am grössten ist, schickt ihn Scot auf die Bühne. Dort wird er mit grosser Begeisterung empfangen. Dass er bei seinem Wahnsinn nie den vorgegebenen Takt trifft, stört niemand. Die älteren Damen sind ihm echt auf die Pelle gerückt, die Hose ist bereits zerrissen und hätte er nicht den letzten Stofffetzen noch mit der Hand gehalten, er wäre ganz nackt in die Garderobe zurückgekehrt.
Die nun folgenden Akteure werden auch mit immer spärlicher Bekleidung auf die Bühne geschickt und kommen mit stark ramponierten Stofffetzen zurück. Die Mitwirkenden sind gut ausgewählt, keiner hat ein Problem damit, nur ein Kölnerin protestierte energisch, als ihr eine alte Dame an die Wäsche wollte, auf Damen steht sie gar nicht, wo es doch so viel interessante Männer im Saal hat.
Nach einer Stunde ist die Show eigentlich beendet, die VIPs lassen es sich nicht nehmen, alle Akteure zu einem Drink an die Bar einzuladen. Mit Champagner wird auf die gute Show angestossen. Jetzt beginnt eine Band zu spielen. Softklassik ist angesagt. Als die Musik einen Walzer gespielt, fordert Clementine Reto zum tanzenTanzen auf.
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