Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

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Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen Die Sucht

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hat? Vielleicht geht es ihm wie mir und er ist eigentlich froh, wieder frei zu sein.

      Diego springt uns entgegen und ich werde doch wieder traurig. Ich nehme den Kater auf den Arm und drücke ihn an mich. „Unser Scheidungskind“, murmele ich, gebe ihm einen Kuss in sein haariges Gesicht und setze ihn auf den Boden zurück.

      Er läuft sofort in die Küche und ich folge ihm, um ihm Futter zu geben. Es ist das letzte Mal und ich möchte ihm noch etwas Gutes tun, egal ob er schon zu fressen hatte oder nicht.

      „Das war Marcels Absicht“, murrt Tim.

      „Was?“, frage ich und sehe ihn im Türrahmen stehen, die Arme vor der Brust verschränkt.

      „Das mit dem Kater. Er dachte, du gehst dann auf keinen Fall.“

      „Er hat sich geirrt“, raune ich nur und versuche nicht daran zu denken, was ich hier eigentlich gerade tue.

      Ich gehe alle Räume ab und suche meine Sachen zusammen. Das meiste stopfe ich einfach in einen großen Müllsack.

      „Mein Fernseh- und Internetanschluss läuft noch. Ich hatte ihn vergessen abzumelden. Jetzt brauchen wir ihn wieder. Wozu Vergesslichkeit alles gut sein kann.“ Tim grinst mich aufmunternd an.

      „Ich bezahle dir das alles. Nächste Woche suche ich mir einen Job. Ich habe ein Cafe gesehen, das Aushilfen sucht“, sage ich und spreche aus, was mir schon länger im Kopf herumschwirrt.

      Tim nimmt mir den Sack mit der Wäsche ab und stellt ihn auf den Boden. Vor mich tretend, raunt er, eine Hand in meinen Nacken schiebend. „Ich nehme kein Geld von dir. Mir reicht, wenn du mich beherbergst, wenn ich mal in der Nähe bin.“ Seine dunklen Augen leuchten erwartungsvoll auf und ich weiß, was er damit sagen will.

      „Das ist deine Wohnung und du kannst da schlafen, wann immer du willst“, raune ich und mir ist klar, was das eigentlich für mich heißt. Aber er nimmt halt kein Geld von mir.

      Meine Zuhälter. Einer sieht wie einer aus - mit seiner Karre, und der andere lässt mich auf die Art bezahlen. Heute und hier macht mir das nichts. Das ist mir meine Freiheit wert - und meine Unabhängigkeit, die ich haben werde, sobald Tim wieder weg ist. Und da ich keine Gefühle mehr dulde, ist es okay, wenn alles nur noch Geschäft ist. Ich fühle mich irgendwie erwachsen, eiskalt und berechnend. Genau das, was ich in nächster Zeit nur noch fühlen will.

      „Komm, lass uns weitermachen. Ich will hier schnell weg“, sage ich, weil mir Erik einfällt, und dass er hier jederzeit auflaufen könnte, genauso wie Marcel, wenn er sich erneut krankmeldet.

      Tim nickt und lässt mich los. Er will auch nur noch weg … und mich in seiner Wohnung unterbringen. Mir entgeht sein zufriedener Gesichtsausdruck nicht.

      Als wir alles in seinem Auto verstaut haben, überkommt mich erneut die Traurigkeit. Ich nehme einen Zettel von meinem Schreibtisch und schreibe: „Marcel, es ist besser, wir trennen uns erst mal eine Zeit lang, bis jeder weiß, was er wirklich will. Such mich nicht. Mach dir keine Sorgen um mich. Und sag meinen Eltern nichts. Die flippen aus, wenn sie erfahren, dass ich wieder wegen einem Mädel gehen musste.“

      Ich wähle den letzten Satz mit bedacht, weil meine Eltern von meiner neuen Freiheit nichts wissen dürfen. Schließlich bin ich noch nicht volljährig. Auch wenn es nun für Marcel so aussehen muss, als wäre das mit dem Mädel der einzige Grund für mich zu gehen. Ich weiß, es gibt auch noch andere.

      Diego sehe ich nicht und beschließe, ihn auch nicht zu suchen. Das würde mir nur unnötig das Herz schwermachen.

      Ich lasse die Tür ins Schloss fallen und werfe mit Schwung den Haustürschlüssel durch die Katzenklappe in den Flur. Weder gestern noch heute Mittag hätte ich gedacht, dass ich so konsequent mit meinem alten Leben abschließe.

      Als wir im Auto sitzen und Tim den Mercedes auf die Straße lenkt, sagt er: „Es gibt eine Bedingung, was die Wohnung angeht.“

      Ich sehe ihn an, verunsichert darauf wartend, was nun folgen wird. „Ja?“, frage ich nach, als er seinen Satz nicht sofort beendet.

      „Keine Männerbesuche“, sagt er und sieht mich herausfordernd an.

      Ich grinse. „Außer dir, nehme ich an.“

      „Außer mir natürlich“, meint er und sein Gesichtsausdruck wirkt ernst und entschlossen.

      Ich schlucke. „Kein Problem. Ich habe nicht vor, mich in nächster Zeit in irgendein Abenteuer zu stürzen. Ich habe die Schnauze gestrichen voll“, murmele ich.

      Tim sieht mich nur an. Als er nickt, weiß ich nicht, ob er sich miteingeschlossen fühlt.

      Keine zehn Minuten später fährt er den Mercedes in seine Garage und wir steigen aus. Ich klemme mir unter den Arm, was ich tragen kann und Tim nimmt den Rest.

      Als wir die Haustür aufschließen, müssen wir noch eine Treppe bewältigen. Die nächste Tür führt in mein neues Reich. Ich erkenne alles sofort wieder.

      „Wir müssen lüften und später noch einiges einkaufen“, meint Tim und bringt den Sack mit meiner Wäsche in das Schlafzimmer. „Der Schrank steht dir fast komplett zur Verfügung. Ich habe kaum noch Sachen von mir hier.“

      Tim macht alle Fenster auf und geht in die Küche, um den Kühlschrank anzustellen.

      „So, der läuft auch schon mal. Dann las uns schauen, ob auch die Musikanlage noch funktioniert und der Fernseher.“

      Tim probiert alles aus, lässt aber nur die Musik laufen.

      Ich sehe ihn durch die Wohnung eilen und sich um alles kümmern und die Freude, dass er mir sein Reich überlässt und sich so sehr um alles bemüht, wird übermächtig. Hier werde ich das erste Mal machen können, was ich will und Marcel und Erik müssen dafür Geschichte werden. Keiner der beiden darf jemals wieder mein Leben bestimmen und alle Gefühle für sie muss ich abtöten. Für immer. Und ich weiß schon wie. Ich fühle für Tim nichts weiter außer Dankbarkeit. Um alle anderen Gefühle in mir niederzudrücken, möchte ich sie mit dem wenigen, was ich für ihn fühle, überdecken. Eiskalt und berechnend.

      Der dumpfe Schmerz in meinem Inneren lässt überraschender Weise etwas nach.

      Als Tim an mir vorbeirauscht, um im Badezimmer nach dem Rechten zu sehen, greife ich nach seinem Arm.

      Er bleibt stehen und sieht mich an.

      Ich packe ihn mit beiden Händen am Kragen seines Hemdes und ziehe ihn langsam hinter mir her ins Schlafzimmer.

      Er hält den Atem an und sein Blick wirkt verunsichert. Als ich das Bett hinter mir weiß, bleibe ich stehen und ziehe ihn an mich. Ich lege meine Hände um sein Gesicht und ziehe ihn zu mir runter, um ihn zu küssen.

      Sofort schlingt er seine Arme um mich und drängt mich weiter.

      Ich falle in sein Bett und er lässt sich auf mich fallen. Beide Hände neben meinem Kopf abstützend, fragt er: „Was wird das?“, und seine schwarzen Augen sehen mich herausfordernd an.

      „Mietvorschuss“, erkläre ich grinsend.

      Den Schmerz in meinem Herzen, der wie ein Feuer auflodert und gleichzeitig wie Eis meine Gefühle erstarren lässt, verdränge ich. Erik drängt sich

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