Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

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Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen Die Sucht

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das noch zu fassen!

      Ich gehe in seine Antworten und lese als Reaktion auf ihr Bild: „Wow, super süß! Natürlich können wir uns treffen.“

      Mir wird heiß und mein Magen krampft sich zusammen.

      Seine nächste SMS lautet: „Ich habe heute bis eins zeit. Wo finde ich dich? Ruf mich einfach an, wenn du mich treffen kannst.“

      Ich gehe in den Telefonspeicher und finde keinen Anruf von ihr. Aber im Ausgang einen Anruf bei ihr von Marcel vom vergangenen Abend, den er gleich nach der Arbeit gemacht hatte.

      Ich mache erschüttert das Handy aus und stecke es in seine Hose zurück. Ich weiß nicht, ob die beiden sich getroffen haben. Aber Marcel hatte sie zumindest nach der Arbeit angerufen.

      Okay. Es reicht also schon, dass ihm so ein Katjaverschnitt eine SMS schreibt und er springt voll drauf an. In meinem Kopf baut sich die Vorstellung auf, dass die beiden sich vormittags trafen und abends sofort wieder miteinander telefonierten.

      Die Python, die durch meinen Bauch schlängelt, nimmt mir die letzte Kraft und die Möglichkeit, die Situation anders zu deuten.

      Aufgebracht kämme ich mir die nassen Haare eilig durch, greife meine Schultasche, steige in meine Schuhe und verlasse das Haus, den miauenden Kater ignorierend. Ich will nur noch weg.

      Zum Bahnhof laufend, fühle ich mich wie auf der Flucht. Ich fliehe vor mir, meinen Gefühlen und allem, was mir wehtut. Ich will nichts mehr … keinen Marcel, keinen Tim und keinen Erik. Warum habe ich damals nicht auf mich gehört, als ich mich mit keinem männlichen Wesen mehr einlassen wollte?

      Ich bin viel zu früh und muss auf den Bus warten. Die Sonne kommt nur quälend langsam zum Vorscheinen und mir ist kalt. Ich bin froh, als der Bus endlich kommt und steige ein. Aber als mir klar wird, dass ich gleich Ellen gegenübertreten muss, da weiß ich, dass ich heute auch das nicht durchstehe.

      So muss Erik sich fühlen, wenn er das Gefühl hat, nicht weitermachen zu können, wie Ellen es so schön ausdrückte. Er schließt dann seine Paniktür hinter sich und zieht sich irgendwelche Drogen rein.

      In Wallenhorst, einem Ort vor Osnabrück, steige ich aus dem Bus wieder aus. Mein Handy ausschaltend beschließe ich, mich heute niemandem zu stellen außer mir selbst. Ich muss überlegen, wie ich weitermachen soll. Morgen kommt auch noch Tim und will mich sehen.

      Ich laufe einfach drauf los. Wohin weiß ich nicht. Ich kenne ein Stück des Ortes durch die Busfahrt … mehr nicht. Während ich einen Schritt vor den anderen setze, laufen Marcels SMSen und die von dieser Sabrina durch meinen Kopf und ich werde unglaublich wütend. Ich sehe wieder vor mir, wie Marcel am vergangenen Abend meine Arme um seinen Nacken gelöst hatte, und das damit begründete, duschen zu wollen. Außerdem war er schon sooo müde! Und dann kam er ins Bett und hat mich nicht wie sonst geweckt, um mir eine gute Nacht zu wünschen.

      Die Python in meinem Inneren erreicht einen Moment lang ein Ausmaß, als hätte sie auch noch eine Kuh verschluckt. Und dann platzt sie. Mit der Wut in meinem Bauch wird es zu eng und sie muss weichen. Ich will das alles nicht mehr. Dieses ganze Gefühlschaos. Es muss endlich Schluss sein.

      Irgendwann komme ich an einem Gehöft vorbei und mir fällt auf, dass ich längst die Stadt hinter mir gelassen habe. Mein Kopf ist leer vom vielen Denken und in meinem Körper fühlt sich alles wund und verletzt an. Ich habe alle Gedanken ausgedacht, die Marcel betreffen, Erik, Tim und mein völlig verpfuschtes Leben und schaue auf die Uhr. Es ist fast Mittag. Ich bin somit den ganzen Vormittag gelaufen.

      Aber ich fühle mich etwas besser. Mein Entschluss steht fest. Ich bin erneut da, wo ich vor sechs Wochen auch schon stand … am Nullpunkt. Mein Leben muss jetzt endlich eine Wendung nehmen, in der ich das Chaos bekämpfe und mir wieder die Möglichkeit zum Atmen gebe.

      Ich finde eine Wiese mit einer dicken Eiche mitten drinnen und steuere darauf zu. Ich lasse mich an dem Stamm hinuntersinken und heiße das weiche Gras willkommen.

      Ich brauche eine neue Perspektive und überlege, wie die aussehen kann. Tim ist noch bis Dezember weg, was gut ist. Ich nehme mir felsenfest vor, ihm nur meine Freundschaft bis dahin zu bieten. Erik …, mit ihm ist es am Schwierigsten. Bei ihm habe ich nicht das Gefühl, ihm irgendetwas vorschreiben zu können. Aber ich habe die Hoffnung, dass er mich versteht und unser Verhältnis nur noch auf einer emotionslosen Freundschaftsbasis sehen kann. Das sollte doch eigentlich ganz in seinem Sinne sein. Wir können mit Ellen und Daniel zusammen eine Spritztour machen oder mal auf ein Bier gehen und fertig … und Ellen muss akzeptieren, dass ich öfters mit den anderen Mädels losziehe - auch ohne sie. Sie hatte das am Samstag auch getan. Ansonsten muss sie mich mein Leben leben lassen und aufhören, mit ihrem Bruder gegen mich gemeinsame Sache zu machen. Und Marcel? Der soll sich endlich eine dieser Schlampen nehmen und mich in Ruhe lassen. Er wird sich nie ändern und wie Erik schon sagte, er kann sie alle haben. Er braucht mich nicht und ich … ich will ihn nicht mehr. Und wenn Julian wirklich aus dem Gefängnis kommt, werde ich mich ihm stellen.

      Diesmal ist niemand da, der mir hilft, aber auch niemand, um den ich mich sorgen muss.

      Mir fällt der Traum ein, in dem Julian und Kurt Gräbler Marcel lebendig begraben wollten … und der, als Tim mich aus seinem Bett retten wollte, in dem Marcel mit seiner Katja herumknutschte und Julian mit Kurt Gräbler zusammen mich umbringen wollte.

      Ich spüre die Angst immer noch, die diese Träume in meinem tiefsten Inneren auslösten und mir wird klar, warum ich mich an Erik hänge. Er ist der Einzige, der niemals von meiner Vergangenheit bedroht war.

      Wie auch immer. Hier unter dieser dicken Eiche sitzend, schwöre ich mir, mein Leben ohne die alle weiterzuführen und der Liebe und allen Gefühlen abzuschwören, bis ich weiß, wie meine Zukunft wirklich aussehen wird.

      Das Leben kann nur besser werden, wenn man nicht in einem Strudel aus Beziehungen gefangen ist. So kann Liebe wirklich nicht sein. Mein Weg muss ein anderer werden.

      Ein neuer Weg

      Ich schiebe mich schwerfällig aus dem hohen Gras unter der alten Eiche und schultere meine tonnenschwere Schultasche.

      Marcel muss gleich zur Arbeit … und da er nicht ahnt, dass ich von seiner neuen Flamme Sabrina weiß, wird er sich in Sicherheit wiegen.

      Ein Blick in sein Handy hatte mir gezeigt, dass Marcel sich erneut nur zu leicht auf ein Spielchen mit einem anderen Mädchen einlässt.

      Für mich heißt das, dass zwischen uns alles vorbei ist.

      Ich beschließe, als nächsten Schritt eine Bushaltestelle zu suchen und zu seiner Wohnung zurückzukehren. Dort werde ich mir das Nötigste holen und nach Hause fahren. Diese Nacht werde ich in meinem Bett bei meinen Eltern verbringen.

      Ich bin vom stundenlangen Laufen müde und muss mir einen neuen Weg suchen, der mich zu einer Bushaltestelle bringt. Es dauert noch mehr als eine Stunde, als ich wieder auf eine Bushaltestelle treffe, von der aus ich nach Bramsche zurückfahren kann.

      Es ist kurz vor zwei, als ich völlig fertig bei dem Haus von Marcels Großonkel ankomme, in dem er die Einliegerwohnung bewohnt.

      Der Golf ist weg, wie ich erleichtert feststelle. Doch unser kleiner Kater Diego sitzt draußen vor der Eingangstür und putzt sich zufrieden.

      „Hey Kleiner, was machst du denn hier draußen?“, frage ich

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