Wenn die Nacht stirbt und dein Herz aufhört zu schlagen. Lisa Lamp

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Wenn die Nacht stirbt und dein Herz aufhört zu schlagen - Lisa Lamp

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      »Bring sie in ihr Zimmer, sobald sie aufwacht, decke ihre Narben ab und sei vorsichtig! Nicht auszumalen, was passieren würde, wenn andere Schüler erfahren, dass sie nicht von allein zu uns gekommen ist«, befahl die Fremde. Die kühle Hand verschwand und kurze Zeit später konnte ich wieder das Knallen der schweren Türen hören.

      »Du machst es uns wirklich nicht leicht, Read«, murmelte die helle Stimme und langsam konnte ich sie einem Gesicht zuordnen.

      Das Mädchen in meiner Schule. Natürlich kannte ich ihre Stimme, doch wovon hatten die andere Frau und sie gesprochen? Warum war es wichtig, dass ich hier war und warum hatte die Chooserin mich mitgenommen? Schon klar, nach dem Flammenmeer wäre ich sowieso nicht mehr lange auf der Flucht gewesen, aber normalerweise wurden Menschen auserwählt, von den Choosern markiert und mussten selbst den Weg zum schwarzen Wald finden oder starben auf dem Weg dahin.

      Ich zitterte und bekam eine Gänsehaut. Es war immer noch sommerlich warm in dem Raum, doch das Mal auf meinem Schlüsselbein begann sich zu erhitzen, bis ich es kaum noch aushielt, ohne einen Laut von mir zu geben. Als ich im Hintergrund auch noch eine Katze miauen hören konnte, war es mit meiner Selbstbeherrschung vorbei und ich zuckte zusammen.

      »Sehr gut, du bist endlich wach«, meinte die Chooserin belustigt. Ich öffnete die Augen und sah wieder ihr dümmliches Lächeln.

      »Wie fühlst du dich?«, fragte sie und in dem Moment wäre ich ihr am liebsten an die Kehle gesprungen.

      Wie sollte ich mich denn fühlen? Ich war kilometerweit von Zuhause entfernt, hatte riesige Brandzeichen oberhalb meiner Brust, würde meinen früheren Klassenkollegen als Freak, der markiert wurde, in Erinnerung bleiben, hatte ein Gespräch mit einer Fremden, die sich einbildete, sie könnte sich in mein Leben einmischen und wurde praktisch entführt. Natürlich sollte auf dieser Liste auf keinen Fall meine neue stalkende Katze fehlen, die sich gerade an meinem Bein rieb. Innerlich schrie ich mir die Seele aus dem Leib, doch alles, was ich resignierend herausbrachte war:

      »Gut.«

      »Dann lasse ich dich kurz allein. Im Schrank hängt eine Schuluniform für dich. Willkommen im Internat St.Ghidora, der Heimat der Hexen.«

      Ich versuchte, schwach zu lächeln, doch mein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Danke, dachte ich und wollte mich am liebsten übergeben, noch bevor die Verrückte den Raum verlassen hatte. Zittrig stand ich von der unbequemen Matratze auf und bewegte mich durch den Raum. Die Kerzen leuchteten hell und ich fragte mich, wie lange ich wohl geschlafen hatte. War es schon Nacht oder noch Nachmittag? Im Endeffekt spielte es keine Rolle, doch ich fühlte ein nagendes Gefühl in meinem Inneren, als ob es wichtig wäre, wie spät es war. Ich war sowieso schon viel zu spät dran. Ich bewegte mich weiter in die Richtung des großen Holzkastens, der mich stark an den Horrorfilm »Conjuring« erinnerte, bei dem das besessene Mädchen plötzlich auf dem Kleiderschrank lag.

      Ein wenig überrascht war ich schon, als die Uniform exakt meine Größe hatte, aber ich beschloss, nicht darüber nachzudenken, da es mit Abstand nicht das Seltsamste war, dass mir in den vergangenen Stunden passiert war und mir die Antwort keinesfalls gefallen hätte. Der Rock war in schwarz gehalten und dazu gab es eine rote Bluse mit kurzen Ärmeln. Auch wenn eine Krawatte dabei hing, verzichtete ich darauf, sie mir um den Hals zu binden und ließ sie einfach im Kasten hängen. Stattdessen zog ich lieber die schwarze Weste mit silbernem Reißverschluss über. Meine langen Haare band ich mit dem Haargummi, das um mein Handgelenk gebunden war, zusammen. Keine zehn Sekunden später stand die Chooserin in der Tür und hielt mir rote Ballerinas vors Gesicht. Sie selbst war nun ebenfalls mit Rock und Bluse bekleidet, doch sie trug die skurrile Krawatte und ihre Uniform, die im Internat nur zu besonderen Anlässen getragen wurde, war in Grüntönen gehalten. Schnell schlüpfte ich in die mädchenhaften Schuhe und sah mein Gegenüber wartend an. Innerlich verfluchte ich die Schühchen, die an meiner Ferse rieben, jetzt schon. Bestimmt würde ich am Ende des Tages mehrere Blasen an meinen Füßen wiederfinden.

      Ohne ein Wort drehte sich die Chooserin um und lief leichtfüßig über den Marmorboden.

      »Wohin gehen wir?«, fragte ich verwirrt und versuchte,

      mit ihr schrittzuhalten.

      Sie ging nicht besonders schnell, doch wegen meinem verletzten Bein konnte ich nur schwer mit ihr mithalten, weshalb ich nach wenigen Metern anfing zu keuchen.

      »Zu Direktorin Enyo Terrent, dem Verderben der Schule und danach bringe ich dich in dein Zimmer«, sagte sie und lachte über sich selbst.

      Irritiert sah ich sie an, doch sie winkte ab. Während wir den Gang entlangliefen, versuchte ich, mir jedes Detail einzuprägen, aber schon nach wenigen Minuten gab ich auf. Dieses Gebäude war ein einziger Irrgarten. Die

      Wände waren weiß und hin und wieder waren rote Pentagramme auf den Mauern, doch nirgendwo sah ich auch nur eine einzige Tür. Jeder Gang glich bis ins kleinste Detail dem Letzten. Von der Decke hingen alle zwanzig Meter Fackeln, die den Weg beleuchteten. Der Boden war schwarz. Obwohl, genaugenommen war er nicht nur schwarz, sondern in verschiedenen Schwarztönen schattiert. Immer wieder schien der Boden an einer Stelle heller und dann wieder dunkler zu werden. Noch während ich versuchte, zu verstehen, wie das Gebäude belüftet wurde, da es keine Fenster gab, blieb die Chooserin plötzlich vor einem der Pentagramme stehen. Ich kam ins Straucheln und beinahe hätte mein Gesicht Bekanntschaft mit dem Marmorboden gemacht, wenn die Blondine mich nicht festgehalten hätte. Die Chooserin rollte mit den Augen und meine Wangen färbten sich rötlich.

      »Pass auf, wo du hintrittst«, zischte sie und klopfte in die Mitte des Sterns.

      Sie fuhr mit dem rechten Zeigefinger die Zacken nach. Kurz sah ich sie verwundert an und war nicht mehr weit davon entfernt, zu fragen, ob sie nun völlig den Verstand verloren hatte, doch dann qualmte es unter der Wand hervor. Das Pentagramm begann zu glühen. Meine Führerin trat einen Schritt zurück und die Mauer schien sich zusammenzuziehen, bis in der Wand ein Loch entstand und den Blick auf ein kleines Zimmer freigab. Es war schlicht eingerichtet, doch auch hier befanden sich keine Fenster. Ein großer Kasten und ein Schreibtisch nahmen den halben Raum ein und eine Frau, Mitte vierzig, saß hinter dem Tisch und spielte gerade mit der Maus eines Computers. Wenigstens waren wir nicht ganz von der Zivilisation abgeschottet, dachte ich beim Anblick des technischen Geräts.

      Die Chooserin räusperte sich und die Dame sah auf. Kurz schweifte ihr Blick über uns und ein Lächeln erschien auf ihren Lippen. Ganz ehrlich, warum grinsen diese Freaks ständig? Sah ich heute irgendwie komisch aus oder wird das Leben lustiger, wenn man den Verstand verloren hatte?

      »Willkommen Read«, flüsterte die Frau, deren lockige Haare ihr ins Gesicht hingen.

      Leicht kicherte meine Begleiterin, bevor sie zu Boden sah. Mit ihren grünen Augen, den Sommersprossen und der roten Haarpracht sah die Direktorin aus wie das lebende Klischee einer Hexe. Dennoch wäre sie auf eine eigenartige Weise schön gewesen, wenn sich nicht von ihrem linken Auge bis unter ihren Hals eine rote vernarbte Brandwunde gezogen hätte. Die Narbe verdeckte einen Teil ihrer blauen Tattoos, die die Form von Buchseiten, die sich in Vögel verwandelten, hatten.

      »Du siehst deiner Mutter sehr ähnlich«, sagte die Direktorin ehrfürchtig und ihre schmalen Lippen vertieften ihr Lächeln.

      Ich brachte nicht einmal ein Schnauben zustande, denn das war eine glatte Lüge. Meine Mutter war so ziemlich das Gegenteil von mir. Sie war blond, ich war schwarzhaarig. Sie hatte braune Augen, ich hatte grüne. Sie war schlank, ich hatte überall Fettpolster, die ich nicht loswurde. Ihre Stupsnase war klein und süß, während meine die Hälfte meines Gesichts einnahm. Auch brauchte meine Erzeugerin keine Brille, die ihre miserablen Augen ausbesserte.

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