Little Pearl. Madlen Schaffhauser
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Dylan verneint mit einem kurzen Kopfschütteln, dabei fallen ihm die Haare ins Gesicht. Mit einer Hand streicht er sie zurück und ich ertappe mich dabei, wie ich diese Aufgabe gerne übernommen hätte.
Ojeojeoje. Was hat er nur an sich, dass ich mir wünsche in sein Haar zu fassen? Oder mich frage, wann ich ihn das nächste Mal wiedersehen werde? Wie kann ich mich nur zu einem Mann hingezogen fühlen, der kälter ist als ein Stück Eis? Wahrscheinlich spielen einfach meine Hormone verrückt, da meine letzte Beziehung schon etwas länger her ist. Dass Monate vergangen sind, seit ich einen Mann berührt habe, oder von einem berührt wurde.
»Falls ich Hilfe benötige, wird mir Moore behilflich sein.« Dylan hat wieder seine Hände in die Hüften gestemmt. »Sonst noch was?«, fragt er genervt, dabei sieht er auf sein Schleifpapier.
Ich verstehe nicht, was ihn an mir aufregt, aber ich sehe zu, dass ich Land gewinne. Anscheinend will er wieder allein sein.
»Nein.« Ich drehe mich auf dem Absatz um und laufe zur Tür.
»Gib mir deine Nummer, dann kann ich mich bei dir melden, sobald ich Zeit habe.« Dylan steht in kleinem Abstand hinter mir, als ich über die Schulter zurücksehe. Er streckt mir einen kleinen Spiralblock und Stift hin.
Ich mache kehrt und gehe zwei Schritte, bis ich den Block nehmen kann. Flüchtig berühren sich unsere Finger, während sich unsere Blicke treffen. Ein sonderbares Prickeln durchläuft meinen gesamten Körper. Schnell wende ich den Kopf ab.
Ich versuche mir nicht anmerken zu lassen, was unsere kaum nennenswerte Berührung für Gefühle in mir ausgelöst hat. Und auf keinen Fall probiere ich es, zu begreifen.
»Ich gebe dir noch meine Adresse. Brauchst du eine Wegbeschreibung?«, frage ich, nachdem ich meine Nummer vom Handy, sowie vom Bed and Breakfast aufgeschrieben habe.
»Nicht nötig«, meint Dylan, und ich achte darauf, ihn nicht noch einmal anzufassen – auch wenn das momentan mein größter Wunsch ist -, als ich ihm den Stift zurückgebe. »Ich weiß, wer du bist, Cécile Johnson.«
Ich blinzle. Einmal. Zweimal. Ich kann nicht glauben, was er da gerade gesagt hat. Und wie himmlisch mein Name aus seinem Mund geklungen hat.
Mir liegen plötzlich unzählige Fragen auf der Zunge, aber ich gebe keinen Mucks von mir. Statt mich zu erkundigen, woher er meinen Namen kennt, nicke ich, drehe mich zur Tür und verlasse ohne Verabschiedung die Werkstatt.
Kapitel 2
Es sind bald drei Wochen vergangen, als ich bei Dylan war. Ich dachte, er würde sich melden, was er allerdings nicht getan hat. Ich war knapp davor meinen Gärtner auszufragen, wollte wissen, ob mit Dylan alles in Ordnung ist. Ob er mit seinem letzten Auftrag noch nicht zu Ende ist und ob das der Grund ist, warum er mich bis heute nicht angerufen hat. Doch das habe ich schließlich bleiben lassen. Ich wollte bei Mr. Moore nicht den Eindruck erwecken, ich würde auf Dylans Anruf warten. Oder gar jeden verdammten Tag an ihn denken.
Denn genau das mache ich. Warum? Gott, wenn ich das doch nur selbst wüsste. Aber es vergeht kaum ein Moment, an dem ich nicht seine wunderschönen braunen Augen, in denen etwas Verletztes schimmert, vor mir sehe. Es vergeht kein Morgen, an dem ich nicht wünsche, seine Stimme zu hören. Es vergeht kein Abend, an dem ich mir überlege, zu ihm zu fahren. Gott sei Dank habe ich noch so viel Verstand und lasse das sein.
Gerade als ich draußen frische Wäsche aufhängen will, kommt mir mein Gärtner entgegen. Er kennt mich schon, seit ich sechzehn war und er für meine Eltern anfing zu arbeiten, trotzdem hat er mich von Anfang an gesiezt.
»Kann ich Ihnen etwas abnehmen?« Er zeigt auf den Wäschekorb unter meinem Arm.
»Nein, nein, das schaffe ich schon.«
»Wenn Sie meinen.« Mr. Moore, ein Mann mit Glatze und einem weißen Rund-um-den-Mund-Bart bückt sich und hebt einen Rechen auf. Er legt sein Werkzeug in einen Schubkarren, der voller geschnittenem Gras ist. »Ich komme morgen wieder und werde mich um die Rosen kümmern.«
Seine grünen Augen warten offensichtlich auf ein Einverständnis von mir. Dabei überlasse ich es ihm, wann er den Rasen mäht, die Blumen tränkt, die Wege wischt oder das Laub zusammennimmt.
»Ich danke Ihnen, Mr. Moore.«
Er schenkt mir ein schwaches Lächeln, ehe er den Schubkarren ergreift. »Wie geht es Ihren Eltern?« Mein Gärtner ist ein ziemlich wortkarger Mann, dennoch fragt er praktisch täglich nach meinen Eltern, was ich unheimlich rührend von ihm finde.
»Sie haben gestern einen Ausflug ins National Aquarium gemacht.«
»Schön, schön«, meint er leicht brummend. »Dann geh ich mal.«
»Haben Sie noch einen schönen Tag.«
»Ihnen auch.«
Eigentlich hat Mr. Moore schon vor Jahren das Rentenalter erreicht, aber irgendwie scheint er es zu lieben, den Garten rund um das Bed and Breakfast instand zu halten und ihn zu pflegen. Und es scheint ihn von seinem Kummer über den Tod seiner Frau hinwegzuhelfen, weshalb ich es nicht über mich bringe, ihm zu kündigen, obwohl ich finde, dass manche Arbeiten zu schwer für ihn sind, besonders, wenn ich ihn wie jetzt mit einem gekrümmten Rücken über den Weg gehen sehe.
Seit dem Tod seiner Frau ist er etwas in sich gekehrt und hat sich von seinen Freunden zurückgezogen, aber er ist ein sehr liebenswürdiger alter Mann. Wie ein Großvater, den ich auch nach zehn Jahr noch mit Sie anrede.
Ich gehe zur Wäscheleine, die sich auf der Rückseite des Blue House Inn befindet. Meine Eltern haben das Bed and Breakfast bei der Eröffnung vor über zwanzig Jahren auf diesen Namen getauft. Er ist passend zur Fassade. Sie ist hellblau wie der Himmel. Die Veranda, die um das gesamte Haus führt und die Säulen, die das Dach über der Veranda halten, sind weiß, sowie auch die Fensterrahmen. Wenn es nach mir ginge, hätte ich dem dreistöckigen Gebäude längst eine andere Farbe verpasst. Aber es gehört nun mal meinen Eltern, sie sind die Chefs. Ich leite das B&B lediglich. Zwar einiges früher als geplant war, was mich im Großen und Ganzen nicht stört, nur hätte der Grund ein anderer sein dürfen.
Ich sehe über den großen Rasen, der zum Grundstück des Blue House Inn gehört. An verschiedenen Stellen haben wir Bänke aufgestellt, damit sich unsere Gäste ungestört unterhalten können - wenn sie das wollen. Es wirkt wie ein kleiner Park.
Vögel zwitschern munter in den Bäumen, die in der Nähe stehen. Ich liebe diese Jahreszeit, in der alles von neuem zu blühen und zu leben beginnt, und es endlich wieder wärmer wird.
Nacheinander hänge ich die Bettlaken auf. Und als mein Korb leer ist, gehe ich wieder hinein. Ich werde noch zwei Zimmer richten müssen, denn in wenigen Stunden erwarte ich vier neue Gäste - zwei Ehepaare. Für die nächsten drei Tage bin ich ausgebucht, was viel Arbeit mit sich bringt. Das ist gut, so komme ich sehr wahrscheinlich weniger dazu, an den ungehobelten Restaurator zu denken.
Im Moment bin ich allein, alle meine Gäste sind unterwegs, was ich begrüße. So kann ich ohne große Unterbrüche meinen Job erledigen. Aufräumen, noch mehr Wäsche waschen, Betten frisch beziehen, für morgen einkaufen, und, und, und. Die Liste ist unendlich lang. Aber bis am Abend werde ich alles erledigt haben und mit meiner engsten Freundin Emily etwas Essen gehen.