Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen
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Читать онлайн книгу Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen страница 10
Resigniert sehe ich aus dem Fenster. Erik passt schon auf, dass ich ihm nicht entgleite, solange er das nicht will. Diese Entscheidung ist scheinbar ihm allein vorbehalten. Zumindest hatte Ellen sich diesbezüglich so geäußert, dass er den Tritt in den Hintern gibt und nicht andersherum. Ich habe noch nie einen so hartnäckigen Menschen wie ihn getroffen, der so bestimmend ist.
Hätte Tim damals auch nur ein Quäntchen von ihm gehabt, dann wäre ich heute mit ihm statt Marcel zusammen.
Wir fahren eine andere Strecke und ich kann Ellen nur zustimmen. Es ist wirklich schön hier. Seichte Hügel ziehen sich durchs Land und mit guter Musik und dem dumpfen Brummen des Mustangs, sowie dem Sonnenschein, sollte doch alles in meinem Leben in Ordnung sein. Aber ich bin tief in meine Gedanken verstrickt, die mir klarzumachen versuchen, was ich mit meinem Leben angestellt habe.
Erik bemüht sich immer wieder, mich aufzumuntern. Eigentlich ist es schön, dass er aus seinem Tief herausgefunden hat. Es wäre schön, wenn ich das für mich auch behaupten könnte. Ich habe mich heute erst richtig hineinfallen lassen, als ich dachte, es wäre alles mit Erik vorbei. Zu erkennen, dass dies für mich unerträglich wäre, das verunsichert und überfordert mich. Wie konnte ich mich, trotz Marcel und meiner Liebe zu ihm, so auf Erik einlassen?
„Was ist los?“, höre ich ihn verunsichert fragen. Er ist so groß und stark … aber ich musste heute mehrmals feststellen, dass er schnell aus der Fassung gerät, wenn er glaubt, dass etwas mit mir nicht stimmt. Was beunruhigt ihn? Er hat doch alles, was er will.
Ich sehe mich nicht in der Lage, ihm gute Laune vorzuspielen und damit zu beruhigen, weil ich mich nicht mal selbst beruhigen kann.
Mein Telefon klingelt in meiner Tasche und ich ziehe sie auf meinen Schoß, um es herauszuholen. Damit entgehe ich einer Antwort auf Eriks Frage.
Ich sehe auf dem Display die Nummer meiner Eltern und melde mich. „Ja!“
„Hallo Carolin, Liebes. Wie geht es dir? Du hast dich am Wochenende gar nicht mehr gemeldet“, höre ich meine Mutter vorwurfsvoll sagen.
„Ja, sorry. Aber ich musste mich etwas auskurieren und hatte viel Schulsachen zu erledigen.“
„Warst du krank?“, fragt sie besorgt.
„Wohl ein kleiner Anflug einer Erkältung. Geht aber schon wieder.“
„Und wie läuft die Schule?“
„Ich habe schon meine zweite Eins“, sage ich und schaue Erik an, der mich kurz angrinst. Aber seine Augen fragen, wer da am Apparat ist.
Erklärend sage ich zu ihm: „Meine Mutter“, und er nickt.
„Ist Marcel bei dir? Seid ihr unterwegs?“
Mir ist klar, dass meine Mutter wohl nicht erkennt, dass das Motorgeräusch wohl kaum vom Golf kommt. „Nein, der ist arbeiten.“
„Oh, ach so. Und ist bei euch beiden alles in Ordnung?“
„Ja, Mama“, sage ich etwas genervt.
Erik sieht mich an. Er weiß, dass wir von Marcel sprechen.
„Ich wollte eigentlich auch nur sagen, dass wir Freitag zu Julian fahren. Wir würden dich gerne mitnehmen. Wir dachten, wir fahren zum späten Nachmittag. Da hast du doch bestimmt Zeit?“
Schwer schluckend streiche ich mir durchs Haar. Verdammt. Auch das noch.
„Carolin?“
„Ja, ist gut. Ruft mich Donnerstag einfach noch mal an, wann ihr genau loswollt“, raune ich mit belegter Stimme und fühle mich von allem völlig überfahren.
„Ist gut Schatz. Ich bin so froh, dass du mitfährst. Julian wird sich bestimmt freuen.“
Ich bin mir da nicht so sicher … und Marcel wird ausflippen … und Tim darf das erst gar nicht erfahren. Und Erik?
Ich werfe ihm einen Blick zu, den er sofort erwidert. Spürt er, dass ich erneut in ein Gefühlschaos abrutsche?
„Dann bis Donnerstag“, meint meine Mutter noch und ich lege auf.
„Was ist los?“, fragt Erik sofort. Für ihn scheint es absolut normal zu sein, dass ich alles vor ihm ausbreite.
Ich schüttele den Kopf. „Nichts!“ Dabei sehe ich wieder aus dem Fenster und lasse die schöne Landschaft an mir vorbeiziehen, ohne sie wirklich wahrzunehmen.
An einem kleinen Wäldchen lenkt Erik den Wagen von der Straße auf den Grünstreifen und macht den Motor aus.
Ich sehe ihn beunruhigt an.
„Komm, wir müssen uns wohl unterhalten“, raunt er und steigt aus.
Ich bleibe sitzen und schließe resigniert die Augen. Worüber unterhalten? Es gibt nichts, worüber ich jetzt sprechen kann. Ich brauche etwas Zeit, um mich selbst in meinen wirren Gefühlen zurechtzufinden.
Erik macht meine Tür auf und beugt sich ins Auto. „Komm, steig aus. Und dann erzählst du mir, was los ist.“
„Du verschenkst schon wieder deinen Sieg, wenn wir nicht weiterfahren“, versuche ich ihn umzustimmen.
Er macht nur eine wegwerfende Handbewegung und brummt: „Scheißegal.“
Ich steige aus und lehne mich neben ihn an den Mustang. Er zündet eine Zigarette an und steckt sie mir zwischen die Lippen, bevor er sich selbst eine nimmt. So stehen wir da und rauchen. Da ich nichts sage, setzt er erneut an.
„Was ist los? Das sollte ein schöner Nachmittag werden, auch wenn ich ihn als Racheakt kaschieren musste, um dich überhaupt mitnehmen zu können.“
Ich sehe ihn verwirrt an. „Um mich mitnehmen zu können? Ich habe nie das Gefühl, dass du auch nur einen Gedanken dran verschwendest, ob etwas richtig oder falsch ist“, raune ich und Erik sieht mich verdattert an. Leise brummt er: „Aber natürlich! Ich will dich doch zu nichts zwingen.“
Er hat schon eine seltsame Art, etwas zu tun und vor sich zu rechtfertigen. Bisher fühle ich mich bei allem, was wir miteinander machten, irgendwie von ihm gezwungen. Und jetzt kommt übermorgen auch noch Tim und Freitag fahre ich zu Julian … dazwischen steht Marcel, der sich vielleicht gerade mit einer Sabrina zu einem Treffen verabredet.
Kurz kommt mir der Gedanke, dass das vielleicht das Beste wäre, auch wenn es mich dann innerlich zerreißt.
Erik tritt dicht an mich heran, legt seine Hand unter mein Kinn und drückt es hoch, damit ich ihn ansehen muss „Was ist los? Immer wenn wir miteinander schlafen stimmt hinterher etwas nicht. Seit wir auf dem Berg waren ist es wieder so.“ Seine Augen funkeln mich entrüstet an und sein Gesicht zeigt erneut diesen harten, angespannten Ausdruck, der mich bisher durchaus verängstigen konnte.
„Ich glaube, ich komme langsam mit dem Ganzen hier nicht mehr klar“, antworte ich resigniert und drücke seine Hand weg. Heute spüre ich keine Angst, nur Ausweglosigkeit.
Erik starrt