Die zweite Frau. Eugenie Marlitt

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Die zweite Frau - Eugenie Marlitt

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führende Thür behutsam geöffnet; die alte ehemalige Amme und jetzige Köchin steckte den Kopf herein. »Erlaucht halten zu Gnaden,« sagte sie mit demütig leiser Stimme, »der Postbote ist noch drüben; er will nicht länger warten.«

      »Ach ja – ich hatte den Menschen total vergessen. Nun, er wird ja wohl warten, bis ich komme. Reiche ihm eine Tasse Kaffee in der Küche, Lene!«

      Die Magd verschwand, und die Gräfin Trachenberg zog einen Zettel aus der Tasche.

      »Der Postbote bekommt ein Trinkgeld, und hier ist eine Postanweisung auf vierzig Thaler, die wir einzulösen haben. Die Krämer in Rheims sind frech genug, mir den bestellten Hochzeits-Champagner per Nachnahme zu schicken … Zahle aus!« sagte sie kurz zu Ulrike und reichte ihr den Zettel hin.

      Ein jähes Rot des Erschreckens überflog das häßliche Gesicht der Tochter. »Du hast Champagner bestellt, Mama?« rief sie bestürzt. »O Gott – und für eine solche Riesensumme!«

      Die Gräfin Trachenberg zeigte höhnisch auflachend ihr perlengleiches falsches Gebiß. »Hast du gemeint, du könntest die Herren beim Hochzeitsdejeuner mit deinem selbstfabrizierten Johannisbeersaft regalieren? … Uebrigens habe ich, wie bereits erklärt, nicht im entferntesten an die Gemeinheit gedacht, mit welcher uns die Bezahlung per Post sofort erpreßt werden soll.« Sie zuckte die Achseln – »Da heißt's eben gute Miene zum bösen Spiel zu machen und zu zahlen.«

      Schweigend schloß Ulrike einen Sekretär auf und nahm zwei Geldrollen heraus. »Hier ist die ganze Haushaltungskasse,« sagte sie kurz und bestimmt. »Es sind fünfunddreißig Thaler. Davon müssen wir aber leben; denn nicht allein in Rheims verweigert man uns den Kredit, wir bekommen auch in der ganzen Umgegend kein Lot Fleisch ohne sofortige Bezahlung. – Darüber kannst du unmöglich im unklaren sein.«

      »Gewiß nicht – meine weise Tochter Ulrike predigt häufig genug über dieses beliebte Thema.«

      »Ich muß, Mama,« versetzte Ulrike ruhig. »Weil du so oft vergißt – was ja wohl begreiflich ist – daß die Gläubiger unser Jahreseinkommen von fünfundzwanzigtausend Thalern auf sechshundert zusammengeschnitten haben.«

      Die Gräfin Trachenberg hielt sich die Ohren zu und rannte nach einer der Glasthüren – die große, majestätische Gestalt nahm Gebärden an wie ein verzogenes Kind. Sie riß die Thür auf und wollte hinausstürmen, besann sich aber doch eines anderen.

      »Gut,« sagte sie, die Thür zuwerfend, anscheinend ruhig, aber auch mit sichtlicher Bosheit. »Nur sechshundert Thaler. Aber nun frage ich doch auch endlich einmal: Wozu werden sie gebraucht? ... Wir essen erbärmlich, förmliche Bettelsuppe – Lene füttert uns mit Reis und Eierspeisen bis zum Ekel, und die Prisen Pecco, die du in den Theekessel wirfst, werden immer homöopathischer. Dazu schleppe ich diese Fahne« – sie deutete auf ihr schwarzseidenes Kleid – »die ihr die Gnade hattet, mir zu Weihnachten zu schenken, Tag für Tag. Alles, was mein todeseinsames Leben einigermaßen erträglich machen könnte – neue französische Lektüre, Konfitüren, Parfüms – ist für mich ein längst überwundener Standpunkt ... ich schließe also mit Recht: Du mußt mehr Gelder zur Verfügung haben, als du mir weismachen willst.«

      »Ulrike lügt niemals, Mama!« rief Liane empört.

      »Ich kann die Anweisung unmöglich an die Post zurückschicken« – fuhr die Gräfin unbeirrt fort – »du wirst der Komödie sofort ein Ende machen und den Betrag herausgeben!«

      »Soll ich Geld aus der Erde stampfen? ... Der Wein muß zurückgehen!« versetzte Ulrike gelassen.

      Ihre Mutter stieß einen gellenden Laut aus, dann warf sie sich rücklings auf ein Sofa und verfiel in Lachkrämpfe.

      Ruhig, mit untergeschlagenen Armen, stand Ulrike zu Häupten der wie toll um sich schlagenden Frau und sah mit einem bitter-ironischen Lächeln auf die nieder.

      »Der arme Magnus!« flüsterte Liane, nach der Thür des Nebenzimmers deutend. »Er ist drüben – wie wird er erschrecken über diesen Lärm! ... Bitte, Mama, fasse dich! Magnus darf dich nicht so sehen – was soll er denken?« wandte sie sich halb bittend, halb mit ernstem Nachdruck an ihre Mutter.

      Die widerwärtige Szene, welcher die Töchter stets durch Nachgiebigkeit und möglichsten Gehorsam vorzubeugen suchten, spielte sich ja nun doch ab; nun machte sich der tiefe, gerechte Unwille geltend, den das charaktervolle Weib gegenüber den Ausschreitungen einer entarteten Frauennatur empfindet. Die junge Mädchengestalt zitterte nicht mehr vor Furcht – es sprach etwas unbewußt Ueberlegenes aus der Bewegung, mit welcher sie ernst mahnend die Hand hob. Sie predigte tauben Ohren – das Geschrei dauerte fort.

      Da wurde in der That die Thür des anstoßenden Zimmers geöffnet. Liane flog durch den Salon.

      »Geh, Magnus, bleibe drüben!« bat sie mit kindlich rührender Stimme und versuchte, den Eintretenden sanft zurückzudrängen. Es hätte wohl keiner besonderen Kraft bedurft, ihn ernstlich zurückzuhalten, diesen knabenhaft schmächtigen jungen Mann.

      »Lasse mich nur, kleiner Famulus,« sagte er freundliche – ein Schimmer verklärender Freude lag auf seinem geistreichen Gesicht. »Ich habe alles mit angehört und bringe Hilfe.«

      Einen Moment aber wurzelte sein Fuß doch auf der Schwelle, als er die Frau mit zuckenden Gliedern und verzerrtem Gesicht auf dem Sofa liegen sah.

      »Mama, beruhige dich,« sagte er nähertretend mit etwas vibrierender Stimme; »du kannst den Wein bezahlen. Sieh, hier ist Geld – fünfhundert Thaler, liebe Mama!« Er zeigte ihr mit hochgehobener Hand eine Anzahl Banknoten.

      Ulrike sah ihm mit ängstlicher Spannung in das Gesicht; sie war sehr rot geworden – aber er bemerkte es nicht. Er warf das Papiergeld achtlos auf das Sofa neben seine Mutter und schlug ein Buch auf, das er mitgebracht hatte. »Sieh, Herzchen, da ist es nun,« sagte er sichtlich bewegt zu Liane. – Die Leidende auf dem Sofa fing an, sich zu beruhigen; sie legte aufstöhnend die Hand über die Augen – durch die gespreizten Finger fuhr ein unglaublich rasch bewußt und scharf gewordener Blick, der das Buch in den Händen des Sohnes fixierte.

      »Werde mir nur nicht zu stolz, kleiner, lieber Famulus!« fuhr er fort. »Unser Manuskript kommt als Prachtwerk zurück. Es ist lebensberechtigt vor dem hohen Stuhl der Wissenschaft; es geht siegreich durch das Kreuzfeuer der Kritik – ach, Liane, lies den Brief des Verlegers –«

      »Schweige, Magnus!« unterbrach ihn Ulrike rauh und gebieterisch.

      Die Gräfin Trachenberg saß bereits aufrecht. »Was ist das für ein Buch?« fragte sie; weder in den impertinent verschärften Zügen, noch in der befehlenden Stimme war eine Spur des soeben beendeten Krampfanfalles zu bemerken.

      Ulrike nahm mit einer raschen Bewegung das Buch aus der Hand des Bruders und drückte es mit beiden Armen fest an ihre Brust. »Es ist ein Werk über die fossile Pflanzenwelt – Magnus hat es geschrieben, und Liane die Zeichnungen dazu geliefert,« sagte sie kurz erklärend.

      »Gib her – ich will es sehen!«

      Zögernd, mit einem vorwurfsvollen Blick auf ihren Bruder, reichte Ulrike den Band hin; Liane aber, bis in die Lippen erblaßt, verschränkte krampfhaft die feinen Finger und vergrub das Gesicht hinein – diesen Ausdruck im Gesicht der Mutter hatte sie von Kindesbeinen an so fürchten gelernt, wie kaum die Höllenstrafen, mit denen die Kinderfrau drohte.

      »Fossile Pflanzen – von Magnus, Grafen von Trachenberg,« las die Gräfin mit lauter Stimme.

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