Wenn die Nacht stirbt und dein Herz aufhört zu schlagen. Lisa Lamp

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Wenn die Nacht stirbt und dein Herz aufhört zu schlagen - Lisa Lamp

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wurde alles schwarz.

      

      Ich schreckte aus dem Schlaf, als ich ein Klopfen an der Tür hörte.

      »Einen Moment!«, rief ich und sprang aus dem Bett. Ich öffnete die Tür, doch auf dem Gang war niemand zu sehen. Als ich mit meinem verletzten Fuß auftrat, spürte ich einen schmerzhaften Stich und seufzte frustriert. Das würde eine Weile weh tun. Ich schmiss die Tür wieder zu, in dem Glauben, es mir eingebildet zu haben, und ging in das kleine Badezimmer neben dem Fenster. Es sah sauber aus und ich beschloss, mir den Angstschweiß dieser Nacht abzuwaschen. Ich fühlte mich klebrig, weshalb ich froh war, dass ich mein Duschgel von zuhause eingepackt hatte. Während warmes Wasser aus dem Duschkopf floss, zog ich mir die enganliegende Hose aus und schälte mich aus meinem Tanktop.

      Gerade als ich meine Unterwäsche auf den geschlossenen Toilettensitz legte, klopfte es wieder an der Tür. Verärgert schnappte ich mir ein Handtuch und wickelte meinen Körper darin ein. Ich humpelte zum Eingang und riss die Tür mit Schwung auf, doch wieder war niemand zu sehen. Ich atmete tief durch und schloss die Tür wieder mit einem lauten Knall.

      Kurz darauf stand ich unter der Dusche. Der Dampf fühlte sich sanft auf meiner Haut an und das Wasser entspannte meine Muskeln. Genießerisch schloss ich die Augen und ließ mich von der Wärme einlullen. Wie aus weiter Ferne hörte ich wieder ein Klopfen, doch diesmal ignorierte ich es. Ich lehnte meinen Kopf gegen die Fliesen der Badezimmerwand, die sich kühl an meinem erhitzten Körper anfühlten. Langsam fiel der Schockzustand von mir ab und ich konnte endlich tief durchatmen, ohne dass mir die Angst die Kehle zuschnürte. In meinen Wimpern schimmerten Wassertropfen und meine nassen Haare klebten an meinem Rücken. Es klopfte wieder und ich begann, meinen Kopf gegen die Wand zu schlagen, bis ich Kopfschmerzen bekam. Ich rollte genervt mit den Augen, weil die angenehme Atmosphäre der Glückseligkeit wieder verschwunden war. Das Duschgel stand griffbereit und ich seifte mich Zentimeter für Zentimeter ein. Das Klopfgeräusch wurde lauter. Ich duschte mich ab, um den dreckigen Schaum abzuspülen, und auch Minuten später, als der Seifenschaum schon verschwunden war, ließ ich das Wasser noch über meinen Körper fließen. Danach nahm ich das Handtuch und rubbelte meine Haut trocken. Als ich an meinem Dekolleté ankam, erstarrte ich. Mein Schlüsselbein zierten weinrote Verschnörkelungen, die wie Blätter aussahen. In der Mitte der Verzierungen befand sich das Brandmal der Anwärter, doch es sah für mich fast so aus wie ein Gemälde, denn das Mal war nicht mehr nur ein dünner Umriss, sondern es war ein ausgefüllter Stern, der sich von innen nach außen zu bewegen schien. Mit dem Finger zog ich gebannt die Konturen des Zeichens nach, bis ich realisierte, dass es für immer auf meiner Haut bleiben würde.

      Das penetrante Klopfen hielt an, während ich mich im großen Spiegel des Badezimmers betrachtete. Als ich das nervige Geräusch nicht mehr aushielt, legte ich mir das Handtuch um die Hüften und stellte mich zur Tür. Als das nächste Klopfen ertönte, riss ich noch währenddessen die Holztür beiseite, doch es war niemand zu sehen.

      »Was zum Teufel ist denn hier los?«, schrie ich verärgert, weil mich das Klopfen an die kindischen Telefonscherze aus der Unterstufe erinnerten.

      Wütend schlug ich mit der Faust gegen den Türrahmen und knallte die Tür wieder zu. Im Nachhinein erinnere ich mich nicht mehr, wie genau es damals passiert ist. Ich weiß nur noch, dass ich mich plötzlich in einer Menge von Scherben wiederfand, nachdem alle Fensterscheiben im Haus, zur selben Zeit als mein Schrei ertönte, zersprangen. Meine Arme waren mit kleinen Wunden versehen und Blut rann über meine Finger. Schmerzhaft bohrten sich die Glassplitter in meine nackte Haut und ich biss meine Zähne zusammen, als mir die Tränen in die Augen traten. Minutenlang saß ich da wie ein kleines Häufchen Elend, nachdem meine Beine unter mir weggesackt waren. Dann rollte ich mich auf dem Scherbenhaufen zusammen. Das Handtuch war in der Zwischenzeit von meinem Körper gerutscht und gab die Sicht auf meinen vernarbten Rücken frei. Vorsichtig zog ich die erste Scherbe aus meiner Hand und eine Träne löste sich aus meinem Augenwinkel.

      Als fremde Stimmen laut wurden, konnte ich nur daran denken, dass ich so schnell wie möglich hier weg sollte. Ohne auf die Qualen und das Blut zu achten, zog ich die Splitter nacheinander aus meiner Haut und zwang meine Beine, aufzustehen. In Windeseile zog ich mir neue Kleidung über und stopfte die alten Klamotten zurück in meinen Rucksack. Ich schulterte meine Tasche und putzte flink meine Zähne, um den ekelhaften Geschmack loszuwerden. Als es wieder klopfte, hatte ich das Gefühl, den Verstand zu verlieren, aber diesmal öffnete sich die Tür von alleine. Im Türrahmen befand sich kein menschliches Wesen, sondern eine dünne schwarze Katze, die mich ansah und unzufrieden miaute. Das Tierchen mit den weißen Augen ließ ihren Schwanz schwingen, machte einen Katzenbuckel und setzte zum Sprung an. Aus Reflex fing ich die Katze auf, die sich mit der Zunge über die Nase strich.

      »Wer bist du denn?«, fragte ich und schüttelte im nächsten Moment schon meinen Kopf.

      Ich verlor wirklich langsam meinen Verstand, sonst würde ich mich nicht mit einer Katze unterhalten und eine Antwort erwarten. Als ich das eigensinnige Tier absetzen wollte, krallte es sich an meine Kleidung und meine geschundene Haut. Das Fell kitzelte mich an der Nase und ich musste mehrmals hintereinander niesen. Fluchend versuchte ich, das Tier abzuschütteln, doch es gelang mir nicht. Kurz mahlte ich meine Zähne aufeinander und beschloss, die streunende Katze einfach ein Stück mitzunehmen, da ich wieder aufgeregte Stimmen hinter der Tür hörte. Auf schnellsten Weg verließ ich die Pension. Von Menschen, die meinen Weg kreuzten, bekam ich nur einen verwunderten Blick geschenkt, doch niemand hielt mich auf. Zu groß war die Hysterie über das Chaos im Hotel. Mit gesenktem Blick und Kapuze über dem Kopf kam ich an einer Bushaltestelle an. Ich blieb stehen, um die kleine Raubkatze loszuwerden. Glücklicherweise fuhr sie ihre Krallen diesmal nicht aus. Jedoch folgte sie mir, als ich meinen Weg fortsetzte.

      »Geh doch einfach!«, bat ich die Katze, aber sie miaute nur und beschleunigte ihre Schritte, um mit mir mithalten zu können.

      Stur versuchte ich eine Zeit lang, das Tier zu ignorieren, doch als wir nach mehreren Stunden an einem Bahnhof ankamen und ich mich hinsetzte, um auf den Zug zu warten, legte sie sich auf meinen Schoß. Kaum legte ich ihr die Hand ins Fell, schnurrte sie los und schmatzte zufrieden. Zwei Züge ließ ich unbeachtet ein- und ausfahren. Beim Dritten stieg ich in den einfahrenden Zug. Auch wenn ich meinen Wegbegleiter gewaltsam von meinem Schoß stieß, folgte die Katze mir in das Zugabteil. Ich konnte mich gar nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal in einem Zug gesessen hatte. Wahrscheinlich bei der Auslandswoche in Rom, als wir fast sechs Stunden zusammengepfercht in einem Zugabteil saßen und unsere Lehrerin uns erklärt hatte, wie toll die kommende Woche werden würde. Ohne zu übertreiben konnte man sagen, dass die Woche furchtbar gewesen war. Im Nachhinein verfluchte ich mich selbst, dass meine Mutter mich mit dem Argument überredet hatte, dass alle mitfahren würden und es aussähe, als ob wir es uns nicht leisten könnten, wenn ich nicht mitfuhr. Danach blieb nur die Frage zurück, ob eine Woche auf engsten Raum mit drei anderen Mädchen in einem Zimmer besser war, als meine Mutter mit ihren göttlichen Konsequenzen.

      In dem Moment, als ich mich hinsetzen wollte, stützte ich mich am Sitzpolster der Lehne ab. Meine Handfläche erhitzte sich und begann zu glühen. Langsam löste sich der Stoff rund um meine Finger auf, als würde er schmelzen. Der Gestank nach verbrannten Fasern und Plastik kroch mir in die Nase und ich musste würgen. Fasziniert konnte ich für wenige Sekunden nur auf die verkohlten Fäden starren. Als ein richtiges Feuer ausbrach, riss ich meine Hand reflexartig zurück und presste sie geschockt gegen meinen Brustkorb. Doch sie war wieder abgekühlt, als wäre nie etwas passiert. Die Katze machte mit einem lauten Miauen auf sich aufmerksam. Sie saß auf dem Nebensitz, während ihre Augen die Brandstelle und das Feuer reflektierten. Das Tier miaute, als würde es über mich lachen. Schnellstmöglich schnappte ich mir die Katze, deren Schwanz bereits leicht angekokelt war, weshalb sie herzzerreißend quietschte. Panisch klopfte ich auf den Türöffner und stieß erleichtert ein Keuchen aus, als sich die Zugtür öffnete. Ich sprintete zurück auf den Bahnsteig und presste das Kätzchen an meine Jacke, die danach

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