Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

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Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen Die Sucht

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alte Haustür schmückt. Jetzt fallen mir auch die Holzspänne auf, die vom Einbau noch hier und da zurückgeblieben sind.

      Also war Marcel gestern deswegen bei seinem Großonkel gewesen. Da hatte er ein volles Programm - diese Sabrina treffen und seinen Großonkel wegen der Katzenklappe fragen, und heute hat er sogar schon eine gekauft und eingebaut. Ich sollte eigentlich stolz auf ihn sein, bei dem, was er so alles neben seiner Arbeit meistert.

      Diego schiebt sich wieder durch die Klappe, irritiert, wo ich denn bleibe.

      Ich schließe auf und lasse die Tür hinter mir ins Schloss fallen. Meine Tasche abstellend, gehe ich zum Sofa und lasse mich auf das weiche Polster fallen. Ich bin viel zu müde und niedergeschlagen zu irgendwas und schließe die Augen, während der Kater zu mir auf das Sofa springt.

      „Kleiner, ich kann nicht bei dir bleiben. Wir ruhen uns jetzt ein bisschen aus und dann gehe ich.“ Meine Worte zu dem schnurrenden Fellknäul und der Gedanke daran, dass ich wirklich für immer gehen werde, drücken schon wieder auf meine Tränendrüse. Ich schließe die Augen und versuche mich zu beruhigen.

      Ich habe ein bisschen Zeit, um mich auszuruhen. Dann erst werde ich mich mit der Umstrukturierung meines Lebens beschäftigen.

      Es ist halb vier, als ich wach werde. Mein Herz klopft mir bis zum Hals, obwohl ich nicht weiß, warum.

      Ich stehe auf und überlege, was ich alles mitnehmen möchte. Aber ich habe schon viel zu viel, was ich mitschleppen müsste. Wäre doch Tim heute schon da. Er könnte mich und meine Sachen nach Hause bringen. Aber er hat erst ab morgen zwei Tage frei. Es ist nur eine kleine Verschnaufpause von seiner Musicaltournee, die noch einige Wochen geht und für die er durch ganz Deutschland tingelt. Ihm wurde in dem Orchester der Pianopart anvertraut, obwohl er erst neunzehn ist.

      Mir wird klar, dass ich meinen Plan ändern muss. Ich nehme nur meine Schulsachen, mein Geld und meinen Hausschlüssel für zu Hause mit. Für Marcel lasse ich es so aussehen, als gäbe es den Entschluss zu gehen noch gar nicht.

      Ich streichele den Kater und sofort wollen mich die Tränen wieder übermannen. Schnell verlasse ich das Haus und schließe ab. Ich fahre besser erst mal nach Hause.

      Am Bahnhof muss ich noch einige Zeit auf einen Bus warten. Der Zug würde mich nach Bersenbrück bringen, und das wäre zu weit zum Laufen.

      Mein Handy aus der Tasche kramend, stelle ich es an und gebe den Pin ein. Ich muss Ellen schreiben, die sich bestimmt Sorgen macht und Marcel, dass ich heute bei meinen Eltern bleibe.

      Eine Flut von Anrufversuchen und SMSen rauscht über mich hinweg, angefangen mit Tim, der nicht verstehen kann, warum er mich ausgerechnet einen Tag, bevor er kommen will, nicht erreicht. Dann die von Ellen, die mich vergebens an der Bushaltestelle erwartet hatte und in jeder Pause versuchte, mich zu erreichen. Ihre SMSen, die zusätzlich mein Handy überfluten, werden von morgendlichen Wutanfällen bis hin zu nachmittäglichem Flehen, mich doch endlich zu melden, immer länger. Während sie morgens nur wütend schrieb: „Wo bist du? Kannst du dich nicht abmelden, wenn du nicht zur Schule kommen willst?“, schreibt sie nachmittags ganze Texte von wegen, ich könne mit allem zu ihr kommen und sie wäre doch immer für mich da.

      Tim schrieb mittags erneut, ob alles in Ordnung ist und ich solle mich unbedingt melden.

      Ich schreibe ihm zurück, dass er mich morgen anrufen soll, wenn er da ist und dass wir uns dann treffen.

      Ellen schreibe ich, dass sie sich keine Sorgen machen soll und ich mich später noch bei ihr melde.

      Marcel schreibe ich besser erst später. Er soll nicht genug Zeit zum Nachdenken haben.

      Mein Bus kommt und ich steige ein, eine SMS von Erik ignorierend, die auch noch wartet, als mein Handy in meiner Hand vibriert. Ich lasse es fast fallen, weil ich mich so erschrecke.

      Mich auf den nächstbesten Sitz werfend, sehe ich auf das Display. Es ist Ellen2. Also ein Anruf von Erik.

      Fast panisch drücke ich das Handy aus. Den kann ich jetzt nicht verkraften. Außerdem ist er der Einzige, der es immer wieder schafft, mich dahin zu bringen, wo ich gar nicht hinwill. Bestimmt hat Ellen ihm gesagt, dass ich nicht in der Schule war und auch, dass sie mich den ganzen Tag nicht erreichen konnte.

      Ich sehe seinen Blick vor mir, als ich ihn in seinem Mustang vor dem Bahnhof zurückließ. Er wirkte tatsächlich so, als mache ihm mein schneller Abgang etwas aus. Das ist nicht der alte Erik. Mir ist lieber, er ist wütend auf mich. Das passt besser zu ihm.

      Als ich an meiner Bushaltestelle aussteige, habe ich erneut einen langen Weg vor mir. Aber als mich das ländliche Idyll umfängt, atme ich auf. Hier finden mich zumindest die Geister aus meiner Osnabrücker Welt nicht. Weder Ellen noch Erik wissen, wo ich hier zu finden bin. Das ist mein kleiner Ort der Zuflucht.

      Als ich endlich bei unserem Haus ankomme, bin ich völlig verschwitzt und müde. Ich schließe die Haustür auf und werde von der Kühle des Hauses empfangen. Sofort gehe ich in mein Zimmer hoch, betrete mein mir so vertrautes Reich und schließe die Tür zur Außenwelt. Ein wenig kann ich nachvollziehen, wie es Erik geht, wenn er seine Paniktür hinter sich schließen kann.

      Das hier ist mein Panikraum. Leider habe ich keine Paniktür, die nur ich wieder öffnen kann.

      Ich lasse mich auf mein Sofa fallen. Wenn ich bei Marcel ausziehen möchte, muss ich hier wieder einziehen. Das behagt mir gar nicht.

      Aber wird Marcel mich überhaupt gehen lassen?

      Bestimmt, jetzt wo er diese Sabrina hat.

      Es tut weh, den Gedanken an eine Trennung unabänderlich ins Auge zu fassen. Aber es bleibt mir nichts anderes übrig, jetzt, wo er sich sowieso schon einen Ersatz gesucht hat.

      Ich komme gar nicht drüber weg, dass ihn so eine Tussi wirklich nur mit einer SMS rumkriegt. Außerdem muss ich zugeben, dass es auch bei mir nicht so weitergehen kann. Ich darf bei Marcel nicht bleiben, weil das falsch wäre.

      Mittlerweile habe ich dreimal mit Erik geschlafen und es lässt sich da gar nichts mehr schönreden. Ich gehe fremd. Massiv fremd. Und das heißt doch nur, dass da etwas nicht stimmt. Aber warum hänge ich dann noch so an Marcel?

      Erneut laufen mir Tränen über das Gesicht und ich weiß, wenn ich jetzt nicht aufhöre zu heulen, dann werden meine Eltern später sofort sehen, dass etwas nicht stimmt und ich darf mir unnötig viele dumme Fragen anhören. Was werden sie überhaupt sagen, dass schon wieder Schluss ist?

      Mein Vater wird unendlich enttäuscht sein. Aber er kann ja trotzdem mit Marcel zum Fußball gehen … und Sabrina wird das neue Maskottchen.

      So sehr ich es hasste, wenn Marcel durch die Ränge lief, um mich vor allen zu küssen, so sehr hasse ich den Gedanken, dass er das mit einer anderen tut.

      Ich hieve mich vom Sofa und beschließe erst mal zu duschen. Vielleicht sehe ich dann auch nicht mehr so fertig und verweint aus.

      Als ich aus dem Badezimmer komme und geduscht, gut duftend und mit geföhnten Haaren mich wieder wie ein Mensch fühle, steht meine Mutter in der Tür.

      „Carolin!“, ruft sie erschrocken. „Du hast mich erschreckt! Ich dachte schon, wir hätten Einbrecher im Haus.“

      „Ich wollte mit euch über Freitag sprechen und schauen, ob Post für mich gekommen ist. Außerdem dachte ich mir, ich schlafe heute Nacht

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