Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen
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„Versteckst du dich?“ Erik grinst spitzbübisch. „Du magst es überhaupt nicht, wenn du die Aufmerksamkeit auf dich ziehst und doch bist du wie ein Magnet, dass alle Energie an sich zieht.“
Ich sehe ihn verständnislos an und er erklärt nach einem Blick aus ernsten Augen: „Ist dir noch nicht aufgefallen, dass du immer die Aufmerksamkeit auf dich ziehst, wenn du irgendwo erscheinst? Wenn du in eine Disco gehst, sind immer welche da, die sich sofort von dir angezogen fühlen und wenn du durch die Stadt gehst, sind immer welche da, die dich ganz unverhohlen anstarren. Ich wette mit dir, es gibt viele Menschen, die gerne mit dir befreundet wären und viele Männer, die gerne mit dir zusammen wären.“
„Quatsch! Ich ziehe nicht mehr Aufmerksamkeit auf mich als alle anderen Menschen. Aber ich mag es wirklich nicht besonders, wenn ich bei irgendwas im Mittelpunkt stehe“, gebe ich zu, von seinen Worten seltsam berührt.
„Das weiß ich seit vorletztem Sonntag“, sagt Erik ernst. „Ich habe es fast körperlich gespürt, wie unangenehm dir das ganze theatralische Gehabe mit dieser Fußballmannschaft war und als dein Typ dich vor allen abschleckte.“
Ich fühle mich gezwungen ihm die Situation zu erklären. „Das war das zweite Spiel, zu dem ich mitgegangen bin und die halten mich für ihren Glücksbringer, weil sie noch nie so gut gespielt haben. Vor allem Marcel war noch nie so gut“, sage ich gerade mal so laut, dass die Musik es nicht ganz verschluckt und Erik dreht sie leiser. Er runzelt die Stirn und zieht in einem Kreisel in die nächste Seitenstraße ein, obwohl ich den BMW weiterfahren sehe. Ich will ihn darauf aufmerksam machen, aber an seinem Blick sehe ich, dass ihm das auch bewusst ist.
„Sein Glücksbringer …“, raunt er mehr zu sich selbst.
Mir wird die erdrückende Stimmung bewusst, die das Gespräch auslöst und ich lege meine Hand in seinen Nacken und schiebe sie in seinen Haaransatz. „Lass uns nicht davon sprechen. Sag mir lieber, warum wir woanders herfahren, als Daniel und Ellen.“
Erik nickt und legt den Kopf etwas schief und drückt seine Wange an meinen Arm. Dabei gibt er Gas, obwohl wir durch ein paar nicht ganz seichte Kurven ziehen.
„Du hast recht. Das ist geplant. Und du solltest besser deine Hand von meinem Körper nehmen, wenn du das, was jetzt kommt, überleben willst“, sagt er und ich ziehe meine Hand erschrocken zurück, auf die nächste Kurve starrend, die sich vor uns auftut.
Erik dreht die Musik lauter, als gerade ein Lied mit deutschem Text beginnt. Ich kenne die Gruppe von der letzten Klassenfahrt, wo dieses Lied mehrmals im Bus lief. SDP ist eine Berliner Duogruppe und der Text nimmt mich vom ersten Wort an gefangen. Von der Art her könnte das Erik sein und der Text könnte nicht besser auf mich und Erik zutreffen, wenn Erik in der Lage wäre, so zu fühlen wie der Sänger. Schon der Anfang irritiert mich. „Reißen wir uns gegenseitig raus oder reiten wir uns rein, hältst du mich lang genug aus oder bin ich bald wieder allein?“
Der Sänger schildert seine Liebe, wie sie von Erik zu mir sein könnte … und wie ich es mir tief in meinem Inneren von ihm wünsche. Das spüre ich in diesem Augenblick erschreckend heftig und bin verwirrt.
Der zweite Sänger singt davon, dass sein Kumpel niemals so ein Liebeslied singen wollte und er den Proleten vermisst, den sein Kumpel sonst verkörperte. Und als der erste Sänger für sein Mädel singt: „Du weißt, dass ich immer da bin, dir gehört mein Gentleman Charme, hängt dich an meinen Oberarm, versteck dich hinter mir, mach dein Herz auf, bevor ich dir etwas tue reiße ich mir meins raus“ …, schlucke ich schwer. Dann folgen weitere Liebeserklärungen in einer Gangstermanier, die mich hier und heute echt umhauen.
Ich werfe Erik einen schnellen Blick zu, der den schweren Wagen durch eine enge Straße mit tiefen Abgründen und Kurven einen Berg hinaufziehen lässt, dass es mir fast einen Herzimpfakt beschert. Aber nur fast, denn das Lied hält mich viel zu sehr in seinem Bann.
Es ist eine traumhaft schöne Landschaft und links von uns erscheint ein kleiner Ort, an dem wir vorbeirauschen, der Hauptstraße immer weiter folgend.
Mir müssten bei der mörderischen Fahrt alle meine Nerven brennen, aber ich lausche nur gebannt auf das Lied und die Gefühle, die es auslöst.
Eriks Laune steigt offensichtlich mit jeder Kurve und dem tiefen Brummen des starken Motors. Er grinst mich an und ich versuche die Coole zu spielen. Das gelingt mir nur, weil das Lied endlich zu Ende ist.
„Keine Angst?“, fragt er.
„Nein, ich vertraue dir vollkommen“, raune ich und spiele die Gelassene, aber mich erfüllt eine seichte Sehnsucht, dass er auch mal für mich so empfinden könnte, wie der Sänger für das Mädchen, für das er das Lied sang.
„Wow, du vertraust mir also auf einmal?“
Wie er das sagt, lässt mich ihn ansehen. Sein Gesicht ist ernst und seine braunen Augen blitzen auf.
„Ja, tue ich“, sage ich ehrlich. In diesem Augenblick tue ich das wirklich.
Wir kommen oben auf dem Berg an, auf dem ein Wendeplatz die verschiedenen Fahrmöglichkeiten freigibt. Erik lässt den Mustang an die Seite gleiten und den Motor ausgehen.
Ich werfe ihm einen beunruhigten Blick zu. Was hat er vor? Hätte ich ihm besser nicht sagen sollen, dass ich ihm vertraue? Geht ihm das zu weit?
Er reißt seine Tür auf und steigt aus.
Ich sehe ihn um das Auto laufen und bei meiner Tür erscheinen. Er reißt auch die auf und hält mir mit durchdringendem Blick seine Hand hin. „Komm, steig aus“, raunt er mit rauer Stimme und zieht mich ungeduldig vom Sitz.
Ich sehe ihn nur irritiert und erschrocken an. Was ist plötzlich los?
Er wirft mit todernstem Blick die Tür zu, was mich zusammenschrecken lässt.
Sofort packt er meine Oberarme und schiebt mich an sein Auto. Er drängt sich an mich und küsst mich.
Ich bin völlig überrascht von seinem unvorhergesehenen Übergriff, sehe mich aber außer Stande, mich auch nur annähernd zu beschweren. Ich lasse meine Hände in seine Haare gleiten und erwidere seinen Kuss erleichtert, weil er mich immer noch will. Das setzt alle meine Gefühle frei, die ich eigentlich tief in mir verschlossen halten müsste. Aber ich bin viel zu glücklich, dass er meine Nähe braucht.
Wir drängen uns aneinander und er hebt mich hoch.
Ich schlinge meine Beine um seine Hüfte und unsere Küsse werden drängender. Wenig später spüre ich die Kühlerhaube unter meinem Rücken und seinen Körper auf meinem, während seine Küsse mir den Atem zu nehmen drohen.
Plötzlich lässt er von mir ab und schiebt meine Bluse hoch. Ich spüre jetzt erst die Hitze, die sich auf meinem Rücken ausbreitet.
„Das ist heiß!“, sage ich, als er meine Bluse aufknöpft und seine Lippen auf meinem Bauch versenkt.
„Ja!“, haucht er seufzend.
„Aua Erik, dein Auto ist heiß!“, rufe ich etwas lauter und er sieht auf.
„Oh!“ Er zieht mich schnell von der Kühlerhaube und lacht. „Sorry! Habe ich nicht bedacht.“
Er dreht mich um, streift mir die Bluse über die Arme und schaut sich meinen Rücken an. „Nichts passiert“, stellt er erleichtert fest