Die Ewigkeit ist nur ein Augenblick. Petra Häußer

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Die Ewigkeit ist nur ein Augenblick - Petra Häußer Lindemanns Bibliothek

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das war Lenes Standardsatz, begleitet von einer wegwerfenden Handbewegung und einem energischen Schubser auf ihren Zwicker.

      Lene und Sofie versicherten einander viele Male, dass sie mit der armen Mine niemals würden tauschen wollen. Die vielen Schwangerschaften, all diese Kinder, immer den temperamentvollen Mann um sich rum, der ihr Leben bestimmte, Tag und Nacht! Aber was wollte man machen. Das normale Los einer Frau war die Ehe, das wussten auch Lene und Sofie und priesen sich glücklich, dass sie rechtzeitig abgebogen waren auf ihrem Lebensweg, bevor er in diese Sackgasse geführt hätte.

      Sie bedauerten ihre kleine Schwester nicht nur, sie liebten sie auch, sie fühlten sich verantwortlich für jedes der Kinder, die da gepurzelt kamen. Und ganz besonders für die kleine Paula, nach deren Geburt es Wilhelmine so schlecht ging, dass alle fürchteten, sie werde nicht wieder gesund werden, sondern sich als Engel den irdischen Pflichten entziehen und ihren Mann mit der Kinderschar seinem Schicksal überlassen, in das sich die Schwägerinnen dann mal so richtig resolut hätten einmischen wollen. Vorerst rissen sie schon einmal das neugeborene Kindchen an sich und stritten gar darum, wer sie halten, wickeln, füttern durfte, obwohl da noch Paulas Schwestern Helene und Johanna waren, im Kinderhüten schon sehr geübt und nicht unbedingt erbaut über das Eindringen ihrer beiden Tanten in ihre Familie.

      Paula lernte früh zu lächeln, sie streckte ihre Ärmchen aus nach jedem, der sich ihrer Wiege näherte, sie bezauberte mit ihren glänzenden dunklen Augen, dem ungewöhnlich dichten kastanienbraunen Haarflaum. Sie entwickelte sich zum Liebling der ganzen Familie, zog die Aufmerksamkeit auf sich und lernte deshalb schneller laufen, sprechen, singen. Sie bewegte sich wie jemand, der sich absolut wohlfühlt in seinem Körper. Jemand, der weiß, dass er nur lächeln muss und schon hat er sein Gegenüber für sich eingenommen. Jemand, der keinerlei Angst hat vor Fehlern oder Versagen. Das gab es einfach nicht in ihrem Weltbild.

      Als Paula geboren wurde, war das Karlchen fünf, Willi drei und das Richardle zwei Jahre alt. Diese drei hatten einander zum Spielen, zum Streiten, um einander das Brot wegzuessen oder zuzuschieben. Das Karlchen und der Willi hatten die blauen Augen und hellblonden Lockenhaare ihrer Mutter geerbt, das Richardle schlug eher dem Vater nach, der diese Söhne „mein Glückskleeblatt“ nannte, hauptsächlich dann, wenn er gerade mit dem Geigenkasten unterm Arm und in gehobener Stimmung am späten Nachmittag aus dem Haus ging und er die drei sich selbst und ihren älteren Geschwistern überlassen konnte, weil es bei ihm ja darum ging, Geld zu verdienen, damit die Familie etwas zu essen hatte.

      Zum Zeitpunkt von Paulas Geburt lag die Sorge um die Kleidung der Kinder schon ganz und gar in Händen der Sofie-Tante und die Lene-Tante hielt zum Vorteil ihrer ungebärdigen Nichten und Neffen engen Kontakt mit dem Schulrektor Knöpfle, einem Freund der Oper und der Operette, dem sie dann und wann eine Freikarte zustecken konnte, wenn sie dem Heldentenor seine Lieblings-Kuba-Zigarren besorgt und fast zum Einkaufspreis durchgeschoben hatte. Der hochverehrte Sänger wollte sich absolut nichts schenken lassen, aber für einen fairen Handel quid pro quo erwärmte er sich durchaus, nachdem er sich der Diskretion der werten Frau Walker hatte versichern können. Darauf war Lene stolz: Dass er sie wie all ihre Stammkunden stur Frau Walker nannte und das lächerliche altjüngferliche „Fräulein“ vermied. Ein Punkt, in dem die beiden unverheirateten Walker Schwestern einander uneins waren. Die Sofie-Tante wollte Fräulein genannt werden, sie betrachtete das als Ehrenbezeigung, denn konnte sie so nicht öffentlich darlegen, dass sie als niemandes Dekoration oder „bessere Hälfte“ – wer hatte sich dieses schreckliche Etikett wohl einfallen lassen? –, sondern ganz aus sich selbst heraus existierte und für ihre Existenz hart arbeitete, so hart wie ein Mann, so eigenständig und eigenverantwortlich.

      Die drei Buben konnte man auch zusammen in ein Zimmer stecken und ihnen irgendetwas hinstellen, eine Kiste mit Knöpfen oder die Schublade mit den Taschentüchern des Vaters, sie wussten sich damit zu beschäftigen, sich darum zu zanken, sie zu verstecken und wieder aufzufinden. Manchmal tobten sie durch alle Räume, kletterten aufs Pianoforte und nahmen die Klaviatur als Treppenstufe, rissen Pauls Noten aus dem Regal, so dass Johanna stundelang davor kauern musste, um die Papiere mühsam wieder zu sortieren. Sie musste es nicht!

      „Lass doch Hanne, das kann der Vater doch am besten wieder selbst richten“, schimpfte Helene. Aber Johanna wollte es müssen, sie wollte mit dieser Tätigkeit für den Vater etwas tun, was sonst keiner tun wollte, und wollte damit genau fühlen, wer sie war: Papas großes Mädchen. Dass er sie versonnen ansah, wenn er sich bei ihr bedankte, dass in seinem verträumten Blick eine winzige Erinnerung funkelte an seine Wilhelmine, so wie sie damals auf ihn zukam bei ihrem ersten Treffen, als er in den Bann ihrer lieben hellblauen Augen geriet ... Ach ja, längst vorbei ... das spürte Johanna mit ihrem Herzen und fühlte sich dem Vater nah und vertraut, in Liebe verbunden jenseits aller Worte.

      Wilhelmine brachte die Winter, wenn das Familienleben sich auf dem für so viele Menschen doch recht engen Raum der Wohnung, allenfalls erweitert durch das Treppenhaus und verbotenerweise sowohl Keller als auch Dachboden, abspielte, hinter sich und erwartete ungeduldig den Frühling und den Sommer, wo sie ihre drei Musketiere wieder hinunter in den Hof schicken konnte. Selbst wenn sie auf Abenteuer aus waren und den Hof verließen, so taten sie es nie für lange, denn der Hunger und ihre Sehnsucht nach den anderen Geschwistern trieben sie wieder zurück, bevor ringsum die Abendglocken läuteten und es zu dämmern begann.

      Der Musikus Paul Sömmer fand sein Glück bei der Arbeit, weil er sich dort nach dem häuslichen Trubel sehnen konnte während der zehnten Wiederholung einer schwierigen Passage, mit der der Dirigent nicht zufrieden war, und er fand sein Glück zu Hause im Gedanken an den Abend, an dem er sich dem häuslichen Trubel würde entziehen können. Er war der Herr in seiner Familie. Die Kinder wurden geboren, sie wuchsen heran, jedes seiner Kinder fand einen Platz im Leben, mittendrin. Solange sie klein waren, dichtete man ihnen eine strahlende Zukunft an. Je älter sie wurden, desto zufriedener war man, wenn sie einfach nur so waren wie jeder rechts und links.

      Als der Erste Weltkrieg begann, waren zwei seiner Söhne tot, Kinderkrankheiten hatten sie dahingerafft, ein Schicksal, das die Sömmers mit vielen Familien ringsumher teilten. Sein ältester Sohn war 19 Jahre alt, die jüngste Tochter zwei. Es wurde von niemandem in der Familie befürchtet, dass Paul hätte in den Krieg ziehen müssen.

      „Bleib, wo du bist!“, schrieb Paul seinem Sohn Adalbert, genannt Bertel, nach Windhoek in Deutsch-Südwest-Afrika, wohin es ihn zu diesem Zeitpunkt verschlagen hatte. Die Familienväter teilten durchaus nicht alle die Begeisterung der jungen Männer für die Möglichkeit, das Vaterland zu verteidigen.

      Die Cousins

      1954

      Als am 4. Juli 1954 Deutschland und Ungarn im Endspiel der Fußballweltmeisterschaft gegeneinander antraten, hatte Bertel seine Schwester Sofie gebeten, mit ihm zusammen auch seine beiden Neffen Hansi und Theo einzuladen. Zu dem 20-jährigen Hansi und dem 15-jährigen Theo gesellte sich kurz vor dem ersten deutschen Gegentor noch Bertels ältester Neffe Richard. Mehr als 20 Männer drängten sich in Sofies schönem Wohnzimmer vor dem neu erworbenen Grundig 450 T-Fernsehgerät zusammen. Sofie und ihr Mann Karl wohnten in einer großzügig geschnittenen Neubauwohnung in der Otto-Beck-Straße. Es ging ihnen gut, sehr gut sogar. Sie hatten es geschafft, sich nach und nach mit allen Symbolen des wirtschaftlichen Aufschwungs in der noch jungen Bundesrepublik zu umgeben und ließen ihre Freunde und Familienangehörigen großzügig daran teilhaben.

      Da waren sie nun alle beisammen, die neuen Männer der Familie Sömmer, Wilhelmines Enkelsöhne.

      „Stimmt es, dass der Onkel Bertel mit dem Sepp Herberger befreundet ist?“ Theo wendet sich aufgeregt an seinen Cousin Hansi. Es ist eine Weile her, dass sie einander getroffen haben. Hansi kommt Theo heute wirklich wie ein Mann vor.

      „Wer hat dir denn das gesagt?“

      „Der Richard.“

      Aha,

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