Die zweite Frau. Eugenie Marlitt

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Die zweite Frau - Eugenie Marlitt

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väterlich freundlich zu ihr gesprochen und ihr schließlich seine Hand hingehalten, in die sie auf Befehl der Mutter, noch mehr aber auf die vorhergegangenen geheimen und inständigen Bitten Ulrikens hin, die ihrige gelegt. Er war sofort wieder abgereist, zur unaussprechlichen Erleichterung der Gräfin Trachenberg; denn wie aufgescheuchte Gespenster waren ihre Gedanken während der Verlobung durch die öden Kellerräume oder die todeseinsamen Johannisbeersaftetiketten hingeirrt, und die alte Lene hatte drunten in der Küche ihr Gehirn zermartert, wie sie wohl mit den letzten fünf Eiern und einem Restchen Kalbsbraten ein gräfliches Diner herrichte.

      Alles die Hochzeit Betreffende wurde zwischen dem Bräutigam und der Mutter schriftlich vereinbart, und nur dem Brautgeschenke hatten einige Zeilen für Liane beigelegen, Zeilen voll ausgesuchter Höflichkeit und Galanterie, aber auch fremd und förmlich – sie wurden mit kalten Augen gelesen und lagen seitdem unberührt bei dem Schmuck im Kasten. Es war dies alles aber so »prächtig standesgemäß und aristokratisch steif« und das »Hineinfinden« Lianens, ihre widerspruchslose Ruhe befriedigten die Gräfin Mutter so sehr, daß sie sich einige Tage nach der stürmischen Szene wieder herbeiließ, mit ihren Kindern zu essen und dann und wann ein gnädiges Wort an sie zu richten. Sie wußte freilich nicht, daß das junge Mädchen unter dem Trennungsschmerze bereits unsäglich litt – das aber erfuhren ja selbst die Geschwister nicht ...

      Der Hochzeitsmorgen war da – ein kühler, grauverhangener Julimorgen. Nach trockenheißen Tagen tröpfelte ein sanfter Regen durch das Gehölzdickicht, und draußen auf den großen ausgedörrten Staudenblättern der Rasenflächen klatschte er in leisem unermüdlichen Ticktack und sammelte sich zu rollenden Silberperlen. Aus Busch und Baum und von den Dachrinnen herab zwitscherten und schrieen die Vögel, und die alte Lene sah von ihren schmorenden Pfannen hinweg in das graue Geriesel hinein und freute sich, daß es der Braut in den Kranz regne.

      Ein einziger Wagen rollte in den Schloßhof, noch dazu ein Mietwagen von der nächsten Eisenbahnstation. Während er in einer der ungeheuren leeren Remisen verschwand, stiegen die zwei Angekommenen langsam die Freitreppe des Schlosses hinauf. Baron Mainau zeigte sich auf die Minute pünktlich: er traf der Verabredung gemäß genau eine halbe Stunde vor der Trauung ein.

      »Daß Gott erbarm' – das will ein Hochzeiter sein!« seufzte die alte Lene betrübt auf und trat vom Küchenfenster zurück.

      Droben flog die Glasthür weit auf und die Gräfin Trachenberg eilte heraus. Die Regentropfen sprühten auf ihre dunkelviolette Samtschleppe und glitzerten in den schwarzen Scheitelpuffen neben einigen aus dem Schiffbruche geretteten Brillanten.

      Schmachtend und mit sanfter Anmut streckte sie begrüßend die feinen Hände aus den reichen Spitzenärmeln – wer hätte ihnen zugetraut, daß sie einen schweren Gegenstand mit der Kraft der Furie zertrümmernd durch die Glasscheiben schleudern konnten!

      Man flüchtete vor dem Regen in das Wohnzimmer der Gräfin, und Baron Mainau stellte seinen Trauzeugen, Herrn von Rüdiger, vor. Zwischen die leichte Plauderei, die sich an die Vorstellung knüpfte, kreischte ein Ara in der Fensternische, und auf dem verblichenen Fußteppich balgten sich knurrend zwei schneeweiße Exemplare einer kleinen Pudelrasse ... Hätte die alte Lene nicht eine dicke Guirlande über die Glasthür gehängt, durch welche der Bräutigam kommen mußte, und wäre nicht die effektvolle, königlich stolze Toilette der Gräfin gewesen, es hätte niemand einfallen können, an einen bevorstehenden feierlichen Akt in diesem Hause zu denken, so banal und obenhin plauderte die Dame, so gleichmütig und unbewegt stand die elegante schwarzbefrackte Gestalt des Bräutigams am Fenster und sah in den stäubenden Regen hinaus, und eine so tiefe Stille und Oede lag seit dem Verrollen der vier Wagenräder wieder über dem weiten, verlassenen Schlosse. Herr von Rüdiger wußte, daß es sich bei dieser Vermählung wie um ein Geschäft handelte; er war selbst zu sehr Weltmann und Kavalier, um ein solches Uebereinkommen nicht ganz in der Ordnung zu finden; aber die spukhafte Einsamkeit ging dem kleinen Beweglichen denn doch »über den Spaß« – es lief ihm fröstelnd über den Rücken, und er atmete ängstlich auf, als endlich der Flügel der gegenüberliegenden Thür feierlich langsam zurückgeschlagen wurde.

      Von Ulrike gefolgt, trat die Braut am Arme ihres Bruders ein. Der Schleier fiel über ihr Gesicht bis auf die Brust herab, vom Hinterkopfe aber wallte er auf den Saum des weißen Tüllkleides nieder, das in strenger Einfachheit am Halse schloß und nur mit einigen Myrthenzweigen besteckt war – da war kein Faden der silberstrotzenden Robe zu sehen; die einfachste Bürgerbraut konnte nicht bescheidener geschmückt sein. Sie kam mit gesenkten Augen näher und bemerkte so weder den großen, befremdeten Blick, mit welchem Baron Mainau sie maß, noch den darauffolgenden spöttisch mitleidigen Ausdruck in seinen Zügen – aber die schauerte in sich zusammen, als ihre Mutter in jähem Schrecken auf sie losfuhr.

      »Was soll das heißen, Mädchen? Wie siehst du denn aus? Bist du toll?« Das war der Weihespruch, mit welchem die ergrimmte Frau das junge Mädchen auf seinem ernsten Gange begrüßte. Sie war so empört und vergaß sich so weit, daß sie die Hand hob, um die Tochter über die Schwelle zurückzuschieben. »Du gehst sofort auf dein Zimmer und machst andere Toilette« – sie verstummte unwillkürlich; Baron Mainau hatte die dräuende Hand erfaßt; er schwieg, aber mit Blick und Gebärde verbat er sich so energisch jegliche weitere Auslassung, daß sich schlechterdings nichts mehr sagen ließ.

      Hinter einem der zurückgeschlagenen Thürflügel belauschte die alte Lene mit stockendem Atem den Vorgang und wartete nun mit wahrer Inbrunst auf den Moment, wo der Bräutigam ihre »schöne, schlanke Gräfin« in seine Arme nehmen und herzhaft küssen werde; »aber dem Stock, dem steifen Peter« fiel das gar nicht ein – mit einigen freundlichen Worten zog er die herabhängende Hand der Braut so leicht und flüchtig an seine Lippen, als fürchte er, sie zu zerbrechen – dabei überreichte er ihr ein prachtvolles Boukett.

      »Blumen haben wir selber,« grollte die Alte und ließ ihren Blick den Korridor entlang schweifen, den sie dick mit Tannengrün und Blumen bestreut hatte ... Gleich darauf rieselte das verhängnisvolle Tüllkleid über alle die Monatsrosen und Geraniumblüten, und die Gräfin Mutter, welche nach Fassung ringend am Arm des bestürzten Herrn von Rüdiger dem Brautpaar folgte, kehrte mit ihrer schweren Samtschleppe die armen Dinger auf einen Haufen zusammen ...

      Die steinernen Apostelköpfe, die Kanzel und Altar der Rudisdorfer Schloßkirche umkreisten, hatten wohl oft auf ein blasses, freudloses Brautgesicht niedergesehen, hatten manchmal das »Ja« von männlichen Lippen leidenschaftslos und kaltgeschlossen aussprechen hören – denn es war niemals Sitte im Trachenberger Hause gewesen, die Töchter um ihre Meinung zu befragen, noch der »sentimentalen Liebe« irgend welche Berechtigung zuzugestehen – aber noch nie war eine Trauung so ohne Sang und Klang vollzogen worden. Der Bräutigam hatte sich alle müßigen Zeugen und Gaffer ernstlich verbeten. Was würden sie auch alles zu flüstern gehabt haben über den schönen Mann, der allerdings ritterlich galant seine Braut führte, aber keinen Blick für die hatte! Nur einmal, als sie knieend den Segen empfing, schien es, als gleite sein Auge momentan gefesselt an ihr nieder – ihre Flechten hingen über die Schultern hinab und lagen lang und schwer, wie träge, in rotem Gold funkelnde Schlangen, neben ihr auf dem weißen Steingetäfel des Fußbodens.

      Und nach der Zeremonie, wie trieb der Mann zur Eile! Der Geistliche hatte zu lange gesprochen, und der nächste Zug sollte um keinen Preis versäumt werden ... Noch während der Trauung waren einzelne Regentropfen gegen das bunte Glas der Kirchenfenster geflogen – die einzige Musik, welche flüsternd die Einsegnungsformel begleitet hatte – nun brach die Sonne durch das zerflatternde Grau droben; sie entzündete in der bleifarbenen Fontänensäule tausend zuckende Lichter; sie lief durch die dunkle feuchtatmende Allee, über das wogende Gras hin und wischte mit ihrem Feuersaum die Thränentropfen von den Blumenblättern; aber sie funkelte auch in den getriebenen Löwenköpfen des mächtigen silbernen Eiskübels, der mit der ganzen Anmaßung einer glanzvollen Vergangenheit im Gartensalon neben dem Frühstückstisch stand – er konnte freilich nicht wissen, daß mancher alte, brave Kamerad, der Jahrhunderte hindurch neben

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