Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen
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Читать онлайн книгу Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen страница 12
„In zwei Wochen ist seine Verhandlung … und wenn er dann … rauskommt …“, stottere ich unter Tränen und sacke auf unser Sofa, aus dem Diego mich ansieht.
Ich ziehe den Kater auf meinen Schoß und trockne meine Tränen an seinem Fell.
„Wir verstecken dich! Du kommst zu uns, ja?“, ruft Ellen aufgebracht ins Handy.
Von Schluchzern geschüttelt, antworte ich ihr mit jämmerlicher Stimme: „Nein, das geht nicht. Ich muss das mit Julian … selbst klären. Vielleicht … hat er sich … verändert?“
„Aber wenn nicht, kommst du zu uns“, sagt Ellen mit Bestimmtheit. „Erik wird dich einfach mit in sein Panikreich nehmen und du bist sicher.“
Mein Gott, ihre Worte rühren mich noch mehr. Ich muss aufhören zu telefonieren, bevor ich mich ganz auflöse.
„Ellen ich muss Schluss machen. Wir sehen uns morgen … in der Schule. Sag Erik, es liegt nicht an ihm.“
Schon das Erwähnen seines Namens lässt mich noch mehr heulen.
„Mache ich. Bitte denk nicht so viel nach. Das macht einen nur fertig. Morgen reden wir weiter, okay? Und ich bin immer für dich da.“
„Danke“, piepse ich. „Bis morgen.“
Ich lege auf, weil ich mich nicht mehr in der Lage sehe, noch mehr Rührseliges zu hören. Das Handy lasse ich zu Boden sinken und rolle mich auf dem Sofa zusammen, dabei Diego in meinen Arm ziehend. Der fängt laut zu schnurren an.
Er ist wirklich ein wenig Trost in dieser Zeit, in der ich nicht weiß, wie alles weitergehen soll.
Marcel weckt mich. Er kniet vor dem Sofa und streicht mir durch die Haare. „Carolin? Was ist los?“
Ich muss schrecklich aussehen, weil ich mich in den Schlaf geweint habe. Jetzt, wo ich Marcels grauen Augen vor mir sehe, die mich völlig verstört mustern, kann ich ihn nur an mich ziehen. Es tut mir alles so leid. Alles was ich ihm angetan habe … alles was ich Erik antue und Tim. Meine Tränenflut hatte alles aus mir herausgespült. Ich habe keinen der drei verdient und jetzt, wo Julian vielleicht bald nach Hause kommt, fühle ich mich auch noch verletzlich wie noch nie.
Marcel schiebt mich hoch und setzt sich neben mich auf das Sofa, mich in seine Arme ziehend. Sein Blick drückt eine Verunsicherung aus, die mir trotz meines maroden Zustands auffällt. In seiner Stimme ist eine zittrige Unsicherheit zu hören, die sie kippen lässt. „Was ist? Ist etwas passiert?“, fragt er leise.
Das verstärkt mein schlechtes Gewissen noch. Spürt Marcel, dass ich nicht mehr zu ihm gehöre?
„Ich fahre Freitag zu Julian“, sage ich, als würde das alles erklären.
„Warum tust du dir das an?“, brummt Marcel, scheint aber seltsamerweise erleichtert zu sein, dass es um Julian geht. „Keiner kann dich dazu zwingen.“
„Ich weiß, aber wenn er vielleicht in zwei Wochen rauskommt, möchte ich vorher wissen, wie er drauf ist.“
Einen Moment lang sagt niemand von uns ein Wort. Dann raunt Marcel plötzlich mürrisch: „Ich kann mir nicht denken, dass sie dich zu ihm lassen. Ist das nicht so etwas wie Beeinflussung von Zeugen? Mich wundert, dass sie dich nicht als Zeuge vorladen … und Tim auch nicht. Bist du dir sicher, dass er schon in zwei Wochen seine Verhandlung hat?“
Ich sehe ihn verunsichert an. „Meine Mutter hat das gesagt.“
„Hm, ich weiß nicht. Schon komisch. Ich meine, du und Tim, ihr könnt von eurem Zeugnisverweigerungsrecht gebraucht machen - weil ihr seine Geschwister seid. Aber dennoch müsst ihr vor Gericht erscheinen. Du hast wirklich noch nichts dafür bekommen?“
Ich schüttele den Kopf und frage verwirrt: „Woher weißt du das alles?“
Marcel sieht mich verlegen an. „Ich war heute Vormittag bei meinem Großonkel und habe mit ihm über alles gesprochen. Naja, eigentlich ging es um ein paar Sachen wegen dem Haus. Aber er hat dann auch nach dir und Julian gefragt, und so haben wir über die anstehende Verhandlung und alles gesprochen“, sagt er ausweichend, als wolle er andere Themen, die sie besprachen, nicht preisgeben.
Verunsichert frage ich: „Und er meint, ich muss auch vor Gericht … und Tim auch?“
„Und ich eigentlich auch … und die Polizisten, die dich mit rausholten. Aber ich habe auch noch nichts bekommen und frage mich, warum nicht? Mein Großonkel ist sich sicher, dass du deinen Bruder gar nicht besuchen kannst.“
Ich atme auf. „Aber warum sagt das niemand meinen Eltern?“
„Wahrscheinlich haben sie dich gar nicht mit angemeldet und denken, sie können mit dir dort so reinmarschieren. Fahr ruhig mit ihnen mit. Sie werden es dann schon sehen.“
Eine unglaubliche Erleichterung packt mich, dass eine Hoffnung besteht, dass ich so tun kann, als wolle ich Julian besuchen und ihn trotzdem nicht treffen muss. Aber andererseits bin ich dann auch nicht schlauer. Ich muss wissen, was in Julian vor sich geht.
Ich lege meine Arme um Marcels Nacken und stütze meinen Kopf an seine Schulter. Das ist mein Marcel. Er bringt meine Welt schnell wieder in Ordnung.
„Ich muss duschen und bin müde“, raunt er und löst meine Arme von seinem Nacken.
Ich setze mich auf. „Okay!“ Er hat immerhin schon den ganzen Tag gearbeitet und scheint auch ziemlich müde zu sein. „Ich gehe dann schon mal ins Bett.“
Nicht mal Hausaufgaben habe ich machen können. Was für ein Tag.
Erik rückt in dieser Welt in weite Ferne.
Als ich am nächsten Morgen von meinem Wecker geweckt werde, wird mir klar, dass ich am vergangenen Abend umgefallen sein muss, wie ein Baum. Ich hatte nicht mal mitbekommen, wann Marcel ins Bett gekommen war.
Es geht mir an diesem Morgen trotzdem nicht besser als gestern. Ich fühle mich immer noch überfordert und weiß nicht, wie ich mit allem umgehen soll. Aber es nützt nichts. Ich muss mich der wirren Welt da draußen stellen. Ihr und meinem Berg Problemen.
Ich dusche und ziehe mich an, als ich Marcels Arbeitssachen im Badezimmer liegen sehe. Die Beule in der Hosentasche lässt mich vermuten, dass er sein Handy in der Tasche gelassen hat.
Ich nehme es heraus und schalte die Tastensperre aus. Eigentlich weiß ich, dass ich das besser nicht tun sollte. Aber irgendetwas treibt mich dazu … wie eine unbändige Kraft, die mich zerstören will. Dass es das tun wird, wenn ich etwas finden sollte, steht außer Frage.
Ich finde erneut SMSen von dieser Sabrina. Die drei alten sind auch noch drinnen. Ich öffne die vierte, in der ich das Bild vermute. Tatsächlich schreibt sie: „Du willst wissen, mit wem du es hier zu tun hast? Ein Bild sagt nicht viel. Wann können wir uns treffen?“
Ein ausgesprochen gutaussehendes Mädchen mit langen blonden Haaren in einem Fußballtrikot lacht mir entgegen und mein Herz setzt aus.
Meine Hände zittern, als ich die nächste öffne: „Gut! Ich