Wenn die Nacht stirbt und dein Herz aufhört zu schlagen. Lisa Lamp

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Wenn die Nacht stirbt und dein Herz aufhört zu schlagen - Lisa Lamp

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Angst, weil die Flammen das Mädchen fast erreicht hatten.

      »Wenn wir nicht brennen«, fing sie an und drehte sich zu mir um, »wie wird dann die dunkle Nacht erleuchtet?«

      Im ersten Moment entglitten mir die Gesichtszüge. Kurz setzte mein Herz für mehrere Schläge aus, um mit doppelter Geschwindigkeit weiter zu schlagen. Mein Blutdruck stieg drastisch an und meine Atmung beschleunigte sich. Ich musste diesem Mädchen einfach helfen. Ohne länger zu überlegen, rannte ich los, um sie wegzuziehen. Ich rannte so schnell mich meine Beine trugen, doch es kam mir vor, als ob der Weg immer länger und länger werden würde. Tränen begannen meine Wangen hinunterzufließen und meine Füße verloren den Halt, sodass ich auf den Beton unter mir mit den Knien voran aufschlug.

      »Vergiss nicht. Nihil fit sine causa«, flüsterte sie und trotz der Entfernung konnte ich ihre helle Stimme hören. Als die Flammen kamen, blieb sie still. Als ihre Haut Blasen warf und dunkelrot wurde, grinste sie. Ihre

      Haarpracht zerfiel zu Staub und sie lachte. Nihil fit sine causa, nichts geschieht ohne Grund. Ja vielleicht. Doch damals, als meine Sicht wieder schwarz wurde und ich nur noch das Lachen des armen Mädchens im Ohr hatte, hätte ich lieber alles und jeden verklagt, als mir darüber Gedanken zu machen, ob sie recht hatte.

      Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch als ich wieder sehen konnte, stand Emma neben mir. Sie schien sich nicht einmal bewegt zu haben. Das Miststück, das nicht hierhergehörte, stand einfach da, als wäre es das Normalste auf der Welt und versuchte uns mit ihrem Blick zu röntgen. Ihre hellblauen Augen funkelten, während sie den einzelnen Schülern ins Gesicht sah. Bei jedem hielt ihr Blick kurz inne. Bei einigen länger als bei anderen und ich konnte diese Schüler unter ihrem Blick erzittern sehen.

      Als sie bei Emma und mir ankam, wandte sie ihren Blick nicht mehr ab. Mir war bewusst, dass ich den Kopf eigentlich wieder senken müsste, da es angeblich Unglück brachte, eine Chooserin, wie die Wesen von uns genannt wurden, anzusehen. Doch der Schock darüber, dass das Geschöpf direkt auf uns zukam, lies mich die Regeln vergessen. Es war mir im Grunde auch egal wer sie war. Ich wollte einfach, dass sie wieder verschwindet. Vor uns angekommen, erschien ein noch breiteres Lächeln auf ihrem Gesicht, sodass eine Reihe perfekter weißer Zähne zum Vorschein kam. Emma lächelte die

      Dame an, doch ich lies einfach meine Bücher vor Angst fallen. Selbst meine Mutter und ihre Bestrafungen lösten in mir nicht die Panik aus, die das Wesen in mir verursachte. Meine Hände waren in der Zwischenzeit schweißnass geworden und ich bekam eine Gänsehaut, als sie mich ansprach.

      »Was wollen Sie hier?«, fragte ich mit einem genervten Ton, um die Furcht zu überspielen.

      Die Chooserin zuckte zusammen und kurz hatte ich das Gefühl, dass sie auch nicht gerne hier war. Ich seufzte im Stillen und wünschte mich zurück auf meine alte Matratze.

      Das strahlende Lächeln, das sie bis jetzt aufgesetzt hatte, verschwand aus ihrem Gesicht und sie murmelte: »Es tut mir so leid, dass dir das passieren musste«, bevor sie ihre Hand auf mein Schlüsselbein legte und ein stechender Schmerz durch meine Brust fuhr, noch bevor ich ihre Hand von mir stoßen konnte.

      Ich hatte das Gefühl, als würde der Schmerz mich auflösen und gleichzeitig wieder zusammensetzen. Er zog sich über meine Haut in mein Blut und dann tief in meine Knochen, wo er noch einmal explodierte. Mein Gesicht verzog sich zu einer Fratze und mein ganzer Körper verkrampfte sich. Das Gefühl, als würde die Zeit stehen bleiben, lies mich fast vergessen zu atmen. Mein Herz klopfte gegen meine Rippen, als würde ich einen Marathon laufen. Ich bekam nicht mit, wie meine Füße unter mir nachgaben und ich auf den kalten Boden fiel oder wie Emma meinen Namen schrie, weil sie nicht wusste, was hier los war. Aber ich wusste es. Mutter hatte uns eingebläut wir sollen weglaufen, wenn wir einen Chooser sahen, weil sie gefährlich, böse und wider die Natur waren. Doch ich hatte ihr immer gesagt, dass es dazu nie kommen würde. Jetzt war es zu spät. Die Chooserin hatte mich als Anwärterin erkannt und mich solange gesucht, bis sie mich in meiner Schule gefunden hatte. Meine Eingeweide zogen sich zusammen und mir wurde eiskalt. Als wäre schon tiefster Winter. Ein Schweißfilm lag auf meiner Haut und mein Körper fühlte sich nicht mehr an wie ein Teil von mir. Das Buch, das mir heruntergefallen war, stach gegen mein Bein, doch ich konnte mich nicht bewegen, weshalb ich nichts dagegen tun konnte. Kurz bevor ich dachte, dass ich nun sterben müsste, verschwand die Qual und lies nur ein Kribbeln auf meinem Dekolleté zurück.

      Ich brauchte keinen Spiegel, um zu wissen, dass auf meinem Schlüsselbein nun ein Brandmal war, das mich wie ein Vieh als Anwärterin kennzeichnete. Ich brauchte auch keine schreiende Emma, die auf und ab sprang, um schlussendlich panisch wegzulaufen. Ich verdrehte meine Augen und starrte in das Gesicht des Mädchens, das mein Leben, wie ich es bis jetzt kannte, zerstört hatte. Ihre Augen waren hell wie der See, an dem ich als Kind immer schwimmen war. Kurz dachte ich daran, dass ich mich wohl nie wieder an den See setzen würde, um meine Füße in den Sand zu stecken und den Wellen beim Fließen zuzusehen.

      »Wir erwarten dich im schwarzen Wald«, flüsterte sie mir ins Ohr und küsste meine Wange.

      Danach erhob sie sich und ging einfach den Weg zurück, den sie gekommen war. Es war grausam, die wunderschöne Frau gehen zu sehen. Sie ließ mich allein auf dem kalten Boden zurück und noch nie zuvor in meinem Leben wünschte ich mir so sehr, unsichtbar zu sein, wie vor einer Viertelstunde. Ausnahmslos alle, die nicht weggelaufen waren, sondern sich nur hinter Spinden versteckt hatten, krochen aus ihren Verstecken und starrten mich an. Ihre Blicke trafen mich wie Messerstiche und ich fürchtete mich davor, in ihre Gesichter zu sehen. In den Augen von ihnen war ich wohl jetzt ein Freak, genauso wie Cassandra Middleton damals ein Freak für mich gewesen war, als ich davon gehört hatte, dass die vierfache Klassensprecherin auserwählt wurde. Geholt trifft es wohl eher, denn danach sah man sie nie wieder. Das war das übliche Vorgehen. Jemand wurde gebrandmarkt, an einen geheimen Ort verschleppt und tauchte nie wieder auf. Niemand, der nicht auserwählt wurde, hatte je erfahren, was aus den Kindern wurde. Auch mich würden sie nicht wiedersehen. Alle Schüler waren sich diesem Umstand bewusst.

      Im Endeffekt war ihre Meinung auch nicht wichtig und ich wollte mich jetzt nicht mit ihnen beschäftigen. Das

      Einzige, das ich wollte, war allein zu sein und mich vor der restlichen Welt zu verstecken.

      Nun gab es für mich nur zwei Möglichkeiten und beide fand ich nicht besonders berauschend. In den nächsten Tagen sterben oder dem mysteriösen Mädchen folgen. Ich versuchte, mich zusammenzureißen, sammelte meine Sachen vom Boden auf, erhob mich und rannte, so schnell meine Beine es zuließen, aus der Schule. Die Kapuze meines Hoodies zog ich tief in mein Gesicht, um mich für Passanten unkenntlich zu machen. Wir lebten in einem kleinen Ort und es würde nur wenige Stunden brauchen, bis ausnahmslos alle Bewohner Bescheid wussten. Die aufgeregten Schreie ignorierend, und mein altes Leben hinter mir lassend, sprintete ich über den Rasen des Schulhofs. In mir war immer noch die kleine Hoffnung, dass ich morgen aufwachte und alles nur ein Traum war. Vielleicht hoffte ich auch einfach, dass sich alles regeln würde. Doch wie falsch ich damit lag, sollte ich erst merken, als ich an unserem Gartenzaun ankam. Wie so oft hatte ich auf dem Weg nach Hause zu Gott gebetet, oder wer auch immer mit unserem Leben Schach spielte, dass meine Mutter nicht im Haus war, wenn ich ankam. Doch wie immer wurde ich nicht erhört. Sie stand in der Küche und telefonierte mit Elizabeth Fletscher, der Mutter von einer meiner Mitschülerinnen, die ich natürlich nicht näher kannte. So leise wie möglich kletterte ich die Rosenranke zu meinem Zimmerfenster hinauf und war zum ersten Mal froh, dass meine Erzeugerin mir nicht erlaubt hatte, in den Dachboden einzuziehen.

      »Danke für den schnellen Anruf Elizabeth. Das ist ja furchtbar. Wie sich die Eltern wohl fühlen müssen. Stell dir das vor«, erklang die scheinheilige Stimme meiner Mutter von unten und ich bewegte mich noch schneller. Ich stieg durch die kleine Fensteröffnung,

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